Christine Schweikert
Christine Schweikert: Corporate Governance und Anti-Fraud Management im Mittelstand – Eine vergleichende Analyse von mittelständischen und kapitalmarktorientierten Unternehmen
Gegenstand des Dissertationsprojektes ist die Untersuchung der Corporate Governance in mittelständischen und Familienunternehmen. Dabei wird dem Dissertationsprojekt eine breite Auffassung der Corporate Governance zugrunde gelegt: Unter Corporate Governance wird die Führung, das Management und die Kontrolle einer Unternehmung verstanden. Eine Aufarbeitung dieses Forschungsfeldes ist aus zwei Gründen erforderlich: zum einen bildet der Mittelstand eine wesentliche Säule der deutschen Wirtschaft, und zum anderen konzentriert sich die aktuelle Corporate Governance-Forschung in Wissenschaft und Praxis noch immer in erster Linie auf börsennotierte Unternehmen, obwohl auch im Mittelstand der Bedarf an unterstützenden Maßnahmen und Empfehlungen für eine gute Corporate Governance steigt.
Dieses Defizit rührt in erster Linie daher, dass die theoretische Grundlage der ursprünglichen Corporate Governance-Forschung, die Bearbeitung des Prinzipal-Agent-Konfliktes zwischen den Eigentümern und den Managern eines Unternehmens, nicht ohne Weiteres auf mittelständische Unternehmen übertragbar ist. Im Mittelstand fallen Eigentum und Führung eines Unternehmens häufig zusammen bzw. haben Schnittstellen. Damit haben mittelständische und kapitalmarktorientierte Unternehmen unterschiedliche Voraussetzungen und Herausforderungen hinsichtlich guter Corporate Governance.
Konkret geht es im Dissertationsprojekt darum, zu untersuchen, wie Corporate Governance in mittelständischen Unternehmen umgesetzt wird bzw. werden muss und inwiefern sich Corporate Governance im Mittelstand von Corporate Governance in kapitalmarktorientierten Unternehmen unterscheidet. Daher gilt es in einem ersten Schritt, die Besonderheiten mittelständischer und Familienunternehmen herauszuarbeiten und diese Unternehmenstypen von kapitalmarktorientierten Unternehmen sinnvoll abzugrenzen, damit infolge eine erweiterte Konzeption der Corporate Governance für mittelständische Unternehmen entwickelt werden kann.
Der Fokus der Arbeit wird dabei auf den Bereich des Anti-Fraud Managements gelegt: die große Anzahl mittelständischer und Familienunternehmen in Deutschland birgt ein weites Feld für wirtschaftskriminelle Handlungen sowie ein hohes Schädigungspotenzial; das Risiko für diese Unternehmen, Opfer wirtschaftskrimineller Handlungen zu werden, ist nicht zu vernachlässigen. Der dadurch ansteigenden Nachfrage nach Leitlinien, Regelungen und Managementinstrumenten der Corporate Governance und besonders des Compliance Managements steht ein Forschungsdesiderat in den formalen, theoretischen Grundlagen für Corporate Governance und Compliance Management gegenüber. Bislang basieren Empfehlungen zum Anti-Fraud Management für mittelständische und Familienunternehmen größtenteils auf Einzelfalluntersuchungen denn auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen.
Ziel des Projekts ist es, einen Beitrag zur Abarbeitung dieses Forschungsdesiderats zu leisten. Dazu werden zunächst Mittelstandstheorien auf deren Lösungsfähigkeit für Probleme der Corporate Governance und Compliance untersucht. In einem weiteren Schritt werden organisationstheoretische Konzepte auf ihre Anwendbarkeit auf mittelständische und Familienunternehmen analysiert und gegebenenfalls durch Erweiterungen der Theoriegerüste auf diese Unternehmenstypen übertragen. Theoretisch relevant für die Abarbeitung des Forschungsgegenstandes sind die Ansätze der Agenturtheorie, der neuen Institutionenökonomik, der Governanceethik, Kriminalitätsmodelle wie das Fraud Triangle und die Theorie der differenzierten Assoziation.
Aus Sicht der mittelständischen Unternehmerpraxis dienen die theoretischen Erkenntnisse schließlich der Professionalisierung der Corporate Governance im Mittelstand sowie der Reduzierung und Prävention wirtschaftskrimineller Handlungen in diesen Unternehmen.