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  • Die Sprache, die in der Schule genutzt wird, unterscheidet sich von der Alltagssprache. Wie junge Menschen im Laufe ihrer Schulzeit ihre sprachlichen Fähigkeiten verfeinern und welche individuellen Unterschiede es gibt, erforscht ein interdisziplinäres Team aus Sprachdidaktik, Sprachwissenschaften und Sonderpädagogik im Forschungscluster "Fortgeschrittener Spracherwerb". Universität Oldenburg / Mohssen Assanimoghaddam

Sprache im Unterricht

Das Lernen von Sprache endet nicht mit dem Eintritt in die Schule – im Gegenteil. Wie junge Menschen ihre sprachlichen Fähigkeiten ausbauen und welche individuellen Unterschiede es gibt, untersucht ein interdisziplinäres Team der Universität.

Das Lernen von Sprache endet nicht mit dem Eintritt in die Schule – im Gegenteil. Wie junge Menschen ihre sprachlichen Fähigkeiten ausbauen und welche individuellen Unterschiede es gibt, untersucht ein interdisziplinäres Team der Universität in einem Forschungscluster.

Kinder lernen ihre Erstsprache scheinbar mühelos – noch bevor sie in die Schule kommen. Doch wie werden Schülerinnen und Schüler im Laufe ihrer Schulzeit immer besser im Sprechen und Schreiben? Und wie verfeinern sich ihre Fähigkeiten, Sprache wahrzunehmen – also zu lesen und zu hören? Mit diesen Fragen beschäftigt sich ein interdisziplinäres Team aus Sprachwissenschaften, Sprachdidaktik und Sonderpädagogik im Forschungscluster „Fortgeschrittener Spracherwerb“.

Die sprachwissenschaftliche Forschung habe sich lange auf den frühkindlichen Spracherwerb konzentriert und kaum untersucht, wie das weitere Lernen von Sprache bei älteren Kindern ablaufe, sagt die Linguistin Prof. Dr. Esther Ruigendijk, Sprecherin des Forschungsclusters, der die universitäre Forschung zu diesem Thema an den Fakultäten I und III über die Forschungsakademie des Zentrums für Lehrkräftebildung – Didaktischen Zentrums (DiZ) bündelt. Ein Versäumnis aus ihrer Sicht, da der Bildungserfolg und letztlich der gesellschaftliche Erfolg von jungen Menschen wesentlich von ihren sprachlichen Fähigkeiten mitbestimmt wird. „Sprache“, sagt Ruigendijk, „ist nun einmal die Voraussetzung für das Lernen, für Schule“.

Die Sprache, die in der Schule genutzt wird, unterscheidet sich allerdings von der Alltagssprache. Die Forschenden wollen beispielsweise herausfinden, auf welche Weise die eigene Grammatik und der spezielle Wortschatz der Schulsprache manchen Kindern und Jugendlichen Schwierigkeiten bereiten. Auch die individuellen Unterschiede beim Spracherwerb, die etwa aufgrund von Sprachentwicklungsstörungen, Mehrsprachigkeit oder Hörschädigung, aber auch aufgrund von unterschiedlicher sprachlicher Sozialisation bestehen, untersuchen die Beteiligten mit Blick auf das Lernen in der Schule.

Individualisierte Förderung entwickeln

Ziel der Forschung ist dabei nicht nur, die Grundlagen des fortgeschrittenen Spracherwerbs besser zu verstehen, sondern auch praktische Empfehlungen für die Schule abzuleiten. „Wenn wir verstehen, warum etwa bestimmte Merkmale der Unterrichtssprache für bestimmte Kinder und Jugendliche eine Herausforderung sind, dann können wir gezielt Möglichkeiten der individualisierten Förderung entwickeln“, sagt Prof. Dr. Katrin Kleinschmidt-Schinke.

Die Sprachdidaktikerin erforscht beispielsweise, inwiefern Lehrkräfte in der Schule die sprachlichen Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern unterstützen. So konnte sie zeigen, dass Lehrerinnen und Lehrer von der Grundschule bis zur Oberstufe eine immer komplexere Sprache nutzen. „Die Lehrkräfte führen als sprachliches Vorbild immer mehr zur Unterrichtssprache hin“, erläutert sie. Dabei sei die Sprache der Lehrenden jeweils etwas komplexer als die der Lernenden.

