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"Der Ausgang des Stückes kann noch gestaltet werden"

Wolfgang Nebel über die Reformnotwendigkeit der Universität Oldenburg

Prof. Dr. Wolfgang Nebel ist am 29. November zum neuen Vizepräsident der Universität gewählt worden. Nachfolgend ein Auszug seiner Rede, in der er seine Vorstellungen zur Reform der Universität skizziert.

Das Präsidium hat dem Senat, der Planungskommission und dem Dekanatskollegium ein von einer Expertengruppe erarbeitetes Konzept zur Neustrukturierung unserer Universität vorgelegt. Es beinhaltet weniger Fakultäten, Institute als Grundstruktur der Fächer, forschungsorientierte Zentren und Studienkommissionen. Ich unterstütze die vorgestellten Konzepte und möchte dies begründen: Der Referentenentwurf des neuen NHG sieht eine Professionalisierung des Dekanats vor. Die Amtszeit beträgt mindestens drei Jahre. Der Dekan ist von seinen sonstigen Aufgaben in Lehre und Forschung befreit. Bereits heute gelingt es einigen Fachbereichen nicht, einen Dekan für die Amtszeit von zwei Jahren zu wählen, obwohl dieser sich nur anteilig aus Forschung und Lehre zurückzieht. Die Anforderungen und die längere Amtszeit ergeben sich aus der gestiegenen Verantwortlichkeit - der Fakultätsrat entscheidet nur noch über grundsätzliche Angelegenheiten. Der Dekan muss somit den wissenschaftlichen Dialog im Fachgebiet führen, strategisch planen, Management- und Moderationsqualitäten aufweisen, sicherlich eine starke Persönlichkeit darstellen und für Forschung und Lehre drei Jahre abkömmlich sein.

Wo sind die elf Kandidatinnen und Kandidaten, die hierzu bereit und in der Lage sind? Die Chancen zur qualifizierten Besetzung sind bei einer kleineren Zahl größerer Fakultäten deutlich besser. Die transdisziplinären Zentren, die auch - und nach meinem Verständnis ganz selbstverständlich - in der Lehre aktiv sein werden, sind eine entscheidende Basis für eine Internationalisierung der Forschung und Lehre, insbesondere durch interdisziplinäre Studiengänge. Die Studienkommissionen in Fakultäten können effizienter neue Studiengänge, insbesondere BSc und MSc Studiengänge einrichten, da die Grundstrukturen in fachverwandten Studiengängen ähnlich sein werden und zudem Module innerhalb der Fakultät leicht im- und exportiert werden können.

Veränderungen um der Veränderung willen - scheinbar platt und inhaltslos - aber dennoch: Jede Umstrukturierung gibt die Chance zur Fokussierung auf das Wesentliche, zur kritischen Überprüfung und Trennung zwischen echten und scheinbaren Erfordernissen. Sie erfordert es, Transparenz herzustellen und eine bedarfsgerechte Zuordnung von Ressourcen zu ermitteln.

Die Ziele, die ich genannt habe, sind nicht erreichbar, wenn Besitzstandswahrung das Leitmotiv der Universität auf breiter Front ist. Es muss zu Veränderungen kommen. Stärken müssen ausgebaut werden. Hiermit meine ich keinesfalls “Mainstream”, sondern ein eigenes originäres und vielleicht sogar originelles Profil. Oldenburg als mittelgroße Universität muss anders sein!

Genauso wie bei einem kleinen Ver lag, der nicht auf „Mainstream“ setzen kann, sich unterscheiden und - auf hohem Niveau - Spezialitäten anbieten muss, dürfen die Gesetze des Marktes nicht ignoriert werden.

Zur Profilbildung brauchen wir Spielräume. Fächer mit unterkritischer Ausstattung oder zu geringer Nachfrage müssen interdisziplinärere Einheiten integriert werden. Als Alternative bleibt nur die Schließung. Hier menschelt es - es gibt Betroffene auf allen Ebenen. Diesen gilt es im Umgestaltungsprozess Alternativen aufzuzeigen zur Findung einer neuen Identität in größeren Fakultäten außerhalb der jetzigen Strukturen. Spielräume nutzen nur, wenn die Entscheidungsprozesse den Problemstellungen angemessen sind. Dies erfordert Leitungsstrukturen, die nicht ausschließlich mit der Verwaltung des Mangels beschäftigt sind, oder auf der Ebene eines kleinen Fachbereichs mehr taktisch als strategisch planen und agieren.

