Bildungsforschung

Bildungsforschung

(, PD Dr. Heinz-Dieter Loeber)

Forschungsvorhaben der Arbeitsgruppe Bildungsforschung 
im Promotionsprogramm "Fachdidaktische Lehr- und Lernforschung - Didaktische Rekonstruktion"

Vorstellungen von Begabung bei Lehramtsstudierenden als Faktor späteren Unterrichtens

Ausgangspunkt der geplanten Untersuchung über Begabungs- und Bildungsvorstellungen von Lehramtstudierenden ist die Annahme, dass diese sich als beeinflussende Faktoren auf das spätere Unterrichtsverhalten und damit auf den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler auswirken. Dabei wird hier davon ausgegangen, dass naturalisierende und eher statische Begabungsauffassungen die unhinterfragte Verteilung schulischer Leistungen als begrenzt aufgefasster (Fähigkeits-)Ressourcen befördern und den pädagogischen und schulpolitischen Elan hemmen, solche scheinbaren Grenzen zu durchbrechen. Stand der Forschung

Es gibt empirisch gehaltvolle Aussagen darüber, dass allgemeine gesellschaftlich-normative und schul- und unterrichtsspezifische Faktoren als Erklärungen für Leistungsunterschiede von Schülerinnen und Schülern in internationalen Vergleichen wirksam sind. Auf Deutschland bezogen stellt sich die Frage, wodurch die als vergleichsweise "gering" bezeichnete Wertschätzung schulischen Lernens verursacht wird ? Ist dies ein Ergebnis kulturell verankerter Denkweisen über die Grenzen und Unterschiede menschlicher Lernfähigkeit oder Begabung, der Annahme also, dass "nature" wichtiger sei als "nurture" ?

Diese Fragen lenken das Augenmerk auf die Lehrer-Schüler-Interaktionen, die von soziokulturellen Denkmustern vorstrukturiert werden.

Die Ursachenzuschreibung schulischer Leistungen (Begabung, Anstrengung) ist offensichtlich auch von der eigenen Biographie der Lehrer/innen abhängig und – für die Mathematik empirisch nachgewiesen – von geschlechterdifferendierenden Einschätzungen und Erwartungen. Darüber hinaus beeinflusst das Zutrauen in die eigenen fachlichen Fähigkeiten, das Zutrauen in die Fähigkeit zum Unterrichten

Forschungsvorhaben und Ziele

Die hier geplante empirische Untersuchung zielt auf eine schärfere Erfassung des Bildes, das Lehramtsstudierende vom ("guten" oder "schlechten") Schüler und von schulischer Leistung haben bzw. an der Universität aufbauen. Es sollen Beschaffenheit und Verbreitung von Begabungs- und Bildungsvorstellungen bei Studierenden verschiedener Fächergruppen analysiert und auf ihre bedingenden Einflussgrößen überprüft werden. Zudem sollen Vorurteile über das jeweilige Fach aufgedeckt werden. Diese für die spätere berufliche Praxis bedeutsamen impliziten Theorien und ihre Entfaltung meinen wir in folgenden Dimensionen erfassen zu können:

- Welches Bild machen sich Lehramtsstudierende von der Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler, in welcher Weise setzt es sich aus den Faktoren Fachleistung, Sozialverhalten und Geschlecht zusammen ?

- Wie erklären sich Lehramtsstudierende Schulleistungen allgemein und fachspezifisch, neigen sie eher dem "‘ability’-model" oder dem "‘effort’-model" zu, welche Unterschiede gibt es zwischen den Schulstufen ?

- Welches Bild haben Lehramtsstudierende von ihrem Fach, existieren unterschiedliche "Fachkulturen" ?

- Wie kommen die Bilder zustande? Inwieweit werden eigene schulische und universitäre Erfahrungen handlungsrelevant ?

- Welche Vorstellungen verbinden Studierende, die später im "Bildungswesen" tätig sein sollen, mit den Begriffen "Bildung" und "Lernen" ?

Wir nehmen an, dass die Antworten nicht allein Ergebnis einer von allen Lehramtsstudierenden erworbenen kulturellen Vorstellung vom Lernen sind, sondern dass diese Vorstellungen nochmals gebrochen werden von den "Kulturen" in den jeweils studierten Fächern und den Vorstellungen von der Erlernbarkeit der Inhalte und Methoden einesFaches . Aufgabe unserer Studie wäre es, das Vorhandensein differierender Fachkulturen auch bei Lehramtsstudierenden nachzuweisen und mit Unterschieden in den Erklärungsmustern schulischer Leistungen in Zusammenhang zu bringen. Eine für Lehrerinnen und Lehrer besonders wichtige Dimension der Fachkultur ist die Erlernbarkeit des Faches: In den Vorstellungen darüber wie und ob die Lerninhalte erworben werden können, zeigt sich auch die Bereitschaft zur Anwendung innovativer pädagogischer Konzepte und zu pädagogischem Engagement überhaupt.

