Thema

Geschichte der Gesundheits- und Sozialpolitik

Die Forschungsstelle GGS beschäftigt sich mit Studien zur Geschichte der Kranken- und Behindertenversorgung in der Nordwestregion der Bundesrepublik Deutschland. Schwerpunkte der interdisziplinär angelegten Forschung sind Untersuchungen über Verbrechen, die während des Nationalsozialismus an Menschen in Erziehungs- und Versorgungseinrichtungen (Schulen, Heimen Anstalten, Kliniken) verübt wurden.

Cover Buch Biologismus von Ingo Harms

"Rassenhygiene" als Element der nationalsozialistische Staatsräson umfasste ein Arsenal von ambulanten und klinischen Zwangsmaßnahmen, die letzlich die gesamte Bevölkerung betrafen. Sie reichten von der "Erbbiologischen Erfassung" über die Zwangssterilisation bis hin zur "Euthanasie" als der organisierten Ermordung von Kranken und Behinderten. Menschen mit geistigen Behinderungen und psychischen Erkrankungen wurden als angebliche Träger von Erbleiden denunziert und zur Gefahr für die Volksgesundheit erklärt. Die Kosten für ihre Pflege und Versorgung galten als untragbare gesellschaftliche Belastung. Diese Ideologie und Praxis hatte nicht bloß historische Vorbilder,sondern wirkte auch über den Nationalsozialismus hinaus. Wir verstehen sie als ein Element übergreifender historischer Prozesse und erforschen sie mit Blick auf Kontiniutäten und Brüche in der Entwicklung des Gesundheits- und Sozialwesens für die Zeit seit der Wende zum 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Darüber hinaus werden Formen der individuellen und kollektiven Geschichtsverarbeitung als Bedingungsfaktoren für die heutige Wahrnehmung von Behinderung und psychischer Erkrankung untersucht. Da es nicht nur die von Ärzten ausgehende Gewalt gab, sondern auch die von Pädagogen ausgehende Gewalt in Schulen, Heimen und Anstalten, ist die Beschäftigung mit dieser Vergangenheit zugleich eine Auseinandersetzung mit der Geschichte des heutigen Faches Sonder- und Rehabilitationspädagogik.

Die Forschungsstelle kooperiert mit oldenburgischen Kliniken, mit dem Bezirksverband Oldenburg - als überörtlichem Träger von Pflegeheimen vor allem für psychisch behinderte Menschen und Einrichtungen der Behindertenhilfe, der Altenhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe und der Nichtsesshaftenhilfe -, außerdem mit dem Gedenkkreis Wehnen e.V., Angehörige von Opfern der NS-Euthanasie in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen und der von ihm betriebenen Gedenkstätte Alte Pathologie auf dem Gelände der heutigen Karl-Jaspers-Klinik.

(Stand: 16.03.2023)  |