Antonio Gramsci Preis
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Antonio Gramsci Dissertationspreis für kritische Forschung in der Migrationsgesellschaft
Antonio Gramscis intellektuelles Vermächtnis ist ein aus der Arbeiterbewegung stammendes Denken der Kritik – auch und gerade in Zeiten persönlicher und politischer Bedrängnis. Das Vermächtnis des von italienischen Faschisten 1926 inhaftierten und an der Folge dieser Haft verstorbenen politischen Philosophen findet sich nicht zuletzt darin, einen theoretischen Apparat hinterlassen zu haben, der gesellschaftliche Verhältnisse als spezifische Gestalt der Herrschaft in modernen
bürgerlich‐kapitalistischen Gesellschaften betrachtet. Gramsci arbeitet in seinen historischen Analysen heraus, dass gesellschaftliche Gruppen in gesellschaftlichen Transformationsprozessen nur dann hegemonial werden und somit herrschen können, wenn sie nicht nur qua Nötigung und Gewalt dominieren, sondern sie auch in der Lage sind zu führen.
Herrschaft ist in ihrer Struktur demnach grundlegend ambivalent: Sie wirkt sowohl als Zwang wie als Ermöglichung. Im Unterschied zu Gewaltverhältnissen zeichnen sich Herrschaftsverhältnisse durch eine Art Selbstverständlichkeit aus. Als gelebte und auf eine verfestigte Geschichte zurückblickende Realität asymmetrischer Beziehungen erscheinen sie selbstverständlich, unabänderlich oder gelten als vermeintlich natürlich. Die in den Feldern der Erwerbstätigkeit oder Bildung institutionalisierten, asymmetrischen Verhältnisse migrationsgesellschaftlicher Unterscheidungen stellen in ihrer Selbstverständlichkeit häufig unmerkliche Verhältnisse der Asymmetrie dar. Kritische Migrationsforschung, die mit dem Antonio Gramsci Dissertationspreis gefördert werden soll, nimmt solche Verhältnisse empirisch und theoretisierend in den Blick.
Mit dem Antonio Gramsci Dissertationspreis für kritische Forschung in der Migrationsgesellschaft zeichnet die Arbeiterkammer Wien in inhaltlicher Kooperation mit dem Center for Migration, Education and Cultural Studies der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg interdisziplinär angelegte Dissertationsarbeiten aus, die migrationsgesellschaftliche Verhältnisse mit Bezug auf die Sektoren Erwerbstätigkeit, Bildung und/oder Subjektivität als Herrschaftsverhältnisse untersuchen und einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung des direkt oder indirekt an Gramsci anschließenden Denkens der Kritik leisten.
Dieses kritische Denken ist gerade im Bereich der Migrationsforschung von besonderer Bedeutung, neigen doch viele Ansätze in der deutschsprachigen Migrationsforschung zu einem reduktiven Verständnis ihres Gegenstandes. So wird Migrationsforschung häufig zielgruppenspezifisch auf die Untersuchung von „Migrant/innen“ reduziert, wodurch die allgemeine Bedeutung migrationsgesellschaftlicher Verhältnisse dethematisiert wird. Zudem ist nach wie vor ein großer Teil migrationsgesellschaftlicher Forschung an dem Paradigma der Integration orientiert und fragt danach wie Teilhabe an dem Bestehenden für Migrant/innen möglich ist, ohne das Bestehende selbst zur Disposition zu stellen.
Mit dem mit 5.000 Euro dotierten Antonio Gramsci Dissertationspreis werden jährlich 1-‐2 Dissertationen ausgezeichnet, die herausragende Beiträge kritischen Denkens und Forschens im Bereich der theoretischen und empirischen Analyse migrationsgesellschaftlicher Realität darstellen. Auszeichnenswert sind grundlagentheoretische wie empirische Arbeiten aller mit migrationsgesellschaftlichen Fragen befassten akademischen Disziplinen insbesondere geistes-‐, kultur-‐ und sozialwissenschaftlicher Ausrichtung.
Inhaltlich von Interesse sind insbesondere Arbeiten, die den Bedingungen, Phänomenen und Konsequenzen von migrationsgesellschaftlichen Schließungs-‐ und Ausschließungsprozessen materieller wie symbolisch-‐ideologischer Art in ausgewählten gesellschaftlichen Feldern (etwa Erwerbstätigkeit, Bildung, Ökonomie, politische Partizipation) nachgehen und alternative gesellschaftliche Modelle würdevollerer Arbeits-‐ und Lebensformen in der Migrationsgesellschaft untersuchen. Hierzu zählt nicht zuletzt die rassismuskritische Untersuchung gesellschaftlicher Transformationen sowie die Frage nach alternativen Lebensformen jenseits nationalistischer oder einem engen „Wir“ verpflichteten Selbstverständnissen.
Der Antonio Gramsci Dissertationspreis wird jährlich vergeben. Über die Vergabe entscheidet eine Jury unter dem Vorsitz des Direktors/der Direktorin des Center for Migration, Education and Cultural Studies der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.