Wie lassen sich einzelne Wohnviertel optimal mit dezentral erzeugter Energie versorgen? Ein Verbundprojekt unter Leitung des Oldenburger Energieinformatikers Sebastian Lehnhoff soll sich mit Fragen wie dieser beschäftigen – und so das Energiesystem weiterentwickeln.
Durch die Energiewende wird das Energiesystem immer komplexer. Intelligente Managementsysteme sind nötig, um dezentrale Erzeuger und Verbraucher automatisch und effizient zu steuern. Im Zukunftslabor „Digitalisierung Energie“ bündeln demnächst sieben Forschungseinrichtungen und elf Unternehmen aus Niedersachsen ihre Kompetenzen, um diesen Prozess voranzutreiben. Unter Leitung von Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff aus dem Department für Informatik der Universität Oldenburg wird der Forschungsverbund beispielsweise modellieren, wie sich einzelne Wohnviertel optimal mit dezentral erzeugter Energie versorgen lassen. Das Niedersächsische Wissenschaftsministerium fördert das Vorhaben seit dem 1. Oktober über fünf Jahre mit rund 3,5 Millionen Euro.
„Die Oldenburger Informatik stellt mit diesem Zukunftslabor erneut ihre hoch innovative Forschung unter Beweis“, erklärte Universitätspräsident Prof. Dr. Dr. Hans Michael Piper anlässlich der Bewilligung.
Das Projekt gliedert sich in zwei Säulen. Im ersten Teilprojekt mit dem Titel „Erforschung von IKT-Abhängigkeiten in Quartiersversorgungssystemen“ plant das Team, digitalisierte Energiesysteme zu erforschen und weiterzuentwickeln. Im zweiten Teilprojekt soll eine Plattform aufgebaut werden, die es ermöglicht, die Energiesystemforschung in Niedersachsen und darüber hinaus effizienter zu vernetzen und Forschungsergebnisse leichter in die Praxis zu transferieren.
Betriebskosten minimieren, Emissionen senken
Lehnhoff und seine Kolleginnen und Kollegen konzentrieren sich bei ihrer Forschung auf die Energieversorgung von Wohnquartieren. „Die kleinste Einheit digitalisierter Energiesysteme sind automatisierte Wohnhäuser oder Gewerbebetriebe, so genannte Smart Homes oder Smart Facilities“, erläutert der Oldenburger Energieinformatiker. „Ein Energiemanagementsystem, das aktuelle Umgebungs- und Prognosedaten verwendet, steuert Erzeuger und Verbraucher wie Solaranlage, Heizung, Elektrogeräte oder E-Auto.“ Ziel sei es, Betriebskosten, Verbrauch und Emissionen zu minimieren. Auch auf Quartiersebene bieten sich durch Mess-, Kommunikations- und Automatisierungstechnik zahlreiche Optimierungsmöglichkeiten, so Lehnhoff: „Diese Technologien ermöglichen es, Energie dann bereitzustellen, wenn sie benötigt wird, Abwärme und regenerative Energiequellen besser zu nutzen, Speicher gemeinsam zu bewirtschaften sowie Blockheizkraftwerke, Industriewärmepumpen und Brennstoffzellen in das System einzubinden.“ Innerhalb des Projekts wollen die Forscher zunächst verschiedene Anwendungsfälle herausarbeiten, entsprechende Modelle entwickeln und schließlich verschiedene Szenarien testen und analysieren.
Die Plattform, die in der zweiten Projektsäule aufgebaut wird, soll aus mehreren Elementen bestehen. Geplant sind unter anderem ein Netzwerk der beteiligten Experten, Testlabore und Forschungseinrichtungen, eine Datenbank und ein Bereich, in dem Ergebnisse dargestellt und für die weitere Entwicklungen nutzbar gemacht werden können.
Digitale Innovationen direkt umsetzen
Das Zukunftslabor „Digitalisierung Energie“ ist Teil des von Oldenburg aus koordinierten Zentrums für digitale Innovationen Niedersachsen (ZDIN), das im Januar gegründet wurde. In insgesamt sechs Zukunftslaboren sollen niedersächsische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Forschungseinrichtungen und Hochschulen mit Partnern aus der Praxis Ideen für anwendungsorientierte Forschungsprojekte generieren und diese gemeinsam bearbeiten. Ziel ist es, digitale Innovationen in Niedersachsen direkt umzusetzen und in einen Dialog mit der Gesellschaft zu treten. Neben Energie stehen die Themen Agrar, Gesellschaft & Arbeit, Gesundheit, Mobilität und Produktion im Fokus. Die Oldenburger Informatiker Prof. Dr. Susanne Boll, Prof. Dr. Axel Hahn, Prof. Dr. Martin Fränzle, Prof. Dr. Andreas Hein und Prof. Dr. Wolfgang Nebel sind Konsortialpartner in den Zukunftslaboren Gesellschaft & Arbeit, Mobilität, Gesundheit & Produktion.
Zum Vorsitzenden des ZDIN-Direktoriums wurde der Oldenburger Informatiker Prof. Dr. Wolfgang Nebel gewählt. Das Direktorium ist für die strategische Steuerung des ZDIN zuständig, entwickelt Konzepte für eine gemeinsame Forschungsstrategie der Mitglieder und berät die Landesregierung in wissenschaftlichen Fragen der Digitalisierung. Die Mittel für die fünf Jahre laufenden Vorhaben stammen aus dem Niedersächsischen Vorab der Volkswagenstiftung.