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Verschiedenes
Das Amt für sich
Von Thomas Blanke*
Bislang
standen sich in der wissenschaftlichen Debatte über Sinn und Zweck
von Prüfungsämtern im Wesentlichen zwei Auffassungen gegenüber:
Nach der einen ist das Prüfungsamt für sich selbst da. Nach
der anderen Ansicht besteht seine Aufgabe demgegenüber darin, den
Studenten das Leben schwer zu machen. Diese letztere Ansicht kann sich
auf eine Reihe ganz offensichtlicher Sachverhalte stützen: Das Prüfungsamt
ist seinem Wesen nach die Verbindungen von Amt und Prüfung. Beides
ist, wie jeder aus eigener Anschauung weiß, verschärft unangenehm.
Auf dem Amt ist man ungern, in der Prüfung erst recht. Vor das Amt
hat die Bürokratie die Warteschlange gestellt und vor die Prüfung
die Qual der Ausbildung und den Schweiß des Lernens. In die Prüfung
geht jeder mit massiven Ängsten, die sich bei einigen zu schwerwiegenden
psychischen Störungen und lange nachwirkenden Traumata auswachsen.
Auf den Ämtern ist es ebenso. In beiden Fällen wird man Sachen
gefragt, die man nicht weiß und meist auch nicht wissen kann. Das,
was man braucht, hat man nicht dabei. Und aus beiden, den Prüfungen
wie den Ämtern, kommt man zumeist ratloser (und manchmal auch rechtloser)
heraus als man hereingegangen ist.
Dieser Theorie von der Addition der Ärgernisse von Prüfung und
Amt widersprechen seit langem die Anhänger der These, wonach das
Prüfungsamt für sich selbst da ist. Auch dafür spricht
auf den ersten Blick viel: Prüfungsämter sind unzugänglich.
Will man sie aufsuchen, so steht man vor meistens vor verschlossenen Türen.
Durch die gläsernen Türen sieht man zwar, dass die Besitzer
und Einwohner des Prüfungsamtes hin und her gehen. Aber sie haben
offenbar mit sich selbst genug zu tun. Studenten jedenfalls lassen sie
nicht herein, allenfalls - und auch nur ganz selten und nach Verabredung
- Professoren. Jeder Zutritt von außen gilt als Störung der
internen Vorgänge. Deren Erledigung steht ganz im Vordergrund und
erfordert augenscheinlich alle Kraft und alle verfügbaren Kapazitäten.
Am besten funktioniert nach dieser Theorie dasjenige Prüfungsamt,
welches sich seine Adressaten völlig vom Leib hält und nie zu
Gesicht bekommt. Ja, im eigentlichen Sinne braucht es diese gar nicht:
Das Prüfungsamt ist so sehr mit sich selbst, seinen Ordnungen, Regelungen,
Dienstanweisungen und deren Auslegung sowie der Auswahl, Einweisung, Unterrichtung,
Schulung, Fortbildung, Überwachung und Kontrolle des Personals, der
Feier von Geburtstagen, Eintragungen von Fehlzeiten und Ferien, Eingruppierungen
und Wahlen sowie der Veranstaltung von Dienstjubiläen und sonstigen
Festen aller Art beschäftigt, als dass es Außenstehende auch
nur gelegentlich, gar unkontrolliert, Zugang zu seinen Räumen erlauben
könnte.
Eindrückliche Belege erfuhr diese Theorie der Selbstbeschäftigung
und Selbstgenügsamkeit des Prüfungsamts (die in verallgemeinerter
Form generell für alle Ämter und Organisationen gilt) durch
die Erfindung und Einführung des automatischen Anrufbeantworters.
Er ist in allen Einrichtungen dieser Art auf Dauerempfang gestellt und
die in ihnen tätigen Personen gehen offensichtlich davon aus, dass
er alle Fragen automatisch von selbst beantwortet.
* Prof. Dr. Thomas Blanke, Rechtswissenschaftler und Vorsitzender des Diplom-Prüfungsausschusses Wirtschaftswissenschaften/Betriebswirtschaftslehre, schrieb diese Glosse anläßlich des 25-jährigen Dienstjubiläums des Sachbearbeiters des Prüfungsamtes, Walter Kenkel.