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Ammerländer Heerstraße 114-118
26129 Oldenburg

A3 1-102

Promotionsprojekt

Dr. Katja Molis

„Was machen/macht KuratorInnen? Subjektivierungsformen in neuen Programmen kuratorischer Aus- und Weiterbildung in Deutschland.“

Im Fokus der Dissertation steht die Subjektform „KuratorIn“ sowie Subjektivierungs­prozesse von TeilnehmerInnen neuer Aus- und Weiterbildungsangebote im Kuratieren. In drei Fall­studien werden mittels einer Kombination aus Dokumenten­analysen, qualitativen Inter­views und teilnehmender Beobachtung unterschiedliche Formate kura­torischer Aus- und Weiterbildung in den Blick genommen und anhand diskurs- und praktiken­analytischer Verfahren untersucht. Es wird herausgearbeitet, wie Kuratieren in den Programmen definiert und vermittelt wird und welche Selbst- und Weltverhältnisse dabei eine Rolle spielen. Wie werden einzelne KuratorInnen geformt und formen sich selbst? Wie nutzen sie vorhandene Interpretationsspielräume und gestalten ihrerseits die Subjektform mit und um? Im Anschluss an Michel Foucault wird Subjektivierung dabei als ein permanenter Prozess der Verschränkung von Macht- und Selbsttechnologien, von Selbst- und Fremdführung betrachtet. Die Arbeit gibt Aufschluss über derzeitige Ausprägungen der Subjektform „KuratorIn“ und zeigt, wie kuratorische Programme und deren TeilnehmerInnen an der (Re‑)Produktion und Transformation dieser Subjektform und der sie rahmenden Praxis-/Diskursformationen mitarbeiten.

Die „KuratorIn“ ist eine noch junge Subjektform. Sie hat jedoch im Feld der bildenden Kunst seit ihrer Entstehung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine machtvolle Position eingenommen und gewinnt zunehmend auch in anderen kulturellen Feldern an Relevanz und Anziehungskraft, zum Beispiel in der Literatur, in Musik, Theater, Tanz und Film. Zudem ist die „KuratorIn“ eine heterogene und ambivalente Subjektform. Sie setzt sich aus Aspekten anderer Subjektformen, wie „MuseumskonservatorIn“, „Kunst­kritikerIn“ oder „GaleristIn“ zusammen, weist eine große Nähe zur „WissenschaftlerIn“ und „KunstvermittlerIn“ auf und integriert Merkmale der „KünstlerIn“, „AutorIn“ und „ManagerIn“. Genau diese Mischung scheint das Kuratieren attraktiv zu machen. Denn sie verspricht Kreativität, Gestaltungsmacht, Intellektualität und symbolisches Kapital. Gleichzeitig ergibt sich daraus ein Spannungsfeld: Seit den 1970er Jahren wurde an KuratorInnen, die wie KünstlerInnen und AutorInnen agieren, vermehrt Kritik laut, insbesondere an ihrer Macht und Sichtbarkeit und daran, dass sie Kunstwerke nur als Illustration und Beweis ihrer eigenen Thesen einsetzten. Ebenso wird das Handeln als „ManagerIn“ kritisiert und als ein Beitrag zur Eventi­sierung und Ökonomisierung des Kulturfeldes abgelehnt. In der Dissertation rücken damit Selbst-Bildungsprozesse in den Blick, die sich auf eine im Feld als ambivalent und problematisch wahrgenommene Subjektform beziehen.

Die Kritik an der „KuratorIn“ provozierte seit den 1990er Jahren eine Selbstbefragung vieler KuratorInnen. Auf Tagungen, in Seminaren und Tagungsbänden begannen sie, die Geschichte des Kuratierens aufzuarbeiten und ihre eigene machtvolle Position im Kunstfeld zu reflektieren. „Selbstreflexion“ zählt seither zu einer zentralen Anforderung an KuratorInnen. Die in den 1990er Jahren einsetzende Institutiona­lisierung der Aus- und Weiterbildung von KuratorInnen – zunächst im europäischen Ausland und in den USA, seit etwa 2009 auch in Deutschland – lässt sich als ein Effekt und gleichzeitig als eine antreibende Kraft dieser Entwicklung begreifen. Neben Netzwerktreffen und Work­shops werden vermehrt Masterstudiengänge, Residenz­programme und Weiter­bildungs­­kurse im Kuratieren angeboten. In der Dissertation wird gezeigt, welche Anforderungen die untersuchten Programme angesichts der geschil­derten Spannungen an die kuratorische Praxis und an die Selbstentwürfe der Teilneh­merInnen stellen und wie die TeilnehmerInnen mit den zum Teil konfligierenden Anrufungen umgehen.

(Stand: 16.03.2023)  |