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Lernprozesse nicht nur in eine Richtung
ZSN koordiniert Kooperation mit Süd- und Ostafrika / Eine Zwischenbilanz von Wolfgang Nitsch und Malve Möllendorff
Südafrika könne von Deutschland viel lernen, heißt es im Zuge der Vorbereitungen zur Fußballweltmeisterschaft 2010 am Kap immer wieder. Dass Lernprozesse nicht nur in eine Richtung verlaufen, dass eine Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern über Fußballweltmeisterschaften hinaus äußerst produktiv sein kann, das ist eine Erfahrung, die Hochschulangehörige, Lehrkräfte und PädagogInnen aus Niedersachsen und aus der Eastern Cape Province Südafrikas miteinander teilen.
Der Oldenburger Ansatz
Zwischen den beiden Partner-Regionen wurden in den letzten zehn Jahren enge fachliche und persönliche Kontakte geknüpft. Einen Kernbereich dieser Bildungskooperation bildet die Partnerschaft zwischen der Universität Oldenburg und der Nelson Mandela Metropolitan University (NMMU) in Port Elizabeth.
Gefördert vor allem durch das Niedersächsische Ministerium für Wis
senschaft und Kultur (MWK) hat sich ein reger Austausch von WissenschaftlerInnen und Studierenden, aber auch von PädagogInnen und Jugendlichen entwickelt, der von den Hochschulen in beiden Kontinenten koordiniert wird.
Der Oldenburger Ansatz, an der Hochschulpartnerschaft auch Partner aus anderen Bereichen in der jeweiligen Bildungsregion zu beteiligen, hat auch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) überzeugt, der das Programm von 2004 bis 2007 als Nord-Süd-Partnerschaft fördert.
Die Helene-Lange-Schule (Oldenburg), die BBS am Museumsdorf (Cloppenburg) und das Junge Theater (Wilhelmshaven) haben besonders lebendige und kontinuierliche Partnerschaften mit Schulen und Jugendzentren in Eastern Cape aufgebaut. Ein Team von Oldenburger Studierenden hat aufgrund eines Austauschs mit einem der beteiligten südafrikanischen Bildungsträger (Early Learning Resource Unit) dessen Trainingsprogramm gegen Diskriminierung übernommen und dafür einen neuen Bildungsanbieter (Anti-Bias-Werkstatt e.V.) „ausgegründet“.
Reger Austausch
Allein im Jahr 2006 waren vier DozentInnen und drei Studierende der NMMU sowie zwei BildungsforscherInnen aus der University of Cape Town (UCT) zu Gast an der Universität Oldenburg. Drei Oldenburger MitarbeiterInnen, eine Hochschullehrerin, zwei DoktorandInnen und vier Studierende hielten sich im vergangenen Jahr an der Partner-Hochschule auf.
Prof. Dr. Neville Alexander, Leiter des renommierten „Project for the Study of Alternative Education“ an der UCT hielt einen Gastvortrag zum Thema Sprachenpolitik in Afrika, und seine Mitarbeiterin Dr. Carole Bloch verteidigte im Rahmen ihres Promotionsverfahrens an der Fakultät I ihre Dissertation zum Thema „Early Literacy in Contemporary Africa“.
Dr. Logamurthie Athiemoolam, Erziehungswissenschaftler an der NMMU, kam erstmals im Jahr 2001 nach Oldenburg. Er war einer von vier Postgraduierten, deren Forschungsaufenthalte durch Stipendien der Unternehmen Daun & Cie. AG (Rastede) und Steinhoff GmbH & Co. KG (Westerstede) gefördert wurden. Seitdem betreut der engagierte Hochschullehrer Studierende aus Oldenburg. Im Jahr 2004 lud er ein Fortbildungs-Team zu Trainingsworkshops für Lehrkräfte in Township-Schulen ein, die in einem Handbuch dokumentiert und evaluiert wurden (Nord-Süd-Fortbildung in der Lehrerfortbildung, BIS-Verlag 2005). In diesem Semester ließ er Oldenburger Studierende und Lehrende an seinen Erfahrungen mit Szenischem Spiel in der Lehrerbildung teilhaben. Zu kürzeren Aufenthalten waren drei weitere KollegInnen an der Fakultät I und dem diz (Forschungswerkstatt Lehrerbildung): Prof. Dr. William Holderness, Dr. Aletta Delport und Dr. Lesley Wood.
Hauptziel der Kooperation ist die Förderung sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher durch die Unterstützung und Weiterbildung von PädagogInnen, die in materiell unterversorgten und verarmten Gemeinden arbeiten. Nicht nur in Südafrika, auch in Deutschland sind Armut und sozialer Ausschluss ein wachsendes Phänomen, mit dessen Folgen sich immer mehr PädagogInnen täglich konfrontiert sehen.
Der seit 1999 bestehende Kooperationsvertrag zwischen den beiden Universitäten wurde im vergangenen Jahr bei einem Besuch des Vizekanzlers der NMMU, Dr. Rolf H. Stumpf, erneut bekräftigt. Das Interesse an der Zusammenarbeit von Seiten der Oldenburger Universitätsleitung und HochschullehrerInnen verschiedener Fachrichtungen ist hoch.
Der Autor des Artikels hat die Koordination der Südafrikakontakte von Prof. Dr. Gottfried Mergner († 1999) übernommen. Er leitet das Zentrum für Süd-Nord-Bildungskooperation (ZSN) zusammen mit Prof. Dr. Rudolf Leiprecht (Fk I) und Prof. Dr. Karin Rebmann (Fk II). Seit dem 1. Januar 2007 hat das Zentrum Verstärkung in Form einer Teilzeitstelle für die Geschäftsführung bekommen, die mit der Mitautorin besetzt wurde. Das ZSN ist im IBKM und in der Fakultät I angesiedelt. Von hier aus werden insbesondere die Bildungspartnerschaften mit der Eastern Cape Province koordiniert.
Die Teilzeitstelle am ZSN und die damit geschaffenen Kapazitäten erleichtern die Einwerbung von Drittmitteln. