Predigt Strübind

Predigt Strübind

Universitätspredigt von Prof. Dr. Andrea Strübind

22. Juni 2014 – St. Lamberti Kirche

Dtn 6,4-9 „Ein Plädoyer für die Herzensbildung“

Liebe Gemeinde,

„Dieses Gebot ist nicht so leicht, wie es scheint, sondern es ist die Summe aller Weisheit und Wissenschaft.” Dieses überschwängliche Urteil schrieb Martin Luther über das Bibelwort, das wir heute in der Predigt gemeinsam bedenken. Was würde besser passen zu einer Universitätspredigt als die biblische „Summe aller Weisheit und Wissenschaft“? Das ist doch eine großartige Gelegenheit, um die Theologie in großer Öffentlichkeit – und vor allem ohne Widerrede – als unverzichtbar im Fächerkanon unserer Universität zu profilieren. Könnte sie womöglich eine geheime Leitwissenschaft sein?

So viel zu spontanen Wunschvorstellungen und Gedankenspielen einer Kirchenhistorikerin, die sich als im Predigen erfahrene Pastorin – nun plötzlich in der Rolle der predigenden Universitätslehrerin wiederfindet. Unser heutiges Predigtwort lässt sich aber leider nicht so strategisch verzwecken. Es ist auch kein Sprungbrett zu wohlfeilen Überlegungen über die akademische Welt und ihre von Finanzengpässen und bildungspolitischen Irrwegen gefährdete Zukunft. Es geht vielmehr um Liebe. Es geht um Treue. Es geht zu Herzen.

Text: Dtn 6,4-9
Dieser Abschnitt, das „Höre Israel“ oder Schma' Jisra'el wird von Juden und Jüdinnen morgens und abends gebetet – in guten und in schlechten Tagen, jeden Tag. Es steht im Zentrum jedes Gottesdienstes. Es ist das erste Gebet, das Kinder lernen, und das letzte, das Sterbende sprechen – und begleitet so ein jüdisches Leben vom Anfang bis zum Ende.
Diese Worte sind geradezu das Herzstück jüdischer Frömmigkeit. Israel soll daran erinnert werden, dass es in einem Leben nach Gottes Weisungen nicht um alles Mögliche geht, sondern nur um eines, um die vollkommene Zuwendung zu dem einen Herrn und um seine Liebe zu seinem Volk.
Oft wird gesagt, dieses Gebot der Gottesliebe ist somit das Glaubens- oder Grundbekenntnis des Judentums. Aber es ist nicht in erster Linie ein Bekenntnis – sondern ein Gebet. Das Judentum hat das Liebesgebot zu einem Gebet gemacht, weil es weiß, „dass nur das ständige Gebet dem Gebot den nötigen Raum im Herzen schaffen kann“ (Hermann Spieckermann).

Wie kaum andere Sätze haben diese aber auch den christlichen Glauben geprägt. In Mk 12,28 – als Jesus nach dem höchsten Gebot gefragt wird, zitiert er unsere Verse verknüpft mit dem Gebot der Nächstenliebe (Lev 19,18). Jesus hat das „Höre Israel“ ungezählte Male im Gottesdienst gesprochen, im persönlichen Gebet und mehr noch: Er hat es bis ans Ende redend und handelnd gelebt. Denn er hat die Nähe der kommenden Herrschaft dieses einen und einzigartigen Gottes verkündigt.

Deshalb sind wir mit diesen Worten auch im Zentrum unseres Glaubens. Das unbestrittene Glaubensfundament aller Juden und Jüdinnen entspricht der Verkündigung und dem Weg Jesu. Aber als Christen und Christinnen müssen wir beachten, dass wir in Christus hineingenommen wurden in die Geschichte Gottes mit seinem Volk.  Er kann nur „unser“ Gott sein, wenn er der Gott Israels bleibt. Umrahmt von Erinnerungen an Gottes Wegführung durch die Wüste und im Vorblick auf die kommende Geschichte im gelobten Land sowie auf die nachfolgenden Generationen steht hier in der Mitte: „Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein.“ Hier wird in einzigartiger Weise festgehalten, dass Gott sich in Liebe an sein Volk bindet. Er sucht keine andere Beziehung: „Der Herr ist unser Gott.“

