Das Unitheater bringt anlässlich des Unijubiläums die Geschichte von Rosalinde von Ossietzky auf die Bühne. Das dokumentarische Drama widmet sich einer Frau, die viele Facetten hatte – und in vielerlei Hinsicht eine Kämpferin war.
„Ohne Rosalinde von Ossietzky hätte der lange Namensstreit anders enden können. Dann wäre die Universität Oldenburg vielleicht nie nach ihrem Vater Carl von Ossietzky benannt worden.“ Mit dieser Aussage nennt Kai Janssen, Autor und Regisseur des Theaterstückes „Eine gute, anständige Sache“ ein wichtiges Motiv dafür, weshalb die Studentenwerksbühne Unikum die Geschichte Rosalindes anlässlich des 50. Jubiläums der Universität inszeniert. Das Stück ist eine Auftragsarbeit der Uni und hat am 17. Mai im BIS-Saal Premiere gefeiert. Im Zentrum steht die Tochter des Namensgebers, aus deren Sicht die Lebensgeschichte der Familie Ossietzky erzählt wird. Ziel des ungewöhnlichen Theaterprojekts ist es, die bewegte Biographie Rosalindes mitsamt ihren Aktivitäten als Pazifistin, Sozialarbeiterin und Tänzerin sowie ihre Rolle bei der Auseinandersetzung um die Namensgebung auf die Bühne zu bringen und damit einem breiteren Publikum bekannt zu machen.
Das Stück wurde anhand historischer Quellen geschrieben
Janssen hat beim Verfassen des Stücks auf diverse Quellen zurückgegriffen, darunter Schriften von Carl von Ossietzky, die Autobiographie seiner Frau Maud und Werke von Tochter Rosalinde. Das historische Drama folgt der Lebensgeschichte der Familie von der Weimarer Republik über Carls Tod infolge seiner Misshandlung durch die Nationalsozialisten im Konzentrationslager Esterwegen bis in die 1970er- und 80er-Jahre. Wichtige, teils wiederkehrende Motive sind die Abwesenheit des wie besessen arbeitenden Vaters, die Alkoholkrankheit und psychischen Probleme von Mutter Maud, die politischen wie persönlichen Folgen des erzwungenen Exils im Ausland und schließlich Rosalindes Beteiligung am Kampf für die Benennung der Universität nach ihrem Vater Carl. Für viele Darstellerinnen und Darsteller war es eine spannende und bewegende Erfahrung, sich so intensiv mit der Familie Ossietzky zu beschäftigen. „Ich wusste vorher nur wenig über Carl von Ossietzky. Doch durch die Mitarbeit am Theaterstück habe ich viel über das Leben der Familie Ossietzky, aber auch den späteren Namensstreit der Uni gelernt“, sagt Darstellerin Viktoria Rupp.
Autor Kai Janssen charakterisiert sein Werk als „theatrale Doku mit Elementen eines Dramas“. Trotz der künstlerischen Freiheit, die er in Anspruch nimmt, ist ihm eine möglichst realistische Darstellung des Geschehenen wichtig. Für den dokumentarischen Charakter ist eine „Chronistin“ verantwortlich, die mit ihren Auftritten die biographischen Szenen unterbricht. Sie macht anhand von Originalzitaten aus Zeitungsartikeln, Reden und anderen Dokumenten den wechselnden historischen Hintergrund lebendig. Insgesamt 17 studentische Darstellerinnen und Darsteller, von denen die meisten mehrere Rollen übernehmen, spielen verschiedene Szenen aus dem Leben Rosalindes. Maren Duken als Rosalinde, Tom Nietmann als Carl und Lisa Schmidt als Maud von Ossietzky sind die einzigen, die eine feste Rolle spielen. Alle anderen Figuren stellen keine historischen Persönlichkeiten dar, sondern stehen repräsentativ für eine bestimmte Gesellschaftsschicht oder Gruppe – etwa das Bürgertum, Reporter, Studierende oder auch Passantinnen.
Trotz allem ist die Hoffnung ein Leitmotiv
„Obwohl ich schon etwas historisches Vorwissen hatte, war es eine Herausforderung, mich in Personen aus anderen Epochen hineinzuversetzen, sozusagen lebendiges Spiel mit historischer Dokumentation zu verknüpfen“, so Darsteller Marcel Settnik, der unter anderem einen Staatsanwalt spielt, der Carl von Ossietzky anklagt. Die Sprache, die Wortwahl, die Manieren und das ganze Temperament seien in den 1920er Jahren ganz anders ausgeprägt gewesen als heute. Um nicht von der Darstellung abzulenken und mehr Zeit fürs Spiel zu haben, verzichtet Janssen auf den Einsatz von Kostümen. Stattdessen tragen alle Darstellerinnen und Darsteller – die für die komplette Dauer des Stückes auf der Bühne sind – schlichte schwarze Kleidung. Auch das Bühnenbild ist bewusst reduziert gehalten.
Dass Regisseur Janssen und das Ensemble in Rosalinde von Ossietzky eine starke und „vor allem eine emanzipierte Frau“ sehen, macht schon der Ankündigungstext deutlich. Doch obwohl das Stück viel über den Leidensweg der Familie erzählt, soll es nicht zuletzt durch manch heitere Momente auch Hoffnung machen. „Rosalindes Lebensgeschichte war von Kämpfen geprägt. Dennoch zeigt ihr Lebensweg, dass die Hoffnung nicht unterzukriegen ist, und dass am Ende oft eine bessere Zukunft steht“, sagt Janssen. Er und die anderen Beteiligten wünschen sich natürlich ausverkaufte Säle – auch, damit möglichst viele Menschen an der Geschichte einer ungewöhnlichen Frau teilhaben können.