Preconference
Leitung des Arbeitsbereichs
Preconference
Die Erklärung der Transformation des Sozialen und der Entstehung des Neuen kann als ein zentraler Topos sozialwissenschaftlicher Theoriebildung und entsprechender empirischer Einsätze gesehen werden. Demgemäß finden sich auch mit Blick auf die Erforschung schulischen Wandels und der damit einhergehenden Veränderungen des Lehrberufes vielgestaltige theoretische und empirische Zugänge. Diese reichen u. a. von bildungshistorischen, gouvernementalitätstheoretischen oder struktur- und schulkulturtheoretischen Perspektivierungen bis hin zu governancetheoretischen Blickwinkeln und quantifizierenden Panelanalysen. Besonders präsent sind im Diskurs über schulischen Wandel in den vergangenen Jahren praxistheoretische Bezugnahmen, nach denen sich Transformation und Emergenz aus der nie strukturgleichen Wiederholung von Praxisvollzügen ergeben.
Die Workshops der diesjährigen Pre-Conference greifen letztgenannten Fokus auf und setzen sich mit dem Wandel von Schule und Unterricht und den damit einhergehenden Veränderungen des Lehrberufs auseinander.
Während in dem von Anna Moldenhauer angebotenen Workshop (Workshop 1) der Gegenstand des Wandels der Berufskultur von Lehrer*innen vor dem Hintergrund praxistheoretischer Perspektivierungen diskutiert wird, nimmt Kerstin Rabenstein in ihrem Workshop (Workshop 2) den Forschungsgegenstand des digitalen Unterrichts in den Blick und fragt daran anschließend nach einem praxistheoretischen Zugriff auf die Transformation pädagogischen Handelns im Unterricht.
Wir laden alle Interessierten – auch unabhängig von der Teilnahme an der Haupttagung – ein, sich an den Workshops zu beteiligen. Vorkenntnisse im Feld praxistheoretischer Schul- und Professionsforschung sind nicht zwingend notwendig.
Die Preconference wird am Mittwoch, den 28.9.2022 ab 15:00 Uhr stattfinden. Die Workshops finden parallel statt, so dass die Teilnahme nur an einem der beiden Workshops möglich ist. Sie können sich hier anmelden.
Workshop 1: Praktikentheoretische Perspektiven auf den Wandel der Berufskultur von Lehrer*innen (Raum A03 4-403)
Anna Moldenhauer, Technische Universität Dresden
Abstract zum Workshop:
Um sich dem Wandel der Berufskultur von Lehrerinnen zuzuwenden, von der angenommen werden kann, dass sie „ein Konglomerat praktisch-symbolischer Formen der Berufsausübung“ (Kramer, Idel & Schierz 2018, 14) darstellt, welches in schulischen Ordnungen situiert ist (vgl. ebd.), können praktikentheoretische Perspektiven aufschlussreich sein. Praktikentheoretische Perspektiven ermöglichen, zu analysieren, wie über den Vollzug sozialer und pädagogischer Praktiken schulische ebenso wie berufskulturelle Ordnungen hervorgebracht werden. Im kontingenten Vollzug sozialer und pädagogischer Praktiken in der Schule wird nicht nur das „Problem der Generationalität“ (Ricken 2015, 147) bearbeitet und ihre Performanz ist mit Subjektivierungsprozessen der Beteiligten verbunden, vielmehr werden in der Wiederholung von Praktiken zugleich vergangene, gegenwärtige und potentielle zukünftige Dimensionen von Aktivitäten verknüpft – sie weisen über die jeweilige Situation hinaus (vgl. Schatzki 2013; Rabenstein 2020; Moldenhauer & Kuhlmann 2021). Insofern Praktiken, um fortzubestehen, auf Wiederholungen angewiesen sind, diese Wiederholungen jedoch niemals identisch ausfallen können, kann mithilfe praktikentheoretischer Perspektiven der Blick auf Transformationsprozesse – etwa der Praktiken und Konstellationen von Praktiken, welche die Berufskultur von Lehrerinnen prägen – gerichtet werden.
In dem Workshop ist geplant, praktikentheoretische Überlegungen hinsichtlich des Wandels der Berufskultur von Lehrerinnen in den Mittelpunkt zu rücken und diesbezügliche Fragen sowie Perspektiven für die Professionsforschung gemeinsam zu diskutieren. Daran anschließend wird es darum gehen, diese Überlegungen und Perspektiven in Bezug auf ausgewählte empirische Daten adressierungsanalytisch zu wenden.