Damit könnten Hinweise gewonnen werden für die pädagogisch-didaktische Lehre an den Hochschulen, die im Hinblick auf die späteren Unterrichtstätigkeiten zwischen den Fächer "ausgleichen" müsste. Vorstellungen sind von der Erlernbarkeit eines Faches abhängig und von den eigenen biographischen Erfahrungen der zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer. Die Entstehung des Bildes vom später unterrichteten Fach soll demnach auch in Abhängigkeit von den biographischen Erfahrungen der Interviewten rekonstruiert und diese mit dem pädagogischen Optimismus/Pessimismus in Zusammenhang gebracht werden.

Die Untersuchung soll als regionale Feldstudie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg durchgeführt werden. Ihr Kernstück ist eine schriftliche, postalische Befragung von Studierenden aller Lehrämter, die mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens durchgeführt werden soll. Angestrebt ist eine Zufallsstichprobe in der Größenordnung von ca. 50% aller Immatrikulierten in allen Lehramtsstudiengängen. Durch eine so zugeschnittene Stichprobe und ein entsprechendes Untersuchungssample lassen sich differenzierte Teilgruppenauswertungen und statistische Kontingenzanalysen durchführen. Wichtig ist, dass Studierenden in die Untersuchung einbezogen werden, die nicht in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Studienfächern studieren. Auf diese Weise ist es möglich, Kontrastanalysen vorzunehmen, durch die festgestellt werden kann, ob die bei der Hauptgruppe der befragten Studierenden (Lehramt für die mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichtsfächer) herausgefundenen Antworten fachspezifisch sind oder ob es sich dabei um generelle Einschätzungen von Lehramtsstudierenden handelt.

Auf der Grundlage einer ersten Beschreibung und Analyse der erhobenen Informationen zu allen Fragestellungen ist in einem zweiten Untersuchungsschritt geplant, Gespräche mit Lehrenden aus den mathematisch-naturwissenschaftlichen Studienfächern zu führen, um einerseits deren Einschätzung zu den angesprochenen Untersuchungsfragen und zu den Ergebnissen der Studierendenbefragung zu erfahren und andererseits über mögliche didaktische Konsequenzen aus der Befragung zu diskutieren.

Die Betreuung der Dissertationsthemen erfolgt schwerpunktmäßig gemeinsam mit den Arbeitsgruppen Teamforschung/Schulpädagogik, Didaktik der Geschichte und Didaktik der Mathematik.

Mögliche Dissertationsthemen:

  • Studierstrategien und Begabungskonzepte von Studierenden in den naturwissenschaftlich-mathematischen und geisteswissenschaftlichen Fächern. Eine empirisch-vergleichende Untersuchung

  • Studienwahlentscheidungen und Begabungskonzept. Eine empirische Untersuchung über Motive von Studienfachentscheidungen von Lehramtsstudierenden in den naturwissenschaftlichen und mathematischen Fächern

  • Determinanten der Schülerleistungsbeurteilung in den naturwissenschaftlich-mathematischen und geisteswissenschaftlichen Unterrichtsfächern. Eine empirische Untersuchung über die Auswirkungen unterschiedlicher Fachkulturen auf die Attribuierung von Schülerleistungen.

Literatur

Scholz, W.-D. (1993). Hochschulstudium im Wandel Empirische Untersuchungen zur Veränderung der Bedeutung akademischer Bildung. Oldenburg.

Scholz, W.-D. (1996). Methodenprobleme der Bildungsforschung. Zur Leistungsfähigkeit quantitativer und qualitativer Forschungsverfahren. In: F.-W. Busch (Hg.). Aspekte der Bildungsforschung. Oldenburg, S.51-72.

Scholz, W.-D. (1997). Möglichkeiten und Grenzen quantitativer und qualitativer Methoden in der empirischen Forschung. Ein Plädoyer für ihre komplementäre Verknüpfung. In: F.W. Busch (Hrg.). Hans-Dietrich Raapke. Programme-Prospekte-Projekte. Oldenburg, S. 206-228.

Scholz, W.-D.(1999). Berufliche Weiterbildung als Schlüssel zum Hochschulstudium. Eine empirische Untersuchung über Studienorientierungen und Studienprobleme von Studierenden ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung. Oldenburg (Forschungsbericht für die Hans-Böckler-Stiftung).

Loeber. H.-D./Scholz, W.-D. (1999). Begabungs- und Bildungsvorstellungen von Lehramtstudierenden. Ausführliches Projektpapier. Oldenburg.

Schulenberg, W., Scholz, W.-D., Wolter A. (1986). Beruf und Studium. Studienerfahrungen und Studienerfolg von Berufstätigen ohne Reifezeugnis. Erschienen in der Schriftenreihe "Studien Bildung und Wissenschaft", hrsg. vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft. Band 23. Bonn, S. 9-125.

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(Stand: 16.03.2023)  |