Stellungnahme der Universität Oldenburg zur Forschung an Zugvögeln

Stellungnahme der Universität Oldenburg zur Forschung an Zugvögeln

Stand: November 2018

Betrifft: Forschung an der Universität zur Orientierungsfähigkeit von Zugvögeln und der Frage, wie diese über tausende Kilometer hinweg ihren Weg finden

Vorbemerkungen

Seit vielen Jahren hat sich die Universität Oldenburg das sogenannte 3R-Prinzip (Replace, Reduce, Refine - Vermeiden, Vermindern, Verbessern) zur Leitlinie gemacht. Intensive Forschung sorgt dafür, dass immer mehr Alternativen zur Tierverwendung und zum Tierversuch eingeführt werden können.

Prof. Dr. Henrik Mouritsen, ein international renommierter Biologe, handelt entsprechend dieser Leitlinien. Seine Forschung trägt dazu bei, das Verständnis von biologischen Sinnessystemen deutlich zu verbessern. Die Ergebnisse leisten zudem einen wichtigen Beitrag zum Vogelschutz. Rotkehlchen, an denen geforscht wird, gehören zu den zehn häufigsten Vogelarten in Deutschland. Die Erkenntnisse können helfen, bedrohte und seltene Zugvogelarten zu schützen (siehe auch unter "Weitere Fakten", Punkt 9).

Aktuelles Forschungsprojekt "QuantumBirds"

In Zusammenarbeit mit der Universität Oxford will Prof. Mouritsen aufklären, wie Vögel das Erdmagnetfeld wahrnehmen. Wissenschaftler vermuten, dass sich der magnetische "Kompass" der Tiere im Auge befindet und auf quantenchemischen Effekten beruht.

Das kürzlich von der Europäischen Union bewilligte und mit 8,6 Millionen Euro geförderte Forschungsvorhaben "QuantumBirds" ist ein Beispiel für das erfolgreiche Umsetzen des 3R-Prinzips (Replace, Reduce, Refine - Vermeiden, Vermindern, Verbessern): Das auf sechs Jahre angelegte Projekt kommt zu zwei Dritteln ohne Tiertötungen aus. Stattdessen arbeiten die Wissenschaftler im Teilprojekt 1 ausschließlich mit bakteriellen Zellkulturen. Im Teilprojekt 2 werden in den ersten Jahren voraussichtlich 10 bis 20 Hühner pro Jahr getötet, um eine neue physiologische Methode zu etablieren. Erst im späteren Verlauf wird es nötig sein, in geringer Anzahl Zugvögel zu töten (keine Tierversuche), um zu klären, wie die Tiere magnetische Informationen im Auge wahrnehmen und diese an das Gehirn weitergeleitet werden. Im Mittelpunkt des Teilprojekts 3 stehen chemische Synthese und Theorie. Die Wissenschaftler arbeiten auch hier mit Zellkulturen sowie in späteren Jahren mit nicht-invasiven Verhaltensexperimenten, in denen Zugvögel in geringer Anzahl getestet werden.

Zusätzliche Informationen zum Projekt finden Sie in der Pressemitteilung unter:

www.presse.uni-oldenburg.de/mit/2018/342.html.

Weitere Fakten

Neben dem Projekt "QuantumBirds" gibt es an der Universität Oldenburg weitere Forschungsprojekte zur Orientierungsfähigkeit von Zugvögeln. Grundsätzlich gilt dabei:

1. Jeder Versuch mit einem gefangenen Vogel oder dessen Tötung ist durch die zuständigen Behörden ausdrücklich genehmigt und entspricht in jeder Hinsicht den gesetzlichen Bestimmungen. Dasselbe gilt für den Fang und den Besitz von wildlebenden Vögeln. Die Universität verfügt über alle erforderlichen behördlichen Genehmigungen des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) sowie des Niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES).

2. Die Untersuchungen an Rotkehlchen umfassen in erster Linie Verhaltensbeobachtungen. Zu den wissenschaftlichen und ethischen Grundsätzen unserer Wissenschaftler gehört es, dass aus Forschungsgründen so wenige Vögel wie möglich getötet werden.

3. Für die Untersuchungen sind die Wissenschaftler auf Wildfänge angewiesen, da Verhaltensbeobachtungen nur an Tieren möglich sind, die natürliche Zugerfahrungen haben.

4. Im Jahr 2017 sind insgesamt 16 Rotkehlchen fachgerecht und tierschutzkonform getötet worden. Betrachtet man die vergangenen fünf Jahre, lag die durchschnittliche Zahl bei 28 Tieren pro Jahr.

5. Nur wenn statistisch belegbare Ergebnisse mit kleinen Stichproben zu erwarten sind, werden Versuchsserien durchgeführt. Es wurde und wird bewusst auf wissenschaftlich vielversprechende Versuche verzichtet, weil die dazu erforderliche Tierzahl zu hoch erschien.

6. Die Wissenschaftler haben viel Zeit und Mühe investiert, um neue Wege zu gehen, die die Anzahl der Tierversuche reduzieren. So wurden zum Beispiel Zellkulturen entwickelt, die magnetosensorische Moleküle produzieren, die in Vögeln vorkommen.

7. Das Rotkehlchen gehört zu den zehn häufigsten Vogelarten in Deutschland. Sie sind so häufig, dass bei dem Fang eines Tieres ein anderes sofort sein Revier übernimmt und erst dadurch einen Lebensraum hat. Der Fang weniger Rotkehlchen zu Forschungszwecken hat keinen negativen Einfluss auf die natürliche Population.

8. Die Zahl der getöteten Tiere ist für eine große, experimentell tätige Arbeitsgruppe sehr gering, auch gemessen an der hohen Relevanz der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Für die Universität steht dies in einem ethisch vertretbaren Verhältnis. 

9. Die Forschung leistet einen wichtigen Beitrag zum Vogelschutz. Die Erkenntnisse können helfen, bedrohte und seltene Zugvogelarten zu schützen. Drei Beispiele:

Beispiel 1: Weltweit gab und gibt es Versuche, Zugvögel umzusiedeln, deren Brut-, Aufenthalts- oder Wintergebiete bedroht sind - in der Regel durch menschliche Einflüsse. Dazu gehört beispielsweise das Einschleppen von Ratten per Schiff auf eine Insel, wo die Nagetiere dann in Brutgebiete eindringen. Solche Umsiedlungen sind in der Regel äußerst schwierig, da die Zugvögel wieder in die gewohnten Gebiete zurückkehren. Nur wenn vollständig verstanden ist, wie Zugvögel sich orientieren, können ihre Navigationssysteme "ausgetrickst" werden und solche Projekte zum Erfolg führen. Unsere Forschung leistet hierzu einen wichtigen Beitrag.

Beispiel 2: Im Jahr 2014 konnte nachgewiesen werden, dass Elektrosmog einen negativen Einfluss auf Zugvögel hat, indem er diese bei der Orientierung stört. Ein wichtiges Ergebnis, das erheblich zum Vogelschutz beitragen kann. Mehr Informationen unter:

www.presse.uni-oldenburg.de/mit/2014/173.html

Beispiel 3: Die Forschungsergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse für die Aufzucht von verletzten Tieren und die spätere Auswilderung. Mehr Informationen unter:

www.presse.uni-oldenburg.de/mit/2015/358.html

(Stand: 19.01.2024)  | 
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