Didaktische Rekonstruktion

Didaktische Rekonstruktion

Didaktische Rekonstruktion

Wie kann ein Thema sinnvoll und fruchtbar unterrichtet werden?

Das ist die zentrale Frage, mit der sich Biologiedidaktiker im Forschungsprogramm "Didaktische Rekonstruktion" beschäftigen. Das Modell wurde in Oldenburg von Ulrich Kattmann und Harald Gropengießer in Zusammenarbeit mit Reinders Duit und Michael Komorek vom IPN (Kiel) entwickelt. Unter "Didaktischer Rekonstruktion" verstehen wir einen theoretischen Rahmen zur Planung, Durchführung und Auswertung fachdidaktischer Lehr-Lernforschung.

Didaktisches Dreieck

Die Untersuchungsaufgaben des Modells sind Fachliche Klärung, Erfassung von Lernerperspektiven und Didaktische Strukturierung, sie beziehen sich jeweils auf einen ausgewählten Themenbereich. Die drei Untersuchungsaufgaben stehen in Wechselwirkung zueinander und sind damit voneinander abhängig. Das Vorgehen ist iterativ, so dass die jeweiligen (vorläufigen) Ergebnisse für die weiteren Forschungsschritte genutzt werden können.

Comic

Die Gegenstände des Schulunterrichts sind als solche nicht vom Wissenschaftsbereich vorgegeben, sie müssen vielmehr in pädagogischer Zielsetzung erst hergestellt, d. h. didaktisch rekonstruiert werden. Ausgehend von dieser Sichtweise zielen die Vorhaben der Didaktischen Rekonstruktion darauf, fachliche Vorstellungen und Schülerperspektiven so in Beziehung zu setzen, dass Unterrichtsgegenstände entwickelt werden, mit denen fruchtbar gelernt werden kann. Auf der einen Seite geht es um Lernen, auf der anderen Seite um Wissenschaft. Beide Seiten gehören in der Fachdidaktik zusammen. Bisher wurden in der internationalen fachdidaktischen Forschung hauptsächlich Schülervorstellungen untersucht. Dies ist eine wichtige Aufgabe fachdidaktischen Arbeitens. Die Fachliche Klärung - also die kritische Untersuchung der fachlicher Vorstellungen unter fachdidaktischer Perspektive - ist die zweite. Die Vorstellungen von Schülern und Wissenschaftlern müssen in Vermittlungsabsicht zusammengebracht werden. Schülervorstellungen sind dabei nicht einfach als "fehlerhaft" und wissenschaftliche Vorstellungen als "richtig" anzusehen, vielmehr sind sie in ihrem jeweiligen Kontext und in ihren besonderen Funktion zu sehen.
Die dritte Untersuchungsaufgabe - die Didaktische Strukturierung - ist zentral für jede Unterrichtsplanung. Sie kann mit den Ergebnissen der beiden anderen Untersuchungsaufgaben auf einer neuen Basis durchgeführt werden.
Die Aufgabe der Didaktischen Rekonstruktion entspricht der Auffassung, dass fachdidaktisches Arbeiten mehr ist als effektives methodisches Umsetzen oder motivierendes Einkleiden von wissenschaftlicher Erkenntnis. Grundlegend ist dabei das Verständnis der Biologiedidaktik als Teil und Gegenüber der Biologie.

In der Oldenburger Arbeitsgruppe wurden zahlreiche Forschungsprojekte zu zahlreichen biologischen Themenbereichen, z. T. mit Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, durchgeführt, u.a. Sehen, Mikrobielle Prozesse, Genetik, Evolution, Ökologie und Umwelt Seit 2001 finden die Arbeiten zur Didaktischen Rekonstruktion im Rahmen des interdisziplinären Graduiertenkolleg "Fachdidaktische Lehr-Lernforschung - Didaktische Rekonstruktion" (ProDid) statt. Nachfolger ist das Promotionsprogramm zur Lehrerprofessionalisierung "Prozesse fachdidaktischer Strukturierung" (ProfaS) (s. Doktorandes).

Die Forschungsarbeiten werden seit 2001 in der Sschriftenreihe "Beiträge zur Didaktischen Rekonstruktion" veröffentlicht. Staatsexamensarbeiten in der Reihe Oldenburger Vordrucke.

Wesentliche Ergebnisse der Forschung im Rahmen der Didaktischen Rekonstruktion betreffen die Alltagsvorstellungen von Lernenden und Lehrenden. Sie sind in dem Buch "Schüler besser verstehen. Alltagsvorstellungen im Biologieunterricht" kompakt dargestellt.

Seit 2019 gebe ich eine Buchreihe für Lernende der Sekundarstufen I und II heraus, in der die Ergebnisse der Forschungen zur Didaktischen Rekonstruktion direkt für die Lernenen umgesetzt werden. Die Reihe heißt: Neue Wege in die Biologie (Friedrich Verlag).

Zum Weiterlesen:

KATTMANN, U., DUIT, R., GROPENGIEßER, H. & KOMOREK, M. (1997). Das Modell der Didaktischen Rekonstruktion - Ein Rahmen für naturwissenschaftsdidaktische Forschung und Entwicklung. Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften, 3 (3), 3-18.

DIJK, E. van & KATTMANN, U. (2007). A research model for the study of science teachers' PCK and improving teacher education. Teaching and Teacher Education, 23, 885-897.

DUIT, R. , GROPENGIEßER, H., KATTMANN, U., KOMOREK, M. & Parchmann, I. (2012). The model of Educational Reconstruction – a framework for improving teaching and learning in science. In D. Jorde & J. Dillon (Eds.), Science education research in Europe (pp 13-37). Rotterdam: Sense Publishers.

KATTMANN, U. (2015). Schüler besser verstehen. Alltagsvorstellungen im Biologieunterricht. Hallbergmoos: Aulis.
KATTMANN, U. (Hrsg.). (2017).  Biologie unterrichten mit Alltagsvorstellungen. Didaktische Rekonstruktion in Unterrichtseinheiten. Seelze: Kallmeyer mit Klett.

Ulrich Kattmann (Stand: 20.06.2024)  | 
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