Sadberk Hanim Museum Bericht 1
Sadberk Hanim Museum Bericht 1
Sadberk Hanim Museum
Auszug eines exkursionsberichts
Morgens geht es mit dem Schiff Richtung Norden, wo ein Besuch des Sadberk Hanim Museums ansteht. Julia Weiß hält einen kurzen Vortrag zur Geschichte und Sammlung des Museums. Das 1980 gegründete Museum ist das erste private Museum der Türkei und beheimatet die reiche Privatsammlung einer türkischen Industriellenfamilie. Die Sammlung umfasst sowohl archäologische Funde als auch Objekte zur türkisch-islamischen Kunst sowie viele Textilien. Zunächst bekommen wir eine Einführung in die Sammlung des Hauses durch die dortige Kuratorin, mit der wir im Anschluss an unseren Rundgang auch über das Museum, sein Konzept und seine Ausstellung diskutieren.
In der ersten Etage des ehemaligen Sommerhauses der Industriellenfamilie Koç, das die Kunst- und Textilsammlung beherbergt, hören wir den Vortrag zum Trachtenbegriff von Laura Schibbe. Die im Sadberk Hanim Museum präsentierten textilen Trachten sowie die anderen Textilien (z.B. Teppiche) und Keramikobjekte stammen zum größten Teil aus dem 19. Jh. und sehen m.E. gut erhalten aus. Kleidungsstücke werden hier häufig mithilfe von Kleiderpuppen präsentiert, die teilweise auch in Dioramen zum Einsatz kommen. In diesen Dioramen werden verschiedene festliche Anlässe dargestellt, zu denen im osmanischen Reich besondere Kleidung getragen wurde. Ein Diorama präsentiert beispielsweise das Fest der männlichen Beschneidung, ein anderes das Hochzeitsfest bzw. dessen vorbereitende Rituale, ein letztes das Wochenbett.
Die archäologische Sammlung im Anbau des Museums präsentiert auf drei Etagen und zwei Zwischenetagen in chronologischer Abfolge Objekte aus der Zeit von 6000 v. Chr. bis in die Byzantinische Epoche (330-1453). Alle Objekte stammen aus dem geographisch begrenzten Raum der heutigen Türkei und werden in Vitrinen entlang der Wände ausgestellt. Die Räume sind komplett in schwarz gehalten und nur wenig Licht dringt hinein, nur die durch gute Ausleuchtung hervorgehobenen Vitrinen sind in einem klaren Beigeton von der dunklen Umgebung abgesetzt. Die Objekte in den Vitrinen erhalten durch diese Art der Präsentation einen herausgehobenen Status, dem Besucher erscheinen sie als Blickfang. Insgesamt herrscht eine sehr ruhige und aufgeräumte Atmosphäre, die chronologische Abfolge des Ausgestellten trägt zur guten Orientierung des Besuchers bei. Von der untersten Etage geht es über mehrere Treppen hinauf, dem Lauf der Geschichte folgend. Zwar kann man sich relativ ungezwungen an den einzelnen Displays entlang hangeln und durchaus ganze Epochen bei der Betrachtung außer Acht lassen, jedoch wird durch das einbahnstraßenartige Ausstellungskonzept trotzdem eine gewisse Gangfolge vorgeschrieben.
Auf den drei Hauptetagen des Anbaus führen übergeordnete Texttafeln in die jeweiligen Epochen ein, denen dann die einzelnen archäologischen Objekte (Keramik, Schmuck, Metall, Schriftzeugnisse, Glas etc.) zugeordnet sind. Die beiden Zwischenetagen im Treppenaufgang präsentieren eher auf thematischer Ebene (und eben nicht chronologisch) einzelne Objektgruppen wie Münzen, Öllampen, Gläser, Friese und Schmuck. Hier werden weisen übergeordnete Texttafeln auf die Funktion, die Verbreitung und die Zeitstellung der Objekte hin. Die auf den ersten Blick klar strukturierte Ausstellung muss beim näheren Betrachten jedoch auch kritisch gesehen werden: Zu den meisten der ausgestellten Objekte findet sich keine oder nur eine unzureichende Objektbeschriftung. Weder wird dem Besucher vermittelt, wo das Objekt gefunden wurde noch auf welche Zeit es genau datiert wird. Vereinzelt finden sich zwar Erläuterungen zur Funktion einzelner Objekte, die den Kuratoren anscheinend wichtiger waren als andere (z.B. eine Keilschrifttafel mit einem eingeritzten Testament). Warum dies so ist, wird dem Besucher nicht erklärt. Im anschließenden Gespräch mit der Kuratorin des Museums konnte diese mir keine befriedigende Antwort auf meine Nachfrage bezüglich der Objektbeschriftung geben, was allerdings auch daran liegen mag, dass sie keine Archäologin ist und sich nicht näher mit dem Konzept der archäologischen Ausstellung befasst hat. Allerdings meinte sie, dass eine Neukonzeption der Ausstellung im Rahmen der Verlegung der archäologischen Sammlung nach Istanbul geplant sei.