Deutsch-palästinensische Sommerakademie Juli 2010
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Deutsch-palästinensische Sommerakademie Juli 2010
Religiöse Bildung in Deutschland und Palästina
Deutsch-palästinensische Sommerakademie
der Institute für Theologie der Universitäten Bethlehem und Oldenburg sowie des Dar Al Kalima Colleges Bethlehem,
Teil I, 09.07. - 23.07.2010
(Hinweis: Die Bilder werden durch "Anklicken" größer) Teil I des Gesamtprojektes „Religiöse Bildung in Palästina und Deutschland“ bestand aus einer Studienreise der Oldenburger Studierenden in Israel und anschließender einwöchiger deutsch-palästinensischer Sommerakademie in Bethlehem. Dies wurde zeitgleich durch ein Seminar in Oldenburg und Bethlehem vorbereitet.
Die Kombination aus einem landeskundlichen Israel-Teil und der in Bethlehem, also im palästinensischen Autonomiegebiet stattfindenden Sommerakademie hat sich bewährt. Die Studierenden konnten dadurch nicht nur die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern besser einordnen, sondern sie waren auf der gesamten Studienfahrt aufgefordert, theologische Themen in ihrem lebensweltlichen Bezug eigenständig zu erschließen. Mit der Oldenburger Ehrendoktorin Prof. Dr. Gillis-Carlebach an der Bar-Ilan Universität in Ramat Gan bei Tel Aviv und dem von ihr geleiteten Institut sind weitere Projekte geplant und wurden zum Teil bereits gestartet (Masterarbeiten; Übersetzung ihrer Werke). Die ersten Planungen für den 2. Teil des Projektes, die palästinensisch-oldenburgische Sommerakademie im nächsten Jahr in Oldenburg, sind bereits angelaufen.
Zum landeskundlichen Teil:
Dieser Teil setzte sich aus dem Besuch archäologischer Stätten, Begegnungen mit Vertretern kultureller, kirchlicher und politischer Bildungsarbeit sowie dem Kennenlernen jüdischer Frömmigkeit und Theologie zusammen. Drei Ergebnisse dieses Projektteils seien besonders hervorgehoben: 1. Die Einsicht, dass die Archäologie der biblisch-historischen Stätten nicht nur mit religiös-theologischer Identitätssuche, sondern für den heutigen Staat Israel auch mit der Festigung von politischer Identität verbunden wird. Das wurde besonders deutlich beim Besuch der Davidstadt in Jerusalem, Tel Dan, Gamla und Massada, die auch als nationale Erinnerungsorte gelten und rezipiert werden.
Der Disput um die Interpretation archäologischer Funde bis hin zur völligen Neudatierung jenseits der traditionellen biblischen Epocheneinteilung (I. Finkelstein) konnte in diesem Spannungsfeld neu verstanden werden. 2. Begegnungen und Vorträge vermittelten zwar einen für viele neuen Eindruck von der inneren Pluralität des Staates Israel, ließen aber wie einen fortlaufenden roten Faden deutlich werden, dass der zahlenmäßige Zuwachs des Anteils des ultraorthodoxen Judentums massive Probleme und Verwerfungen generiert. Sie führen etwa zu gesellschaftlichen Sonderregeln für jüdisch-orthodoxe Männer, die zum Thora-Studium freigestellt werden (d.h. Befreiung vom Militärdienst und auf Wunsch auch von beruflicher Tätigkeit bei einem staatlich garantierten Anrecht auf eine Rente.). Diese religiös begründeten Privilegien sind verbunden mit einer kontinuierlichen Alimentierung der ultraorthodoxen Bildungseinrichtungen, die durch den politischen Einfluss ultraorthodoxer Parteien auf die häufig wechselnden Regierungskoalitionen verstetigt werden.
3. Gleichzeitig waren die Wirkungen des verschärften Konflikts mit der palästinensischen Bevölkerung seit der zweiten Intifada (ab September 2000) auch im israelischen Hoheitsgebiet, vor allem in Jerusalem, spürbar. Die Studierenden zeigten sich betroffen von dem Gemisch aus Religion und Rassismus, das dabei erlebt werden konnte. Eine libanesische Migrantin aus der Oldenburger Gruppe wurde z.B. im Unterschied zur übrigen Reisegruppe, obwohl sie sich als Christin bekannte, ihrer arabischen Herkunft wegen von den Türstehern regelrecht genötigt, nach entsprechend vorschriftsmäßiger Verhüllung die Al Achsa-Moschee zu betreten, obwohl dies ausdrücklich nur Muslimen erlaubt sein sollte. Obwohl diese Stereotypen bekannt sind, werden sie doch erst im konkreten Erleben in ihrer aussichtslosen Starrheit deutlich.
Zur Sommerakademie:
Das gemeinsame Seminar mit Studierenden der Universität Bethlehem und dem Dar Al Kalima College Bethlehem bot die einmalige Gelegenheit, theologische Themen, die für Palästina von besonderer Aktualität sind, im Diskurs mit palästinensischen Studierenden zu bearbeiten. Im Zentrum standen dabei die Problematik des Verhältnisses von Kultur und Evangelium (diskutiert am Beispiel der Frauenfrage bzw. der traditionellen Geschlechterrollen) sowie die Problematik von Gewalt und Religion (diskutiert am Beispiel des im palästinensischen, weitgehend muslimischen Widerstand verwendeten Märtyrer-Begriffs).
Das intensive Kennenlernen der weitgehend unbekannten Traditionen der orientalischen Kirchen in Bethlehem erweiterte den Christentums-kundlichenBildungshorizont der Studierenden entscheidend. Auch hier entstand wohl der nachhaltigste Eindruck durch das Erleben der Vermischung von kultureller und religiöser Tradition, die als maßgeblich für die Identitätsbildung der palästinensischen Gesprächspartner erkannt wurde. Den Oldenburger Studierenden wurde klar, dass sie bisher zu Unrecht das Christentum für eine westliche Religion gehalten haben. Jetzt erlebten sie durch den Einblick in die Situation der palästinensischen Christen und Christinnen, die zwischen dem Judentum der als Besatzungsmacht erfahrenen Israelis und dem Islam der palästinensischen Mehrheitsgesellschaft zu leben haben, wie diese auch in der stereotypen Identifikation von arabischer Herkunft und Islam zerrieben und in ihrem eigenen Selbstverständnis nachhaltig verunsichert zu werden bedroht sind. Um so mehr konnten sie die Projekte islamisch-christlicher Zusammenarbeit in Bethlehem in ihrer Bedeutung einschätzen lernen.
Fazit:
Der Wechsel von unterschiedlichen historischen, religiösen und kulturellen Lebenskontexten schuf die gewünschten diskursiven Rahmenbedingungen und sorgte in allen Phasen der Studienreise für eine dichte Gesprächsatmosphäre, die durch Vorträge sowie durch abendliche Auswertungsgespräche unterstützt wurden. Die Studierenden erarbeiteten sich die anvisierten Fragestellungen sowohl kognitiv (Begleitseminar, Referate, Sommerakademie) als auch in ihrem jeweiligen lebensweltlichen Bezug. In einem Reistagebuch wurde der Ertrag jedes Tages dokumentiert. Ulrike Link-Wieczorek
Andrea Strübind
Kim Strübind
Marcus Held