Eine Zusammenfassung ist dann zielführend, wenn die Bereitschaft Ressourcen neu zuzuordnen, Pools zu bilden und übergeordnete Ziele zu verfolgen geweckt wird. Ich sage bewusst „geweckt wird“ und nicht „vorhanden ist“, da ich in der Tat eine breite Zustimmung zu Reformen verspüre, die gleichwohl stets dann in heftigen Widerstand umschlägt, wenn es um die eigenen Ressourcen geht.

Mit neuen Identitäten meine ich transdisziplinäre Forschungsgruppen, die sich in Zentren organisieren, dort von der Pool-Bildung profitieren und somit ein - jenseits klassischer Fachstrukturen - interdisziplinäres Themenfeld in Forschung und Lehre finden. Das Erreichen einer kritischen Masse bei gleichzeitig interdisziplinärer, aber doch fokussierter Ausrichtung ist Voraussetzung für eine internationale Sichtbarkeit. Diese gepaart mit einer engen Verflechtung von Forschung und Lehre macht unsere Universität attraktiv - gleichermaßen für Studierende und Drittmittelgeber.

Die Mobilisierung der Leistungsträ ger hat etwas mit Beweglichkeit zu tun. Die wiederum ist in einer Zeit schneller Veränderungen notwendiger denn je.

Wir brauchen Bewegung. Bewegung aus der Ruhelage - und jetzt kommt der Ingenieur in mir durch - erfordert zunächst eine Beschleunigung. Eine träge Masse - und das ist nicht persönlich gemeint, sondern Naturgesetz - zu beschleunigen, erfordert eine Kraft. In der Physik ist Kraft gleich Druck mal Fläche. Der Druck von außen steigt. Aber spätestens hier möchte ich die Physik verlassen und auf zeitgemäße Mangementmethoden setzen, die auf die Kraft der Motivation bauen ...

Kreativität ist gefordert in den nächsten Schritten des Präsidiums bei der Moderation eines Diskussionsprozesses in der Universität, in einer Entscheidungsfindung im Senat und abschließend der zügigen und konsequenten Umsetzung. Wer aber glaubt, eine Universität in den Kernfragen von Lehre und Forschung wie ein Wirtschaftsunternehmen führen zu können, der irrt! Motivierende Anreize, die in der Wirtschaft den persönlichen Einsatz oder das Zurückstellen von Partikularinteressen anspornen, ein am Erfolg orientiertes Gehalt etwa, tauchen in der Professorenbesoldung nicht auf. Teamfähigkeit, Integrationskompetenz, Flexibilität und globales Denken gehören bislang nicht zu den Berufungskriterien von Hochschullehrern. Vielmehr setzen die jetzigen Kriterien primär eine persönliche Profilierung und Exzellenz voraus. Ich persönlich würde mich dafür stark machen, auch die genannten und nicht berücksichtigten Qualitäten in die Berufungskriterien einzubeziehen.

Der Reiz, sich auf eine Professur zu bewerben, lag für viele der hier anwesenden Kolleginnen und Kollegen - und hier schließe ich mich selbst mit ein - sicherlich nicht primär in der wirtschaftlichen Perspektive, sondern in der Gestaltungsfreiheit, die eine gleichzeitige hohe Sicherheit voraussetzt. Ob dies für zukünftige Generationen von Hochschullehrern noch gilt, die mit der lange versprochenen leistungsorientierten Besoldung oder in ein Angestelltenverhältnis berufen werden, ist für die anstehenden Entscheidungen irrelevant. Wir, die derzeitigen Mitglieder dieser Universität, müssen jetzt über die zukünftigen Strukturen entscheiden... Die Neustrukturierungsaufgabe erfordert - und erlauben Sie mir hier wieder ein Bild - einen Choreographen, der ein Ballett zu leiten hat, dem nur Primadonnen angehören. Unser Vorteil liegt allerdings darin, dass der Ausgang des Stückes noch gestaltet werden kann. Ob die Choreographie zum Kassenschlager wird, hängt maßgeblich davon ab, wie gut es gelingt, in einem partizipativen Entwicklungsprozess eine tragfähige Basis zu finden, die es einer breiten Mehrheit ermöglicht, ihre Rolle im Stück so zu definieren, dass sie ihre Arbeit mit gesteigerter Motivation fortführt oder neu definiert.

Wir dürfen bei dieser Diskussion nicht vergessen: Draußen interessiert es kaum jemanden, welche Struktur wir haben und wie wir uns organisieren. Es interessieren die Inhalte und die Qualität und der Preis. Es sind Personen und ich hoffe bald Teams, die die Inhalte definieren. Strukturen schaffen keine Inhalte, können diese aber behindern oder fördern!