Wichtig ist den Forscherinnen, dass es in der Schule nicht nur darum geht, Fachbegriffe zu erlernen. Vielmehr erwerben die Lernenden im Laufe ihrer Schulzeit schrittweise das, was Fachleute konzeptionelle Schriftlichkeit nennen: Die Heranwachsenden verwenden zunehmend komplexe und differenzierte Wörter sowie einen komplexeren Satzbau- sowohl beim Sprechen als auch beim Schreiben. Sie formulieren auf eine komprimierte Weise und planen stärker als in der Alltagssprache.

Welche sprachlichen Strukturen sind herausfordernd?

Die deutsche Sprache sei im Vergleich zu anderen sehr komplex, betont Prof. Dr. Tanja Jungmann, Hochschullehrerin für Sprache und Kommunikation und ihre sonderpädagogische Förderung, in diesem Zusammenhang. Dies bringt vor allem für Kinder und Jugendliche, die ohnehin Sprachschwierigkeiten und damit Förderbedarf haben, weitere Herausforderungen mit sich. Ein Problem des deutschen Schulsystems sei aber, dass es den Förderbedarf Sprache nur an Grundschulen gebe.

 „Aber auch an weiterführenden Schulen haben Kinder Förderbedarf in Sprache und Kommunikation. Das mit unserer Forschung zu zeigen, ist wichtig für die Praxis“, betont Jungmann. Sie und ihr Team wollen daher genauer herausfinden, warum für manche Betroffenen bestimmte sprachliche Strukturen besonders herausfordernd sind.

Auch Ruigendijk weiß aus ihrer eigenen Forschung, dass beispielsweise bestimmte grammatikalische Strukturen Kindern Schwierigkeiten bereiten. Der Sinn von Sätzen wie „Den Schüler begrüßt der Lehrer“, in denen nur die grammatikalische Struktur zeigt, wer etwas mit wem macht, erschließt sich Kindern häufig erst im späteren Grundschulalter. Und auch das deutsche Kasussystem bleibt für viele bis zum Ende der 4. Klasse eine Herausforderung.

„Wichtig ist uns, die Zusammenhänge – etwa zwischen dem Sprechen, der Schriftsprache und Sprachauffälligkeiten, beispielsweise im Bereich des Wortschatzes, der Grammatik und des Umgangs mit Sprache, zu verstehen“, sagt Jungmann. Nur so können die Forschenden letztlich ableiten, welche Maßnahmen den betroffenen Kindern und Jugendlichen helfen. 

Bessere Hilfestellung für Betroffene

Dabei profitiert Jungmanns Ansatz von der Perspektive der Kolleginnen: Die linguistische Forschung Ruigendijks trägt dazu bei, die beobachteten Schwierigkeiten mit Sprache besser zu beschreiben und zu diagnostizieren. Die Forschung von Kleinschmidt-Schinke liefert Informationen über das Erwerben von Sprache im schulischen Kontext – etwa zur Rolle der Lehrkräfte.

Umgekehrt lernen auch die Beteiligten aus der Fachdidaktik und den Sprachwissenschaften von der sonderpädagogischen Sicht, indem sie beispielsweise stärker als bisher Sprachstörungen in ihrer Forschung berücksichtigen. Gleichzeitig führt diese interdisziplinäre Zusammenarbeit dazu, dass angehende Fachlehrkräfte bereits im Studium mehr Aufmerksamkeit auf sprachsensibles Unterrichten legen.

Dabei eint alle Forschenden ein Ziel - nämlich zu verstehen, welche Herausforderungen die sprachliche Bildung für junge Menschen in der Schule mit sich bringt. Um die interdisziplinäre Forschung noch weiter zu vertiefen, planen die Wissenschaftlerinnen ein entsprechendes Graduiertenkolleg einzurichten. Auf Grundlage dieser Forschung wollen die Beteiligten letztlich bessere Hilfestellungen für Betroffene entwickeln und damit, so hoffen sie, dazu beitragen, mehr Chancengleichheit im Bildungssystem herzustellen.

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(Changed: 30 Sep 2024)  | 
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