• Wie es ist, mit Politikern über wissenschaftliche Themen zu sprechen, konnten Studierende im Januar – noch vor der Corona-Zeit – im Seminar „Klimawandel und Landwirtschaft“ ausprobieren. Foto: Sascha Laubinger

„Aus der Komfortzone heraus“

In einem Seminar des Biologen Sascha Laubinger setzten sich Studierende im vergangenen Wintersemester mit Fragen der Wissenschaftskommunikation auseinander und erlebten, was es bedeutet, mit Politikern zu sprechen.

In einem Seminar des Biologen Sascha Laubinger setzten sich Studierende im vergangenen Wintersemester mit Fragen der Wissenschaftskommunikation auseinander und erlebten, was es bedeutet, mit Politikern zu sprechen.

Ob Klimawandel, Gentechnik oder aktuell die Corona-Pandemie: Wissenschaftliche Erkenntnisse spielen eine große Rolle in unserem Alltag. Doch welche Quellen liefern eigentlich verlässliche Fakten? Und wie können Expertinnen und Experten über komplexe Wissenschaft mit der Öffentlichkeit oder der Politik in einen Dialog treten – gerade auch, wenn es um umstrittene Themen geht wie beispielsweise die grüne Gentechnik?  

Diese Frage stelle er sich schon lange, sagt Prof. Dr. Sascha Laubinger, Hochschullehrer für Evolutionäre Genetik der Pflanzen am Institut für Biologie und Umweltwissenschaften der Universität. Denn nach seiner Ansicht würde es vielen gesellschaftspolitischen Debatten guttun, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse eine größere Rolle spielten. Zu festgezurrt seien seit Jahren etwa die Positionen in seinem Fachgebiet, der grünen Gentechnik. Bei der Frage, welche Risiken oder Vorteile, beispielsweise, neue gentechnische Methoden wie sogenannte Genscheren für die Pflanzenzüchtung mit sich bringen, spielten wissenschaftliche Fakten oft eine untergeordnete Rolle, so die Erfahrung des Forschers. „Das ist selbst vielen meiner Studierenden nicht bewusst“, sagt Laubinger.

Kontroverse Themen kommunizieren

Auch aus diesem Grund hat sich der Biologe entschieden, mit Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern bereits während des Studiums über die Rolle von Wissenschaft in unserer Gesellschaft und Wissenschaftskommunikation anhand ausgewählter Themen zu reflektieren. So initiierte er bereits im vergangenen Jahr ein Seminar, das er nun regelmäßig im Wintersemester anbietet. Ziel der Veranstaltung ist nicht nur, dass die Studierenden kontroverse Themen recherchieren und verständlich kommunizieren, sondern auch eine Gelegenheit erhalten, mit Politikern über wissenschaftliche Erkenntnisse ins Gespräch zu kommen. 

Im Mittelpunkt des ersten Seminars im vergangenen Wintersemester stand das Thema Landwirtschaft und Klimawandel. Die 35 teilnehmenden Studierenden erarbeiteten sich dabei zunächst die wissenschaftlichen Grundlagen zur Frage, wie sich der Klimawandel langfristig auf unsere Landwirtschaft auswirkt. Auf dem Programm standen dabei ganz unterschiedliche, auch fachfremde, Aspekte des Themas, beispielsweise Klimamodellierung, ökologische oder konventionelle Landwirtschaft, das Züchten neuer Pflanzensorten, Pflanzenschutz oder Ernährungssicherheit.

Unvoreingenommen bleiben

Eine Herausforderung dabei sei gewesen, seriöse Quellen zu identifizieren und zu nutzen, erläutert Student Christian Streit, wie etwa Berichte der Welternährungsorganisation FAO oder des Weltklimarats IPCC. „Wir wollten uns nicht auf Aussagen von Instituten stützten, die interessengeleitete Forschung betreiben“, berichtet er. „Es war mir wichtig, dass sich die Studierenden ihr Thema wissenschaftlich fundiert erarbeiten und wir darauf basierend diskutieren“, ergänzt Laubinger. Dabei mussten die Seminarteilnehmer feststellen, dass es nicht nur schwierig ist, seriöse Quellen von unseriösen zu unterscheiden, sondern auch, unvoreingenommen zu bleiben: „Wenn man in einer Studie nur ausgewählte Aspekte beleuchtet, dann erhält man bestimmte Ergebnisse; wenn man den Blick auf etwas anderes lenkt, erhält man andere“, sagt Studentin Gesa Gerding.

Am Ende des Semesters hatten sich die Studierenden so ein solides Fundament an Fakten erarbeitet – und gleichzeitig einen Fragenkatalog für Gespräche mit Politikern entwickelt. „Wir hatten während des Seminars festgestellt, dass es eine Kluft gibt zwischen dem, was wir wissenschaftlich wissen, und dem, was Politikerinnen und Politiker umsetzen oder planen umzusetzen“, sagt Svenja Augustin, die ebenfalls an dem Seminar teilgenommen hat.

Gelegenheit, ihre Fragen zu thematisieren erhielten die Studierenden zum Abschluss des Seminars im Januar auf der Grünen Woche in Berlin – ein Highlight, nach Ansicht der Teilnehmenden. Dort kamen sie mit Bundestagsabgeordneten der CDU und der Linken, beide Mitglied im Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, ins Gespräch. Thema war die Zukunft der Landwirtschaft im Spannungsfeld zwischen Ernährungssicherheit und dem globalen Klimawandel. „Dazu kamen Fragen der Gentechnik oder auch zum Pestizid- und Dünger-Einsatz“, erläutert Studentin Augustin.

Dialog zwischen Wissenschaft und Politik

Zwar hätten die Gespräche auf Augenhöhe stattgefunden, berichten die Studierenden. Dennoch sei es den Politikern zunächst vor allem darum gegangen, ihre eigene Position darzustellen, erzählt Christian Streit. Für ihn und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter eine spannende Erfahrung, denn so seien sie nicht nur gezwungen gewesen, verständlich zu kommunizieren, sondern sich auch mit Meinungen auseinanderzusetzen, die in ihrem studentischen Umfeld seltener zu hören sind. „Wir mussten aus unserer Komfortzone herauskommen“, sagt der Student.

Nach Ansicht der Studierenden bot das Seminar auf diese Weise eine gute Gelegenheit, Wissenschaft und Politik zu verbinden. Denn gerade in Zeiten drängender Probleme sollte wissenschaftliche Expertise eine große Rolle spielen, etwa um die Folgen des Klimawandels für die Landwirtschaft abzumildern – darin sind sich Laubinger und die Studierenden einig. Der Hochschullehrer hofft, dass ein steter Dialog zwischen Wissenschaft und Politik weiter für die wichtige Rolle der Wissenschaft in gesellschaftlichen Debatten sensibilisiert – und freut sich, im kommenden Semester das Seminar mit neuen Studierenden und neuen Aspekten wieder auflegen zu können.

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(Changed: 27 Feb 2024)  | 
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