Der Umgestaltungsprozess kann aber nicht allein von den Professorinnen und Professoren getragen werden. Die vom Präsidium vorgeschlagene Struktur erfordert eine Neustrukturierung nicht nur bei Forschung und Lehre, sondern auch bei der Verwaltung und den technischen Diensten. Verantwortungen und Aufgaben verschieben sich. Stellenwertigkeiten können sich ändern. Ich kann die Sorgen zahlreicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über ihre persönlichen Perspektiven im Umgestaltungsprozess nachvollziehen. Deshalb sind Personalentwicklungskonzepte auf verschiedenen Ebenen zu erarbeiten. Dies beinhaltet Chancen und Perspektiven für viele: Neue Aufgaben und Herausforderungen anzunehmen in einer neugestalteten Universität, die ihre Identität auch aus der inneren Dynamik ableiten könnte.

Unsere Universität hat ca. 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber 11.400 Studierende. Jede Umstrukturierung muss ihnen selbstverständlich Planungssicherheit bezüglich des eigenen Studiums geben. Den studentischen Vertretern sind bei der Gestaltung der studentischen Selbstverwaltung Mitwirkungsmöglichkeiten anzubieten.

Mit dem vorliegenden Konzept hat das Präsidium einen organisatorischen Rahmen für eine Neustrukturierung der Universität vorgelegt. Dieser Rahmen unterstützt die Bildung von herausragenden Forschungszentren, Interdisziplinarität, Poolbildung und die Verzahnung von Lehre und Forschung, ohne das klassische Fach als Heimatadresse aufzugeben. Das Konzept scheint mir deshalb ein geeignetes Gerüst aufzuzeigen, das in einem mühsamen Prozess durch die Beantwortung vieler Detailfragen gefüllt werden muss ...

Neben den schwierigen Aufgaben bei der Neustrukturierung möchte ich meine Arbeitskraft aber auch der Verbreiterung des wirtschaftlichen Nutzens der Universität für die Region widmen. Die Universität kann hierzu einen Beitrag leisten, indem sie - über das bisherige Maß hinaus - Existenzgründungen fördert, Ausgründungen unterstützt und in Kooperation mit den Fächern eine aktive Ansiedlungspolitik betreibt.



Schulversuch "oberaffengeil" und "supercool"

Oldenburger Pilotprojekt "Soziale Integration in einer jungen- und mädchengerechten Grundschule" erfolgreich abgeschlossen

Im Sommer wurde der niedersächsische Schulversuch „Soziale Integration in einer jungen- und mädchengerechten Grundschule“, geleitet von Prof. Dr. Astrid Kaiser, Fachbereich 1 Pädagogik, an der Grundschule Friedrichsfehn unter Beteiligung prominenter Vertreterlnnen mit einer großen Feier beendet. Schülerlnnen und Gäste konnten sich Kostproben der Jungen-Milchbar, der Jungen-Waffelbäckerei und des Jungen-Cafés schmecken lassen, sich die Versuche zur Thematik Wasser und Umweltschutz ansehen und davon überzeugen, dass gerade die Mädchen durch die intensive Projektarbeit hohes Interesse und hohe Kompetenz im naturwissenschaftlichen Bereich und beim Umgang mit den Computern aufweisen.

Auch die vielen Aufführungen der vier niedersächsischen Grundschulen, der Grundschule Edewechterdamm, Friedrichsfehn, Huntlosen und Röwekampschule in Oldenburg, fanden viel Applaus, ob es sich nun um Tanzmedley, Pantomimen, Vorführungen im Snoozle-Raum, Jonglagen, Mädchentanzgruppen, Mädchensinggruppen, Theateraufführungen, Videofilme aus den Versuchsjahren oder Präsentationen der Computerarbeit handelte. Beispielhaft wurde vorgeführt, wie Mädchen- und Jungenstunden in der Praxis durchgeführt wurden.

Da Wissenschaft nur Modelle anbieten kann, die Schule aber von unten aufgebaut und bewegt wird, wurde von vornherein nicht das „Durchführen“ von Unterrichtsvorlagen, sondern ein Handlungsforschungskonzept vereinbart, das den Schulen auferlegte, die Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Es gab nur wenige obligatorische Bausteine für alle: soziale Kompetenzförderung; Mädchen- und Jungenkonferenzen ab dem 1. Schuljahr; Projekte für einen kommunikative und soziale Kompetenzen fördernden Sachunterricht, der naturwissenschaftliche und soziale Inhalte integriert; Elternkreise und -seminare; Fortbildung und Supervision.

Die Bausteine wurden von jeder Schule nach ihren eigenen Möglichkeiten ausgestattet. Die Profile der Schulen sahen dementsprechend nach den vier Versuchsjahren sehr verschieden aus:

Schule 1: praxisnahe Entfaltung emotionalen Lernens und Weiterentwicklung des kommunikativen Sachunterrichts in einer schuleigenen Lernwerkstatt.