Und dieser Proklamation der Liebe Gottes folgt die Aufforderung zur Gegenliebe. Dem „Er allein“ soll als Antwort das „nur du allein“ folgen. Spüren wir, dass wir hier in einen Dialog der Liebe hineingenommen werden? Im „Höre Israel” – wird nicht in erster Linie die Sprache der Vernunft gesprochen, die definiert und alles auf eine Formel bringt, sondern die Sprache der Liebenden: „Ich bin dein und du bist mein.“ Vor allen Geboten, die im biblischen Buch Deuteronomium noch reichlich folgen werden, vor aller Forderung nach einem Leben gemäß den Richtlinien Gottes, steht eine Liebeserklärung Gottes zu seinem Volk. Kein abstrakter Monotheismus wird hier deklariert, auch keine Verachtung anderer Götter oder Weltdeutungen. Hier ist von exklusiver Bindung in Liebe die Rede. Einer liebt – und einer soll geliebt werden.

Die Debatte um die grundlegende Gewaltbereitschaft, die in den monotheistischen Religionen verwurzelt sein soll, greift hier zu kurz. Denn sie übersieht gerade diese Theologie der Liebe, die sich als Leitmotiv der Gottesbeziehung durch die gesamte biblische Überlieferung zieht. Gott ist einer und einzig, und jeder soll diesen Gott in und mit allem, was menschliches Leben ausmacht, lieben. Drei Wendungen unterstreichen die ungeteilte Hingabe: „Von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft“. Die Liebe zu Gott ist nicht nur ein Gefühl, sondern sie umfasst den ganzen Menschen.

Liebe mit dem ganzen Herzen - im biblischen Sprachgebrauch die Personenmitte, zugleich auch der Ort von Verstand und Vernunft. Mit der ganzen Seele, wörtlich der „Kehle“, durch die der Atem geht, also mit jedem Atemzug des Lebens. In der rabbinischen Auslegung wird dies dadurch erklärt, Gott auch dann zu lieben, selbst wenn er uns das Leben (die „Seele“) nimmt. Und Gott „mit all deiner Kraft“ zu lieben umfasst auch die materiellen Güter, unsere individuellen Talente und alle unsere Fähigkeiten. Diese ganzheitliche Liebe ist keine rein innere Haltung, sondern sie ist ausdrucksfähig und drängt auf Verwirklichung. Sie erweist sich darin, dass sich der Mensch Gottes Worte – die Gebote und Verbote – zu Herzen nimmt. „Und diese Worte … sollst du zu Herzen nehmen“ (V. 6). Wörtlich steht dort: die Worte sollen auf deinem Herzen sein. Gottes Worte sind eine Herzenssache. Das Herz ist in vielen Kulturen und durch die Zeiten hindurch immer symbolträchtig gewesen. Vielleicht weil wir das Herz als einziges inneres Organ ständig mehr oder weniger spüren. In vielen Redewendungen hat sich dieser Mehrwert des Herzens erhalten: Sich etwas zu Herzen nehmen, sein Herz verlieren, Herzschmerz, ein gebrochenes Herz haben.
Die Menschen der Bibel und ihrer Umwelt sahen im Herzen den Mittelpunkt des Menschen, seines Körpers, seines Geistes, seiner Seele und seines Willens sowie der ganzen Persönlichkeit. Verstand und Gefühl – beides war dort lokalisiert. Das Herz war so etwas wie ein großes „inneres Parlament des Menschen“, in dem viele Stimmen (Parteien) miteinander um die Gunst von Entscheidungen ringen, Gedanken abwägen, verwerfen oder unterstützen. Verstand, Empfindungen, Gefühle und Willenskräfte treffen hier aufeinander. Darum ist gerade das Herz der Ort der Entscheidung des Menschen, aber auch der Begegnung mit Gott.

