• Fritz Stern, liberaler Historiker mit hohem internationalen Ansehen. Foto: © Sina Görtz / DIE ZEIT

  • Verleihung der Ehrendoktorwürde an Fritz Stern: (v.l.) Vizepräsidentin für Studium und Lehre Gunilla Budde, Laudator Jürgen Kocka, Dekanin Andrea Strübind. Foto: Markus Hibbeler

Der Historiker, der Zeitgeschichte schrieb

Fritz Stern erforschte den schwierigen Weg Deutschlands in die Moderne - und unterzog das nationalkonservative Ressentiment gegen die Weimarer Republik einer eingehenden Kritik. Nun hat die Universität Oldenburg dem bedeutenden deutsch-amerikanischen Gelehrten die Ehrendoktorwürde verliehen.

Fritz Stern erforschte den schwierigen Weg Deutschlands in die Moderne  -  und unterzog das nationalkonservative Ressentiment gegen die Weimarer Republik einer eingehenden Kritik. Nun hat die Universität Oldenburg dem bedeutenden deutsch-jüdischen Gelehrten die Ehrendoktorwürde verliehen.

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Fritz Stern, deutsch-amerikanischer Historiker, ist von der Fakultät IV Human- und Gesellschaftswissenschaften der Universität Oldenburg mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet worden. „Fritz Stern trägt seine Erkenntnisse und Erfahrungen in die Gesellschaft und tritt mit ihr in den Dialog. Er ist ein Historiker, der sein Wissen in die Herausforderungen des Heute und des Morgen einbringt“, erklärte Prof. Dr. Gunilla Budde, Vizepräsidentin für Studium und Lehre der Universität, anlässlich der Verleihung.

„Wir ehren mit Fritz Stern einen der bedeutendsten Historiker, Schriftsteller und kritischen Denker der Zeit, dessen überragende wissenschaftliche Leistungen weit über die Fächergrenzen hinaus bekannt sind“, begründete Dekanin Prof. Dr. Andrea Strübind die Entscheidung der Fakultät. Die Auszeichnung stehe in der geistigen Tradition, die sich mit dem Namensgeber der Universität, Carl von Ossietzky, verbinde. Prof. Dr. Wolfgang Frühwald, ehemaliger Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und einer der externen Gutachter des Verfahrens, betonte: „Mir scheint, dass es einer Universität, die den Namen des von den Nationalsozialisten verfolgten und geschundenen, gesinnungsstarken Publizisten Carl von Ossietzky trägt, gut ansteht, den gelehrten, politisch-moralischen Denker und Friedensstifter Fritz Stern mit der Würde eines Dr. phil. h.c. auszuzeichnen.“

Stern, der 1926 in Breslau geboren wurde, emigrierte 1938 mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten, wo er an der New Yorker Columbia University Geschichte studierte. Er steht in der Tradition deutsch-jüdischer Gelehrter, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 in den USA eine wissenschaftliche Karriere machten. Stern gewann internationales Ansehen als liberaler Historiker, der den schwierigen Weg Deutschlands in die Moderne seit der Bismarck-Zeit erforschte und das nationalkonservative Ressentiment gegen die Weimarer Republik und die deutsch-jüdische Symbiose einer eingehenden Kritik unterzog.

„In Fritz Sterns Lebenswerk sind europäische Traditionen und amerikanische Erfahrungen, der Weitblick des großen Historikers und das kritische Engagement des öffentlichen Intellektuellen, eine bewegte Biographie und disziplinierte Wissenschaft zu einer einzigartigen Synthese zusammengeflossen – mit den Deutschen und ihrer modernen Geschichte im Zentrum,“ so Prof. Dr. h. c. mult. Jürgen Kocka, Sozialhistoriker und Vizepräsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie, in seiner Laudatio.

Aus Sterns zahlreichen Arbeiten ragt seine ideengeschichtliche Dissertation „Kulturpessimismus als politische Gefahr“ (1961) hervor. In ihr untersucht er den radikalisierenden Einfluss des konservativen Idealismus auf die gebildeten Eliten während der Weimarer Jahre. Zu seinen herausragenden Arbeiten zählt auch die monumentale Monographie „Gold und Eisen“. Darin beschäftigt er sich mit Bismarck und seinem jüdischen Bankier Bleichröder und stellt die gefährdeten und umstrittenen Anfänge der deutsch-jüdischen Symbiose im Zeitalter der klassischen Moderne in einen größeren, zeitgeschichtlichen Rahmen.

Sterns Werke sind in Deutschland über die Wissenschaft hinaus anerkannt und verbreitet. 1999 erhielt er für seine Verdienste um die deutsch-jüdische Aussöhnung den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. 2004 überreichte ihm der damalige Außenminister Josef Fischer die anglo-israelische Leo-Baeck-Medaille. In den letzten Jahren avancierten Sterns Autobiographie „Fünf Deutschland und ein Leben“ (2007) und die Gespräche, die er 2010 mit Helmut Schmidt unter dem Titel „Unser Jahrhundert“ führte, zu Bestsellern. Zuletzt erschienen seine Gespräche mit Josef Fischer und die Doppelbiographie von „Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi im Widerstand gegen Hitler“. Der Historiker lehrte – mit einigen Unterbrechungen – seit 1946 an der Columbia University in New York, an der er heute noch als Emeritus tätig ist. Aus gesundheitlichen Gründen konnte Stern nicht persönlich an der Feierstunde teilnehmen. Er wandte sich jedoch in einer Videobotschaft an die TeilnehmerInnen des Festaktes und dankte für die Ehrung.

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