Literatur
Kramer, Rolf-Torsten, Idel, Till-Sebastian & Schierz, Matthias (2018): Habitus und Berufskultur von Lehrkräften. Kulturtheoretische und praxeologische Zugänge. Ein Basisbeitrag zur Einführung. Zeitschrift für interpretative Schul- und Unterrichtsforschung Jg. 7/2018, 3-36.
Moldenhauer, Anna & Kuhlmann, Nele (2021): Praktikentheoretische Perspektiven auf Transformationen von Schule. In: Moldenhauer, Anna, Asbrand, Barbara, Hummrich, Merle & Idel, Till-Sebastian (Hrsg.): Schulentwicklung als Theorieprojekt. Forschungsperspektiven auf Veränderungsprozesse von Schule. Band 61. Wiesbaden: VS-Verlag. 245-266.
Rabenstein, Kerstin (2020): Wiederholung als Veränderung. Zur Normativität pädagogischer Praktiken zwischen Kontinuität und Kontingenz im Unterricht. PraxisForschungLehrerinnenBildung, 2 (3), 6–19. Wiederholung als Veränderung
Ricken, Norbert (2015): Pädagogische Professionalität – revisited. Eine anerkennungstheoretische Skizze. In: Böhme, Jeanette, Hummrich, Merle & Kramer, Rolf-Torsten (Hrsg.): Schulkultur. Theoriebildung im Diskurs. Wiesbaden: Springer VS. 137-160.
Schatzki, Theodore R. (2013): The edge of change. On the emergence, persistence, and dissolution of practices. In: Shove, Elizabeth & Spurling, Nicola (Hrsg.): Sustainable Practices. Social Theory and Climate Change. London: Routledge. 31–46.
Workshop 2: Zur Erforschung des Neuen als Relation zum Alten. Praxistheoretische Überlegungen am Beispiel einer Ethnografie zu Unterricht im digitalen Wandel (Raum A03 4-404)
Kerstin Rabenstein, Universität Göttingen
Abstract zum Workshop
In dem Vortrag wird das Neue, das im Kontext von Schulentwicklung und -reform tendenziell als ein mit Fortschritt assoziierter Wert verhandelt wird, als Relation zum Alten bzw. Bewährten und zu Bewahrenden verstanden. An praxistheoretische Konzeptionalisierungen von sozialem Wandel bzw. Transformationen von Schule und Unterricht anknüpfend (Shove et al. 2012; Schatzki 2019; Rabenstein 2020; Moldenhauer & Kuhlmann 2021) werden am Beispiel einer ethnographischen Fallstudie zu Schule und Unterricht im digitalen Wandel (Lernkultur im digitalen Wandel. (LernDiWa) zus. mit F. Macgilchrist, N. Wagener-Böck, A. Bock) drei Schärfungen vorgenommen. Praxistheoretisch begründet und an empirischen Beispielen gezeigt wird, welche Potenziale 1) ein Fokus auf die sozio-materielle Dimension von Praktiken, und 2) auf die damit zusammenhängende Frage nach Veränderungen des Gebrauchswissens von Lehrkräften (und Schüler*innen) im Umgang mit den Dingen, und 3 ) das - transsituative - Verfolgen der Verknüpfung von lokalen Praktiken im Unterricht mit anderen Schauplätzen für die Forschung zum Wandel von Unterricht und Schule mit sich bringen. Diskutiert wird abschließend, in wieweit sich eine solche Fokussierung für die Erforschung anders gerahmter Transformationen von Schule und Unterricht (Inklusion etc.) (nicht) eignet.
Literatur
Moldenhauer, A. & Kuhlmann, N. (2021): Praktikentheoretische Perspektiven auf Transformationen von Schule. In: Moldenhauer, A., Asbrand, B., Hummrich, M. & Idel, T.-S. (Hrsg.): Schulentwicklung als Theorieprojekt. Forschungsperspektiven auf Veränderungsprozesse von Schule, Wiesbaden: Springer VS. S. 245-269.
Rabenstein, Kerstin (2020): Wiederholung als Veränderung. Zur Normativität pädagogischer Praktiken zwischen Kontinuität und Kontingenz im Unterricht. In: „PraxisForschungLehrer*innenBildung – Zeitschrift für Schul- und Professionsentwicklung“. Themenheft „Forschungsperspektiven auf Unterricht im Spannungsfeld von Kontingenz und Kontinuität“. S. 6-19.
Schatzki, t. R. (2019): Social Change in a Material World. London and New York: Rutledge
Shove, E., Pantzar, M. & Watson, M. (2012): The Dynamics of Social Practices. Everday Life and How it Changes. London: SAGE