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Originalpublikation "The first European cave fish" (Current Biology) Arbeitsgruppe "Ökologische Genomik"

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Prof. Dr. Arne Nolte
Institut für Biologie und Umweltwissenschaften
Tel: 0441/798-3103

  • Ihr Lebensraum ist eine unterirdische, lichtlose Höhle: die neu entdeckte Höhlenschmerle. Aufgrund der Dunkelheit sind die Augen stark reduziert, die Färbung ist fast verschwunden. Foto: Joachim Kreiselmaier

Ins Dunkel gewagt

Er ist keine Schönheit, blass und eher unscheinbar – evolutionsbiologisch hingegen eine Sensation: der erste bekannte Höhlenfisch Europas. An dem spektakulären Fund nördlich des Bodensees war auch der Oldenburger Genomiker Arne Nolte beteiligt.

Er ist keine Schönheit, blass und eher unscheinbar – evolutionsbiologisch hingegen eine Sensation: der erste bekannte Höhlenfisch Europas. An dem spektakulären Fund nördlich des Bodensees war auch der Oldenburger Genomiker Arne Nolte beteiligt.

Wenige Tiere leben so versteckt wie diejenigen, die unter der Erde zuhause sind. Doch es gibt eine reiche Fauna in Höhlen, im Boden und Grundwasser, die kaum jemand kennt. In lichtlosen, unterirdischen Höhlen lebende Fische waren allerdings auf dem europäischen Kontinent bislang unbekannt. Nun hat ein Team aus Höhlentauchern und Forschern der Universitäten Oldenburg und Konstanz und des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) Berlin den ersten Höhlenfisch Europas in der Fachzeitschrift „Current Biology“ beschrieben.

Die neu entdeckte Art ist eine Schmerle, wenige Zentimeter lang, recht farblos und vermutlich blind. Hobbytaucher und Ko-Autor Joachim Kreiselmaier war sie im August 2015 während eines Tauchgangs im Aachtopf (Baden-Württemberg) erstmals aufgefallen. Er machte Fotos; einige Monate später konnte er ein lebendes Exemplar mit an die Wasseroberfläche bringen.

Experten aus Konstanz, Berlin und Oldenburg beschäftigten sich mit dem überraschenden Fund. Bisher habe die Wissenschaft Höhlenfische nur weiter südlich auf der Erdkugel vermutet, wo die Gletscher der Eiszeit nicht alles Leben unter sich begraben hatten, so Prof. Dr. Arne Nolte vom Institut für Biologie und Umweltwissenschaften (IBU) der Universität Oldenburg. Offenbar habe die Höhlenschmerle sich tatsächlich erst nach der Eiszeit ins Dunkel gewagt und sei dort zum Höhlenbewohner geworden.

„Mit dem Rückzug der Gletscher ist das System für Fische erst besiedelbar geworden. Irgendwann nach dem Ende der Würmeiszeit, vor maximal 20.000 Jahren, müssen sie dort eingewandert sein, und zwar aus der Donau. Das können wir aus unseren genetischen Analysen klar sehen“, so Nolte, der bereits am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie Plön dazu geforscht hatte. Erstautorin Dr. Jasminca Behrmann-Godel vom Limnologischen Institut der Universität Konstanz vermutet, dass in dem betreffenden Versickerungsbereich der Donau eine große Population Höhlenfische im Verborgenen leben könnte.

Ungeachtet des unter evolutionären Gesichtspunkten kurzen Zeitraums seit ihrem „Abtauchen“ hat sich die Schmerle offensichtlich bereits zu einem echten Höhlenfisch entwickelt. „Die Augen sind stark reduziert, fast als wären sie nach innen gestülpt“, so Ko-Autor Dr. Jörg Freyhof vom IGB Berlin. Dafür hätten die Fische verlängerte Tastfortsätze am Kopf, sogenannte Barteln, und die Nasenöffnungen seien größer als bei den oberirdischen Verwandten der Höhlenschmerle.

Das unterirdische Leben der Tiere ist recht sicher, da sie in ihrem Lebensraum keine Fressfeinde haben. Auch kleine Höhlenkrebse, -asseln und -schnecken, die den Höhlenschmerlen vermutlich als Nahrung dienen, konnten Taucher in den Unterwassergängen ausmachen. Um an die Fundstelle der Fische zu gelangen, circa 600 Meter von der Aachquelle entfernt, müssen Höhlentaucher gegen die Strömung schwimmen und benötigen etwa eine Stunde. Ko-Autor Roland Berka, der die geologischen Formationen seit mehreren Jahrzehnten untersucht, vermutet ein labyrinthisches System mit weiteren unterirdischen Flüssen und Seen.

Gerade die relativ junge Entstehungsgeschichte der Fische macht diese interessant für die zukünftige Forschung. Sie könnten helfen, evolutionäre Anpassungsprozesse besser zu verstehen.

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(Stand: 27.02.2024)  | 
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