Schule 2: neben dem Erstellen von Sachunterrichtskisten besondere Initiativen bei der Computerarbeit.

Schule 3: wöchentliches „Projekteband“ mit verschiedenen koedukativen sowie getrennten Wahlangeboten.

Schule 4: altersgemischtes Lernen, Theaterpädagogik und handlungsorientierter Sachunterricht.

Neben den Verschiedenheiten in den Schulprogrammen gab es aber auch beim Schulversuch klare Strukturen. Zentraler Versuchsschwerpunkte an allen Schulen war die Einführung von so genannten Mädchen- und Jungenstunden.

Astrid Kaiser legt großen Wert auf die Feststellung, dass damit keinesweg die koedukative Schule infrage gestellt werden soll. Im Gegenteil: In einer Welt steter Veränderung sei die Gemeinsamkeit des Vielfältigen von früh auf unbedingt erforderlich. Dennoch dürfe die kulturelle Eigenheit der Integrierten nicht übersehen werden, denn Integration sei lebendiger, wenn die verschiedenen Seiten nicht inhaltsleer sind. Vor diesem Hintergrund sollten Mädchen und Jungen in den getrennten Stunden die Gelegenheit haben, an den eigenen Gefühlen und Erfahrungen anzuknüpfen. Koedukation sollte also nicht infrage gestellt werden, sondern geradezu erst ermöglicht werden, denn vielfach findet an Schulen nicht Koedukation, sondern „Konstruktion“ statt. Koedukation bedeute aber, dass Mädchen und Jungen nicht nur nebeneinander in einem Raum beim Lernen sitzen, sondern auch zusammen erzogen werden. Dazu gehöre, dass beide Geschlechter auch dort, wo und wie sie sind, gezielt „abgeholt“ werden.

Für Mädchen- und Jungenstunden gab es nach Abschluss der Kinderbefragungen 97,6 Prozent gute und sehr gute Bewertungen - wobei als sehr gut auch „oberaffengeil“ und „supercool“ gewertet wurde.

Das Ergebnis zeigt: Das Konzept der Mädchen- und Jungenstunden ist schon im Grundschulalter praktikabel und stößt auf positive Resonanz. Das ist nicht nur an den vielen guten Ideen aus den Projekt-Schulen, sondern auch an den begeisterten Kommentaren der Kinder ablesbar. Denn nur der Mensch, der gern lernt, lernt gut.

Mittlerweile liegt für alle Schulen im Land ein vom Niedersächsischen Landesinstitut herausgegebener Praxisband vor, in dem die didaktischen Modelle des Schulversuchs für andere Schulen zur Umsetzung angeboten werden. Damit soll mädchen- und jungengerechte Grundschule nicht nur im Oldenburger Raum, sondern überall Schule machen.

Globalhaushalt: Vom Modellversuch zur Normalität

Wissenschaft und Forschung in Zeiten knapper Kassen - Ansporn und Impuls für Kultur und Kommerz

Im Dezember fand an der Universität eine gut besuchte Tagung statt. Nach fünf Jahren Modellversuch "Globalhaushalt" war Halbzeitbilanz zu ziehen. Aus allen Himmelsrichtungen waren Kolleginnen und Kollegen nach Oldenburg gekommen, um an unseren Erfahrungen mit der globalen Steuerung des Hochschulhaushalts zu partizipieren. Obgleich die Erprobung für weitere fünf Jahre zugesagt war, bewertet das Land Niedersachsen die Halbzeitbilanz als Erfolg und will die Budgetierung der Hochschulen flächendeckend einführen. Begonnen wurde mit den Fachhochschulen. Ab 2001 sollen alle Universitäten des Landes kaufmännisch denken und handeln.

Entgegen ursprünglicher Intentionen wird der Plan "Uni 2001" sich verzögern, ohne doch seine Grundstruktur einzubüßen. Er lässt sich grob in drei Regelkreisen skizzieren:

Regelkreis I betrifft die diskretionären Zuführungen und umschließt Budgetanteile für Gebäude, Bibliotheksbedarfe und spezielle Sonderaufgaben (z.B. die Pflege der Gutenberg-Bibel in Göttingen). Regelkreis II stellt die formelgebundene Mittelbemessung dar. Enthalten sind u.a. Leistungsparameter wie Studierendenzahlen, Studierende in der Regelstudienzeit, das Verhältnis Lehrender zu Studierenden sowie alle Dienstleistungsanteile, die für die Erbringung der Lehr- und Studienleistungen erforderlich sind. Für diesen Regelkreis wird als Basis der so genannte HIS-Ausstattungsvergleich herangezogen, also ein Kostenvergleich zwischen den Hochschulen für vergleichbare Lehreinheiten oder Studiengänge. Im Regelkreis III ist die Forschung unter landesspezifischen Bewertungsmaßstäben angesiedelt. Die Finanzmittel stammen nicht aus dem gängigen Hochschulkapitel, sondern umschließen Sondermittel aus den Zentralkapiteln des Landes. Hier werden vom Land (unter ausdrücklicher Einbeziehung der Begutachtungs- und Beratungsergebnisse und daraus abgeleiteter Empfehlungen der Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen) landesseitig gewollte und angestrebte Forschungsschwerpunkte, aber auch Innovations- und sonstige Programme im Sinne einer Exzellenzförderung finanziert. Wer da wie finanziert wird, ist also abhängig von der Bewertung, mithin von der Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik der Landesregierung. Kriterien sind Qualität und Originalität der Forschung. Sie sind der Maßstab, der an Sonderzuführungen gelegt wird und über die Arbeitsfähigkeit existierender Forschungsschwerpunkte entscheidet und so seinen Teil zur Reputation der Hochschule beiträgt.

Bei allen Vorteilen birgt das Budgetierungsverfahren die Gefahr von Außensteuerung und geldabhängiger Schwerpunktsetzungen, der nicht in jedem Fall mit universitären Maßnahmen entgegengesteuert werden kann. Gerade neue Forschungsansätze drohen leicht unter die Räder zu geraten – die Befürchtungen der Kultur-, Geistes- und Sozialwissenschaftler sind hier sehr ernst zu nehmen. Dennoch werden auch diese Wissenschaftler nicht umhinkommen, sich den Beurteilungsmaßstäben der Drittmittelgeber zu stellen.

Die quantitativen Mittelbemessungskriterien gemäß Regelkreis II sind national wie international immer wieder diskutiert und erprobt worden. Sie sind dadurch zwar nicht besser geworden, aber doch als pragmatisch tragfähig akzeptiert worden. Ja, nach den internationalen Erfahrungen ist sogar zu konstatieren, dass ihre holzschnittartige Struktur eher die Besonderheiten unterschiedlicher Hochschulen trifft als die differenzierten, filigranen Modelle, die wegen ihrer Komplexität auch durch verzweifeltes Nachjustieren nicht praktizierbar sind.

In den zurückliegenden Sitzungen der Planungskommission, der Haushalts-, der Forschungsförderungskommission und vor allem des Akademischen Senats sind wieder und wieder Debatten um die wissenschaftlichen Schwerpunkte der Universität und die Frage ihrer Kenntlichmachung für die Scientific Community geführt worden. Und sie ist es, die letztlich über die Reputation unserer Universität bei Studium, Lehre, Weiterbildung und Forschung entscheidet. Die ersten drei Aufgabenbereiche im Regelkreis II werden weitgehend durch quantitative Leistungs- und Belastungsparameter bis hin zum HIS-Ausstattungsvergleich (Kostenvergleich zwischen niedersächsischen Hochschulen) erfasst. Die Forschungsleistungen dagegen zählen zu einem Regelkreis, der zwar auch selbstgesteuerte hochschuleigene Outputs (wie Drittmitteleinwerbung und Nachwuchsförderung) berücksichtigt, aber wesentlich auf die Beurteilung der Leistung und ihre qualitative Einbettung in die niedersächsische Hochschul- und Wirtschaftsstruktur abzielt. Anders formuliert: Eine Hochschule erhält aus Sondermitteln des Landes aufgrund ihrer Forschungsleistungen umso mehr Geld, je mehr ihr Profil den Landesplänen und mittelfristigen wirtschaftlichen Entwicklungskonzepten entspricht. Und das sind in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit vor allem jene Bereiche, die einen raschen wirtschaftlichen Nutzen versprechen (der Existenzgründung und dem Patentwesen kommt deshalb hohe Priorität zu) und dem Land hoch qualifizierte Arbeitskräfte und ein wachsendes Steueraufkommen sichern. Hier schließt sich der Kreis und es wird klar, weshalb es für die Hochschule so wichtig ist, die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Schwerpunkte unserer Forschung abgesichert bleiben und ausgebaut werden.

