• Dank Laptop, Tablet und Smartphone können Beschäftigte oft an beliebigen Orten ihren Job ausüben. Das hat nicht nur Vorteile. Foto: Andrew Neel/Unsplash

Mobile Arbeit: Fluch oder Segen?

Berufsbedingte Mobilität sollte gesund gestaltet werden. Ergebnisse des BMBF-Verbundprojekts prentimo.

Berufsbedingte Mobilität sollte gesund gestaltet werden. Ergebnisse des BMBF-Verbundprojekts prentimo.

Ob im Café, im Zug oder am Strand: Viele nutzen die Zeit in der Mittagspause, auf dem Heimweg oder sogar im Urlaub, um am Laptop oder Smartphone zu arbeiten. Auch Unternehmen setzen immer mehr auf mobile Arbeit. Beschäftigte reisen zu Messen, Meetings und Auftraggebern. Ist mobile Arbeit im Zeitalter der Digitalisierung und Arbeit 4.0 ein reiner Segen? 

„In der Tat bringt mobile Arbeit viele Vorteile mit sich“, resümiert Thomas Breisig, Professor für Wirtschaftslehre am Department für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, „aber wir müssen die berufsbedingte Mobilität gesund gestalten, damit sie sich nicht zu einem Fluch entwickelt. Physische und psychische Risiken müssen erkannt werden, um die Belastungen für die Beschäftigten zu minimieren.“ Genau diesem Thema hat sich das vom Bundesforschungsministerium (BMBF) geförderte Verbundprojekt „Präventionsorientierte Gestaltung mobiler Arbeit“ (prentimo) in den vergangenen drei Jahren gewidmet. Unter der Leitung der Universität Oldenburg haben Betriebswirtschaftler, Sozialwissenschaftler und Arbeitspsychologen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von drei Unternehmen – darunter die Oldenburger EWE-Tochter BTC – interviewt, um die Arbeitssituation zu erfassen und in Zusammenarbeit mit den Führungsetagen gesundheitsförderlich zu gestalten.

Mobile Arbeit bringt Autonomie  vor allem Männern

Einig waren sich die mobil Beschäftigten vor allem in einem Punkt: Mobile Arbeit ist für sie ein großer Gewinn. „Die Eigenverantwortung, die direkte Interaktion mit den Kunden, problembezogen zu arbeiten, eine Art ‚Kümmerer’ zu sein – das empfinden die Beschäftigten als großen Mehrwert. Dieses hohe Maß an Autonomie will niemand wieder hergeben“, so Breisig. Kurz gesagt: Wer einmal mobil arbeitet, will nicht wieder stationär zurück ins Unternehmen.

Aber es gibt auch Ausnahmen: Während Frauen am Anfang ihrer Berufstätigkeit noch genauso gern mobil arbeiten wie ihre Kollegen, ist die Arbeit an verschiedenen Orten für sie keine Alternative mehr, sobald sie Kinder bekommen. Ständig unterwegs zu sein, ein spätes und bisweilen offenes Arbeitsende, das zu Mehrarbeit und Unplanbarkeit führen kann, ist nur schwer mit Kindern und Familie zu vereinbaren. „Frauen geben ihre Mobilität mit dem ersten Kind auf, Männer erhalten ihre Mobilität meist durch eine Partnerin, die einen festen Arbeitsplatz hat“, erklärt Breisig. Das habe dazu geführt, dass sich unter den prentimo-Studienteilnehmern nur wenige Frauen mit Kindern befinden.

Belastung durch Reisen und ständige Erreichbarkeit

Grundsätzlich gilt, dass das Unterwegs sein sowohl viel berufliche als auch private Zeit frisst. Grenzen zwischen Beruf und Privatleben weichen auf. „Das kann zu Work-Life-Balance-Konflikten führen“, warnt Breisig. Allein die Tatsache, am Sonntagabend die Koffer packen zu müssen, das Kundengespräch für den Montagvormittag vorzubereiten und morgens um 4 Uhr die Reise anzutreten, kann einen mobil Beschäftigten stark belasten. Besonders betroffen sind die regelmäßigen „Übernachter“: Da muss ein Software-Programmierer beispielsweise für mehrere Tage zum Kunden. Aus Arbeitgebersicht beginnt die Freizeit des Beschäftigten, sobald er nicht mehr beim Kunden sitzt. „Der Arbeitnehmer hingegen empfindet diese Zeit, fernab von zu Hause, nicht unbedingt als Quality-Time“, sagt Breisig.

So nutzen viele mobil Beschäftigte diese freie Zeit, um zu arbeiten. Sie beantworten E-Mails, arbeiten am Laptop oder führen Telefonate – oft ohne  dass es als Arbeitszeit verbucht wird. Und wenn sie nach drei Tagen wieder an ihren festen Arbeitsplatz zurückkehren, werden sie zudem noch mit der Situation konfrontiert, dass sich in den Tagen ihrer Abwesenheit neue Anfragen und Aufgaben angesammelt haben. „So entstehen aus der Mobilität zusätzliche hohe Belastungen“, resümiert Breisig. Zu denen zähle auch die ständige Erreichbarkeit. Dabei sei es nicht so, dass der Arbeitgeber seine Mitarbeiter rund um die Uhr erreichen wolle, sondern dass sie vielmehr selbst diesen Anspruch an sich stellen, um das Gelingen der Aufträge und Projekte sicherzustellen – im Zweifelsfall auf Kosten der eigenen Gesundheit. 

Regeln für Mobiles Arbeiten Ergebnisse für die Öffentlichkeit

„In prentimo haben wir versucht, mit den Studienteilnehmern Regeln für die Erreichbarkeit und für eine kluge Reiseplanung zu erarbeiten“, erklärt Breisig. Eine allgemeingültige Lösung kann es dazu nicht geben. Vielmehr müssen – ausgehend von der jeweiligen betrieblichen Situation – Erreichbarkeitsregelungen in einem partizipativen Verfahren mit den Beschäftigten erarbeitet werden.  Eigenverantwortung bei der Arbeitszeitgestaltung spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. „Mobile Arbeit ist so facettenreich, dass Standardlösungen nicht funktionieren“, gibt Breisig zu bedenken. Es gehe darum, mobile Arbeit von Fall zu Fall zu verstehen: „Das Motto lautet: Kapieren, nicht kopieren.“

Auch wenn prentimo nahezu abgeschlossen ist, geht es für die Oldenburger nahtlos weiter: „Wir haben ein Projekt eingeworben, das an prentimo anschließt“, so Breisig. In „Zukunftdiskurse mobil – digital“ sollen die aus dem Verbundvorhaben gewonnen Ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Geplant sind für den Herbst und das Frühjahr sechs Veranstaltungen. „Wir beschäftigen uns mit unterschiedlichen Schwerpunkten wie Work-Life-Balance und Führung mobiler Arbeitskräfte“, erklärt Breisig, „aber auch damit, welches Potenzial in mobiler Arbeit steckt, um Emissionen zu reduzieren und damit zum Klimaschutz beizutragen.“

 

 

 

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(Changed: 27 Feb 2024)  | 
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