David Barteczko
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David Barteczko
Promotionsprojekt
Erfahrung und Kritik. Zur Bedingung der Möglichkeit von Solidarität
ABSTRACT
Der Begriff der Solidarität steht zwischen Ethik und Politik. Solidarität setzt einerseits in moral-philosophischer Hinsicht die Autonomie der Person voraus, die sich mit einer anderen solidarisiert; andererseits entscheiden politische Rahmenbedingungen darüber, dass ein spezifisch solidarisches Handeln als erforderlich gesehen wird. Diese Spannung findet sich bereits seit der Antike im Begriff der Gerechtigkeit. Im Gegensatz zur Gerechtigkeit ist Solidarität ein ethisch-politischer Begriff, der sich erst im 18. und 19. Jahrhundert herausbildet und dessen Praxis sich beispielsweise in sozialen Bewegungen des 20. Jahrhunderts zeigt. In diesem Begriff spiegelt sich das moderne Problem des spannungsgeladenen Verhältnisses von Gleichheit und Differenz: Obgleich die Solidarität immer wieder tendenziell ein Zusammengehörigkeitsgefühl ausdrücken soll, das beispielsweise mit nationalen oder kulturellen Identitätskonstruktionen verbunden wird, fordert sie doch gerade eine Gleichheit ein, die über bestehende Differenzen hinweg sieht und sich mit dem Anderen eben für solidarisch erklärt.
In meinem Promotionsvorhaben frage ich nach den Möglichkeitsbedingungen der Solidarität. Meine These ist, dass sich diese Möglichkeitsbedingungen im Verhältnis von Erfahrung und Kritik bestimmen lassen, das seinen philosophiehistorischen Ausgang im 18. Jahrhundert bei Immanuel Kant nimmt. Kant begründet seine kopernikanische Wende in der Philosophie durch die Konstitution eines naturwissenschaftlich inspirierten Erfahrungsbegriffs. Dieser wird zum kritischen Maßstab der Vernunft, deren Ideen über den Boden möglicher Erfahrung hinauszugehen scheinen. Zwar gebraucht Kant keinen Solidaritätsbegriff, aber mit seiner praktischen Bestimmung von Freiheit als Autonomie legt er einen Grundstein für das heutige Verständnis von Solidarität. Mit Michel Foucault und Hannah Arendt versuche ich, dieses Verhältnis von Erfahrung und Kritik neu zu bestimmen, um es mit den zeitgemäßen (nachkantischen) Anforderungen an einen Solidaritätsbegriff kompatibel zu machen. Michel Foucaults Spätphilosophie soll hierzu das Werkzeug für einen Begriff öffentlicher Erfahrung liefern, der durch den kritischen Begriff politischer Urteilskraft bei Hannah Arendt komplementiert werden soll.
Innerhalb der Forschung des DFG-Graduiertenkollegs „Selbst-Bildungen. Praktiken der Subjektivierung in historischer und interdisziplinärer Perspektive“ reagiere ich mit meinem Promotionsvorhaben philosophisch auf die Frage, wie Praktiken der Kritik oder des Widerstands praxis- und subjektivierungstheoretisch eingeholt werden können. Hierbei gehe ich davon aus, dass Praktiken der Kritik oder des Widerstands sich von Praktiken der Subjektivierung dahingehend unterscheiden, dass sie keine soziale Ordnung konstituieren, sondern eine bestehende soziale Ordnung vielmehr herausfordern, irritieren und transformieren. Unter diesem Blickwinkel wird die Frage nach der Autonomie der Subjekte virulent, weswegen ich ihr hinsichtlich der Frage nach den Möglichkeitsbedingungen der Solidarität mit dem Verständnis einer bedingten oder relativen Autonomie nachzukommen suche.
Forschungsschwerpunkte
- Prozessphilosophie
- Transzendentalphilosophie
- Sozialphilosophie
- Ästhetik
- Philosophie der Sprache
- Geschichte der Philosophie
Kurzbiografie
Seit 10/2016 | Assoziierter Kollegiat am DFG-Graduiertenkolleg „Selbst-Bildungen. Praktiken der Subjektivierung in historischer und interdisziplinärer Perspektive“ |
10/2012-11/2015 | Masterstudium der Philosophie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Abschlussarbeit: „Erfahrungsmodi. Über das Verhältnis von Logik und Ästhetik in Whiteheads Denkweisen“ |
10/2009-9/2012 | Bachelorstudium der Philosophie und Slavistik an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Abschlussarbeit: „Was macht das Subjekt? Über Sinnlichkeit und Verstand in Kants Transzendentalphilosophie“ |
Lehre
SoSe 2017 | Erfahrung und Kritik, Seminar im Rahmen des Masterstudiengangs Philosophie, Universität Oldenburg |
Vorträge
11/2016 | „Foucault und die Solidarność. Zur Artikulation der Erfahrung als Kritik“, Philosophisches Colloquium, Carl von Ossietzky Universität, 8. November 2016. |
12/2015 | „Erfahrungsmodi“, Forschungskolloquium der Deutschen Whitehead-Gesellschaft, Heinrich Heine Universität Düsseldorf, 03. Dezember 2015. |
2014 | „Anschauung und Denken“, Internationaler Hegelkongress, Wien, 25. April 2014. |
Weitere wissenschaftliche Tätigkeiten
2017 | Tutor für Praktische Philosophie (Priv.-Doz. Dr. Frank Kuhne) |
2014 | Studentische Hilfskraft im DFG-Graduiertenkolleg „Selbst-Bildungen. Praktiken der Subjektivierung in historischer und interdisziplinärer Perspektive“ (Prof. Dr. Thomas Alkemeyer) |
2012-2017 | Tutor für Theoretische Philosophie (Prof. Dr. Mark Siebel) |
Publikationen
Barteczko, David: Hegels Antwort auf das Kantische Verhältnis von Anschauung und Denken, Hegel-Jahrbuch 2014.