Über den Doppelcharakter von Kultur haben zentrale Vertreter der Kritischen Theorie immer schon nachgedacht. Sie analysierten und erörterten das Spannungsverhältnis zwischen dem notwendig sublimativen Charakter von Kultur (Voraussetzung aller Gesellschaft und Zivilisation) und der gerade darin das schlecht Bestehende der Gesellschaft bestätigenden und verfestigenden Funktion von Kultur. In der westlichen Moderne, die sich von Anbeginn durch ihre emanzipative Emphase, zumindest im Anspruch, auszeichnete, nahm dieser Doppelcharakter ideologische Formen an. Gerade im Zeitalter, in dem sich durch Aufklärung und fortschrittliche Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse neue emanzipative Perspektiven eröffneten, ist der affirmative Charakter von Kultur durch kapitalistisches Konsumverhalten, kulturindustrielle Verkrustung von Kunst und Entleerung ihres widerständigen Impulses zu einem neuen repressiven Höhepunkt gelangt. Nicht zuletzt Herbert Marcuse hat sich diesem zentralen Moment der Kulturmoderne eingehend gewidmet.
Zur Lektüre:
Herbert Marcuse, Über den affirmativen Charakter der Kultur, in: ders., Kultur und Gesellschaft 1, Suhrkamp, Frankfurt/M 1965, S.56-101
Kritische Theorie heute
ist eine Workshop- und Vortragsreihe der Adorno-Forschungsstelle, die seit dem Wintersemester 2015/16 semesterweise stattfindet.
Kritische Theorie lebt von ihrer beständigen Reflexion auf die historisch gewordene soziale Gegenwart. Der Zeitkern, mit dem sie ihren Begriff von Wahrheit versieht, zwingt sie dazu, ihre zentralen Begriffe und Theoreme auf ihr Erklärungspotential hin zu überprüfen und bezüglich ihrer Gegenstände immer wieder neu auszurichten. Ziel der Workshop-Reihe Kritische Theorie heute ist es darum, klassische Texte der Kritischen Theorie und neuere Forschungsarbeiten zu diskutieren, um so bestimmen zu können, worin ihr Beitrag zur Philosophie und Gesellschaftstheorie heute besteht.
Die Reihe wird organisiert von Dr. Philip Hogh und Dr. Maxi Berger.
Weitere Informationen folgen.