Die Funktionsbestimmung von Universitäten kommt unter der Bedingung knapper staatlicher Kassen einer Gratwanderung gleich. Die Leitung einer Hochschule steht stets vor dem Dilemma: Universitäten als Zentren kultureller Innovationen, als kulturelles Gedächtnis und Impulsgeber der Gesellschaft sind in Einklang zu bringen mit der Aufgabe, anwendungsorientierte Wissenschaft und Grundlagenforschung zu betreiben, die der Wirtschaft Impulse gibt. Die Hochschulleitung muss beides stützen und ermöglichen. Aber dazu bedarf sie der Unterstützung aller WissenschaftlerInnen, denn Balance zu halten bedeutet Verzicht und Gewinn auf allen Seiten. Das Präsidium sieht sich hier in der Pflicht, gemäß seiner gesamtuniversitären Verantwortung und im Rahmen seiner Möglichkeiten auszugleichen - wohlwissend, nicht allen gerecht werden zu können. Eines aber steht unverrückbar fest: Qualität und Leistung in Studium, Lehre, Forschung und Weiterbildung werden uns in der Konkurrenz mit anderen Hochschulen abverlangt.

Siegfried Grubitzsch (Präsident)

Liegenschaften und Berufungen

Fatale Konsequenzen für Hochschulen aus "Landesliegenschaftsfonds"

Liegenschaften waren für Hochschulen bislang eher Nebensache. Seit die Landesregierung die Einführung privatwirtschaftlicher Prinzipien für Landesliegenschaften beabsichtigt, haben Universitäten wie Fachhochschulen auch auf diesem Feld umzudenken.

Laut Beschluss der Landesregierung von 1999 sollte im Jahr 2000 ein Sondervermögen "Landesliegenschaftsfonds" errichtet werden, das alle Grundstücke des Landes umfasst. Eine Unternehmensberatung sollte die Liegenschaften bewerten und Nutzungsentgelte festlegen. Die Ergebnisse sollten die Grundlage der Nutzungsverträge zwischen Hochschulen und Liegenschaftsfonds abgeben. Den so errechneten Mietzins erhalten die Hochschulen, um ihn später an den Fonds zurückzuführen: wie gewonnen, so zerronnen.

Das Land geht davon aus, dass zwischen zehn und zwanzig Prozent des Liegenschaftsvermögens gewinnbringend veräußert werden können. Um diese Zielvorstellung in die Tat umzusetzen, veranlasste die Landesregierung eine Erhebung über den notwendigen Umfang vorzuhaltender Liegenschaften. Für die einzelnen Ressorts wurden Arbeitsgruppen aus dem Finanzministerium und den Fachressorts - in unserem Fall aus dem Wissenschaftsministerium - ins Leben gerufen, die bis März 2000 einen Kriterienkatalog zur Bedarfsbemessung zu erstellen hatten. Eine Unternehmensberatung wurde eigens zu den Diskussionen herangezogen, da Auseinandersetzungen zu erwarten waren.

Für den Vorschlag an das Finanzministerium hat das Ministerium für Wissenschaft und Kultur in Zusammenarbeit mit der Landeshochschulkonferenz eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die mit Unterstützung der HIS GmbH Hannover Parameter zur Bedarfsbemessung für Hochschulen auszuarbeiten hatte. Da bei einigen Hochschulen Nachbesserungen erforderlich wurden, konnte diese Arbeit konnte bislang nicht abgeschlossen werden. Damit das Finanzministerium dennoch seinen Zeitplan einhalten konnte, legte das Beratungsunternehmen einen Bericht vor, der unter den gegebenen Umständen keine definitiven Ergebnisse präsentieren, aber doch die Grundzüge des Bemessungsverfahrens abstecken konnte, wie sie vom MWK, Hochschulen und HIS erarbeitet worden waren.

Nach diesem Bemessungsverfahren errechnet sich der Bedarf nach einer Formel, die aus der Aufnahmekapazität einer Hochschule, bemessen an der Lehrkapazität, gebildet wird. Eine solche Bedarfsfestlegung wurde erforderlich, da Niedersachsen keine Zieldaten für die Entwicklung Studierender an Hochschulen vorgibt. Die so ermittelten Daten werden in Beziehung gesetzt zu den Flächenrichtwerten für den Hochschulbau, bezogen auf die einzelnen Fächer unter Berücksichtigung des jeweiligen Standortprofils. Hinzukommen Flächenzuschläge für Drittmittelwissenschaftler, Flächen für "Sondertatbestände" wie Hallen und Sportplätze, Gewächshäuser und botanische Gärten sowie Flächen für zentrale Einrichtungen und die Hochschulverwaltung.

Bei zwanzig Hochschulen im Lande summierte sich dies alles zu einem gigantischen Zahlengebirge. Die Sichtung und Auswertung der HIS GmbH führte zum Ergebnis, dass bei allen Hochschulen mit einer Ausnahme ein zusätzlicher Flächenbedarf besteht - eine Diagnose, die auch auf die Universität Oldenburg zutrifft.