Dieses Wissen um die hohe Bedeutung des „Herzens“ für die Formung der Persönlichkeit hatte vor allem im sogenannten „pädagogischen Zeitalter“ des 18. Jahrhunderts Hochkonjunktur (Ute Frevert). In Anknüpfung an die große protestantische Frömmigkeitsbewegung des Pietismus sprach man von einer notwendigen „Herzensbildung“. Dichter und Denker, Theologen und Pädagogen wurden dabei nicht müde, eine „Bildung des Herzens“  und mit ihr auch eine Bildung der Gefühle einzufordern. Angesichts der Hochschätzung der Vernunft im aufklärerischen Pathos plädierten sie damit für eine Ergänzung der Wissensvermittlung und eine Anleitung zum vernunftgesteuerten wissenschaftlichen Arbeiten. Herzensbildung sollte zur Menschlichkeit erziehen, zum Mitleid, aber auch zur Übernahme von Verantwortung und einer angemessenen Balance der Gefühle – ja, zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit.

Die hohe Bedeutung der Herzensbildung scheint uns wie die Hochschätzung der Empfindsamkeit zu längst vergangenen Zeiten zu gehören. An manche Aspekte, wie die Erziehung zum Untertanengehorsam oder die Einprägung fester geschlechtsspezifischer Rollen, wollen wir auch lieber nicht erinnert werden. Interessanterweise gibt es aber in den letzten beiden Jahrzehnten eine gewisse Renaissance der „Herzensbildung“, wenn auch mit anderem Vorzeichen als im 19. Jahrhundert. Bei der Internetrecherche ist man erstaunt, wie viele Angebote von Workshops, Wochenendseminaren, Kursen und Ratgeberbüchern es gibt, die sich mit „Herzensbildung“ befassen. Ausgelöst wurde dieser Boom durch den 1995 von Daniel Goleman veröffentlichten Bestseller „Emotional Intelligence“, der in 35 Sprachen übersetzt wurde. Emotionale Kompetenz wurde darin zum Schlüssel für den beruflichen Erfolg gekürt. Die sogenannten „soft skills“ wie Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Motivationstalent, Konfliktfähigkeit und realistische Selbsteinschätzung avancierten zu wichtigen Voraussetzungen für den Aufstieg auf der Karriereleiter. „Was nützt“, so Goleman, „ein hoher IQ, wenn man ein emotionaler Trottel ist.“ 

Das Konzept der emotionalen Intelligenz wurde vor allem in der Wirtschaft und in Unternehmen begeistert aufgenommen – hat aber auch seinen Weg in die Pädagogik gefunden. Empathietraining, der sozialverträgliche Umgang mit Gefühlen, Gewaltprävention, prosoziales Verhalten sind nur einige Stichworte aus dem heutigen Alltag von Schulen und Kindergärten. Hier laufen viele Projekte, und zwar durchaus erfolgreich. Skeptisch werden lässt mich freilich, dass im Konzept der emotionalen Intelligenz alles klar definiert, lösbar und gezielt trainierbar ist. Sie gilt geradezu als Karriereturbo sowie als Schlüssel zum beruflichen Erfolg und privaten Glücklichsein.

Wie steht es mit der emotionalen Intelligenz im Uni-Betrieb? An der Universität gibt es seit der Einführung der Bologna-Reform immer wieder Debatten über die inhaltliche Ausrichtung des Studiums, aber auch über die Haltung und das Selbstverständnis der Universität sowie der an ihr Lehrenden und Studierenden. Erst recht im 40. Jubiläumsjahr fragen wir danach. Die Carl von Ossietzky Universität wurde vor 40 Jahren bewusst als eine Reformuniversität gegründet. Ihr Reformcharakter zeigte sich in ihrer demokratischen Verfasstheit, aber auch in der angestrebten Studienkultur des forschenden Lernens. Alle Studiengänge sollten einen konstitutiven Bezug zu gesellschaftlichen Praxisfeldern haben. Entsprechend dem Profil einer Reformuni etablierte sich hier ein herrschaftskritischer Blick als Schlüsselkompetenz der Lehrenden und Lernenden. Praxisnähe und die Verantwortung für die kritische Begleitung gesellschaftlicher Prozesse sind für mich relevante Perspektiven auch für die heutige Zeit. Sicher ist hier nicht der Ort, den Ertrag dieser Gründungsjahre unserer Universität mit allen Irrwegen und politischen Engführungen darzustellen, geschweige denn zu bewerten. Aber es lohnt sich, über die berechtigten Anliegen der Reformuniversität unter den neuen Bedingungen einer ausdifferenzierten Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft sowie der zunehmenden Vernetzung unserer Lebenswelten nachzudenken.