Solch ein Ergebnis, das Experten vorhergesehen hatten, kann kaum im Interesse des Finanzministeriums liegen. Würde es akzeptiert, dann müsste die Hochschullandschaft ausgebaut werden. Von einer Veräußerung der Hochschulliegenschaften, die etwa die Hälfte aller Landesliegenschaften ausmachen, ist allerdings nicht auszugehen. Man darf auf die Reaktion des Finanzministeriums gespannt sein.

Die Wertbemessung der Liegenschaften durch eine Unternehmensberatung wurde auf einer Datengrundlage durchgeführt, die auf Angaben der Staatshochbauverwaltung und bloß punktuellen Besichtigungen basierte. Den Hochschulen wurden Mietpreise für ihre Objekte zugemutet, die für sie nicht nachvollziehbar waren. Die Entwürfe der Nutzungsverträge glichen mehr Untervermietverträgen als Überlassungsverträgen für Hochschulkomplexe. Zudem wurde die noch offene Frage der Bewirtschaftungsbefugnis gleich zu Lasten der Hochschulen beantwortet. Die Hochschulen und das MWK haben den ersten Entwurf ebenso zurückgewiesen wie ein nur marginal verändertes zweites Konzept des Finanzministeriums. Dennoch wurden im Haushalt 2001/2002 den Hochschulen Mittel für die Mietzahlungen der Liegenschaften eingestellt.

Das Finanzministerium nimmt, wie man unschwer sehen kann, keine Rücksicht auf berechtigte Einwände oder realistische Zeitpläne. Mögen die Differenzen sich bislang noch im Binnenleben der Bürokratie ohne nachhaltige Auswirkungen auf das Leben in der Hochschule abgespielt haben, so verändert sich die Situation grundlegend, sobald die Bewirtschaftung - also auch die Befugnis zur baulichen Veränderung - zentral beim Sondervermögen liegt. Bei Berufungen würde dies einen erheblichen Standortnachteil für Niedersachsens Hochschulen bedeuten. Denn - besonders in den Natur- und Ingenieurwissenschaften - hat jede Berufungsverhandlung immer auch bauliche Anpassungen vorhandener Gebäude an die Erfordernisse der Stellenbewerberin oder des Stellenbewerbers zum Inhalt. Werden die Instanzenwege künstlich verlängert und die Berufungsangebote von einer hochschulfernen Behörde, der die Besonderheiten der Hochschule fremd sind, abhängig, so wären die Verhandlungen von vornherein zum Scheitern verurteilt.

In Zukunft wird alles darauf ankommen, ob sich die Hochschulen gemeinsam mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur bei der Auseinandersetzung um die Liegenschaftsverwaltung durchsetzen können. Ich gehe zunächst davon aus, dass die Befugnisse bei den Hochschulen bleiben können.

Günter Scholz (Kanzler)

Frauenförderung: Integriert in den Prozess von Hochschulsteuerung

Die Hochschulen in Niedersachsen befinden sich seit geraumer Zeit in einem umfassenden Wandlungsprozess, der auch für die Frauenförderung weitreichende Konsequenzen haben wird. Die Budgetierung ist ein bedeutendes Element. Die Rahmenbedingungen dieser Veränderungen sind dabei kritisch zu berücksichtigen. Der Raum dieses Beitrages lässt keine ausführliche Darstellung zu, doch zwei Maximen sind unabdingbar: die Sicherung geeigneter demokratischer Beteiligungsrechte aller Statusgruppen im Rahmen der Hochschulautonomie und die Betonung von Hochschule als non profit-Organisation, die eine ausreichende öffentliche Mittelausstattung zwingend macht. Nur vor diesem Hintergrund lassen sich die Chancen für die Frauenförderung diskutieren.

Die Budgetierung, die eine globale Mittelzuweisung voraussetzt, erfordert neue Verteilungsmodelle für die Finanzen und schafft Möglichkeiten für neue Steuerungsinstrumente: insbesondere eine formelgebundene Mittelzuweisung und den Abschluss von Zielvereinbarungen. Bei der Anwendung dieser - und anderer - neuer Instrumente ist die Frauenförderung ausdrücklich einzubeziehen. Nur so wird der gesetzlichen Anforderung entsprochen, nach der die Hochschulen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und zur Erhöhung des Frauenanteils in unterrepräsentierten Bereichen beitragen (§ 2 Abs. 3 NHG). Im HRG von 1998 sind finanzielle Anreize vorgesehen und für die NHG-Novelle geplant.