Ich glaube, es täte uns auch gut, die Universität als Ort der Gelehrsamkeit und Meditation, des geistigen Austausches und des gemeinsamen Lernens, ja als akademischen Freiraum für das gemeinsame Forschen und Kommunizieren neu zu entdecken und dafür zu kämpfen. Gerade in dieser Hinsicht gewönne die Uni an persönlichkeitsbildender Relevanz! Im Leitbild der Fakultät IV, der ich angehöre, steht als Ziel, dass wir uns um die Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden hinsichtlich ihres kritisch‐analytischen Denk‐ und differenzierten Urteilsvermögen bemühen wollen. Die Ausbildung ihrer Mediationskompetenz bei milieu‐, geschlechtsspezifischen, religiösen und ethnischen Konflikten gehört ebenfalls dazu. Damit versuchen wir die besten Traditionen des Namensgebers unserer Universität Oldenburg, Carl von Ossietzky, zu bewahren und weiterzugeben – seinen Einsatz für die Menschenrechte und den Frieden, seine Zivilcourage als Pazifist und Vorkämpfer einer demokratischen Gesellschaft. Ich plädiere in diesem Sinne für eine entschiedene Wiederentdeckung der „Herzensbildung“ und zwar als Bildungsziel und Querschnittsaufgabe in allen Fakultäten. Wir sollten uns im Jubiläumsjahr darum bemühen, diese Dimension unserer Studien- und Lehrkultur wieder zu entdecken. 

An unserer Uni hat es in den letzten Jahren eine deutliche Umorientierung zur konsequenten Förderung und Wertschätzung exzellenter Forschung gegeben. Und wir sonnen uns alle etwas im Glanz dieser öffentlich sichtbaren „Leuchttürme“ der Forschung. Zum Forschungsprofil unserer Universität gehören aber für mich ebenso konsequent und unverwechselbar die Sozial-, Bildungs- und Geisteswissenschaften sowie eine exzellente Lehrerbildung. Das Lehrersein ist über lange Zeit in unserer Gesellschaft in Verruf geraten, auch wenn es in Umfragen schon wieder aufsteigende Tendenzen für die Anerkennung dieses Berufstandes gibt. Ich halte die Lehrerbildung für ein großartiges Profilelement unserer Universität. Wir bilden in großer Zahl Menschen aus, die ihr Wissen und ihre Kompetenzen an Generationen von Schülern und Schülerinnen weitergeben werden. Sie wirken mit ihren Persönlichkeiten als Vorbilder auf die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendliche ein. Sie eröffnen ihnen so Möglichkeiten der persönlichen und beruflichen Lebensgestaltung. Sie erziehen und bilden Menschen heran, die sich aktiv an der Gestaltung unserer Gesellschaft und ihrer Kultur beteiligen können. Gerade in der Lehrerbildung kann sich daher doch das hehre Ziel der Reformuni als gesellschaftsformender und gesellschaftskritischer Impulsgeberin nachhaltig verwirklichen. Im Fragen nach der Universität für die Übermorgenstadt plädiere ich daher für die Herzensbildung als Querschnittsaufgabe für alle Lehr- und Lernräume. Wie aber bildet sich ein Herz? Oder wie kann es gebildet werden? Das Herz – ein schwieriges Bildungsziel? Herzensbildung hat viele Facetten. Und es gibt Berufenere als mich, darüber Auskunft zu geben. Ich möchte als Theologin hier nur einen vom Bibelwort abgeleiteten Bildungsweg des Herzens aufzeigen. „Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen“ (V. 6). Der liebende Gott schenkt Worte der Gegenliebe, die wir uns zu Herzen nehmen sollen. Das Herz ist also nicht eine in sich verschlossene Einheit, sondern es ist immer auf ein „Du“ bezogen. In dieser Bezogenheit geschieht immer wieder das „Wunder des Wir„ (Margit Eckholt). Wie kein anderer Philosoph des 20. Jahrhunderts hat Martin Buber diese für die gesamte menschliche Existenz bedeutsame „Ich-Du-Beziehung“ herausgestellt. „Sodann aber verlangt es einen Mal um Mal, seinem Mitmenschen zu danken, selbst wenn er nichts Besonderes für einen getan hat. Wofür denn? Dafür, dass er mir, wenn er mir begegnete, wirklich begegnet ist; dass er die Augen auftat und zuverlässig vernahm, was ich ihm zu sagen hatte; ja, dass er das auftat, was ich recht eigentlich anredete, das wohlverschlossene Herz.“ (Martin Buber, Nachlese). Das Herz bildet sich also bei dem, der offen ist für die Worte und Lebensweisungen Gottes und der sich für Andere öffnet. Die Gebote haben stets diese beiden Dimensionen – der Gottesliebe und der Nächstenliebe. Her¬zensbildung nimmt demnach, geschult durch die Liebe Gottes, den anderen Menschen aufmerksam und sensibel wahr, übernimmt Verantwortung für ihn, nimmt seine Anliegen in das eigene Herz auf. Fundamentale Herzensbildung kann so verstanden werden als Herzensöffnung für den Anderen. Herzensbildung besteht also zunächst darin, meine personale Mitte, meinen innersten Raum zur Verfügung zu stellen, um mich berühren zu lassen von dem Leid und den Herausforderungen der Anderen. Daher ist „Herzensbildung“ nie abgeschlossen, sondern ein lebenslanger Prozess. Ein gebildetes Herz ist weit und sensibel zugleich. Ein gebildetes Herz ist verwundbar und kämpferisch – für Andere.