Die Erfolge der Frauenförderung zu einem Finanzfaktor zu machen, stellt bereits an den Fachhochschulen (von der staatlichen Seite) und intern an der Universität Oldenburg die Praxis dar. Aus den Erfahrungen dieser Universität lässt sich feststellen, dass Frauenförderung vom Anhängsel weg in den allgemeinen Prozess von Hochschulsteuerung integriert worden ist. Es ist damit Transparenz und Kommunikation über die Frauenförderung und deren Entwicklung in den Gremien (z.B. Haushalts- und Planungskommissionen oder Senat) hergestellt worden - fern von der ansonsten in diesem Bereich so üblichen Rhetorik.

Marion Rieken (Frauenbeauftragte)

Transparenz für die Bibliotheken!

Ist die Oldenburger Universitätsbibliothek im Vergleich mit Hannover, Göttingen und Osnabrück zu teuer? Oder ist sie zu schlecht ausgestattet? Setzt sie ihre Ressourcen effizient und effektiv ein? Diese und andere Fragen stellen nicht nur die Fachbereiche, das Präsidium und die Mitglieder von Gremien, sie müssen auch dem Ministerium und letztlich dem Steuerzahler beantwortet werden.

Unsere Kosten und Leistungen kennen wir, sie werden jedes Jahr im Zahlenspiegel der Universität und damit auch im Internet dokumentiert – die der anderen Bibliotheken sind aber nur teilweise bekannt. Die von HIS durchgeführten Ausstattungsvergleiche niedersächsischer Hochschulen lieferten bisher kaum verwertbare Ergebnisse. So wurden die Kosten für die bibliothekarischen Dienstleistungen nur sehr unvollständig erfasst und über ungeeignete pauschale Schlüssel auf die Studiengänge umgelegt. Insbesondere in den zweischichtig organisierten Bibliothekssystemen der Universitäten Hannover, Göttingen und Braunschweig war die Erfassung von Bibliothekskosten ein bisher ungelöstes Problem. Zur Zeit führt das MWK daher eine Erhebung durch, die erstmals auch die dort zahlreichen Lehrstuhl-, Instituts- und Fachbereichsbibliotheken einbezieht. Erst damit kann festgestellt werden, was die Informationsversorgung an den verschiedenen Hochschulen heute überhaupt kostet und wie hoch die so genannten diskretionären Zuwendungen für die einzelnen Bibliotheken in dem von Grubitzsch beschriebenen MWK-Modell zur Hochschulfinanzierung morgen sein werden. Dabei ist die Hauptaufgabe aller Hochschulbibliotheken gleich: Sie versorgen die Hochschulen mit gedruckten und elektronischen Informationen für Lehre, Studium und Forschung. Es liegt daher nahe, die Personal- und Sachkosten der damit verbundenen Dienstleistungen zu erfassen, Standards zu definieren und eine indikatorengesteuerte Mittelverteilung auch für die Hochschulbibliotheken einzuführen. An diesem Ziel arbeitet eine aus Ministerialbeamten, Bibliotheksdirektoren und Hochschulpräsidenten zusammengesetzte Arbeitsgruppe. Die Bibliothekare haben bereits einen Produktkatalog erarbeitet, der die Dienstleistungen beschreibt und der die Grundlage für eine einheitliche Kosten- und Leistungsrechnung bilden soll. Dabei wurde allerdings deutlich, dass neben den Standardprodukten viele Aufgaben und Dienstleistungen sehr individuell und nicht miteinander vergleichbar sind – sei es die Leibniz-Forschung in Hannover, der Zentralkatalog in Göttingen oder die Mediathek in Oldenburg.

Und dennoch: Trotz aller methodischen Schwierigkeiten besteht mit der flächendeckenden Einführung von Globalhaushalten sowie einer Kosten- und Leistungsrechnung die Chance, im Wettbewerb mehr Effizienz und Effektivität zu erreichen - und vielleicht gibt es dann auch eines Tages mehr Geld für die Informationsversorgung in Oldenburg. Bei allem Wettbewerb stehen die Bibliotheken aber auch in der Pflicht zur gegenseitigen Kooperation: Sie brauchen einander mehr denn je, so bei der gegenseitigen Lieferung von Aufsätzen aus längst abbestellten Zeitschriften oder als starke Verhandlungspartner gegenüber den preistreibenden Großverlagen. Ebenso wichtig ist die Kooperation mit den Wissenschaftlern. Nicht gegeneinander, sondern nur gemeinsam können intelligente elektronische Alternativen zur nicht mehr finanzierbaren Versorgung mit wissenschaftlichen Zeitschriften entwickelt werden. Auch hier ist zuallererst Kostentransparenz eine Bringschuld der Bibliothek.

Hans-Joachim Wätjen (Bibliotheksdirektor)

 

(Stand: 19.01.2024)  | 
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