„Und du sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden“, heißt es schließlich in unserem Predigtwort (V. 7). Die Worte der Gegenliebe, die Gebote sind schließlich auch Bindeglieder zwischen den Generationen. Im religiösen Judentum beginnt die Lehre dieses „Höre Israel“, sobald ein Kind sprechen kann. Verbunden mit dem Ritual der Gebetsriemen und der Kennzeichnung des Türpfostens wird die Erinnerung an die Einzigartigkeit der Liebe Gottes zu seinem Volk und dessen Gegenliebe in den Geboten greifbar, sinnlich erfahrbar, berührend. Immer wieder, morgens und abends, beim Ausgehen und beim Heimkommen, steht das Gedenken an den einen Gott und an die Liebe zu ihm. Und das von Generation zu Generation.
Könnten wir nicht auch so eine permanente Einübung in das gebrauchen, was wir glauben und hoffen? Wo sind in unserem Alltag die Zeichen, die uns an die Liebe Gottes in Jesus Christus erinnern? Und die uns zugleich auffordern, unser Leben nach seinen Geboten zu gestalten? Als protestantische Christen, die das Wort in das Zentrum von Gottesdienst und Frömmigkeitspraxis stellen, müssen wir wohl wieder neu lernen, was es heißt, Glauben und Hoffnungen im Lebensalltag Gestalt werden zu lassen. Fulbert Steffensky hat das zutreffend so gesagt: „Religion geht nur, wenn sie alltägliche Religion ist, regelmäßige Ausübung ist. […] Es ist in dieser Zeit schwer, die Hoffnung zu bewahren und den Glauben nicht zu verlieren. Darum müssen wir uns den Glauben vorsagen und die Hoffnung vorspielen auf den Instrumenten der Frömmigkeit, die wir noch haben und die wir noch gebrauchen können.“ Das „Höre Israel“ ist eine Einladung, uns den Glauben und die Hoffnung vorzusagen und uns einzuüben in die Lebenspraxis der Liebe zu Gott und zu unserem Nächsten. Mit seiner zu Herzen gehenden Dringlichkeit weckt es den Wunsch nach Herzensbildung als Bildungsziel in unserer Zeit. Ein gebildetes Herz öffnet sich für andere und findet gerade darin zu sich selbst.

Der Kirchenvater Augustin, der über die Wichtigkeit der Herzensbildung Bescheid wusste, fasst auf unnachahmliche Weise das „Höre Israel“ noch einmal zusammen und entlässt uns damit in die Freiheit: „Liebe, und dann tue, was du willst.”

Amen

Internetkoordinator (Stand: 19.01.2024)  | 
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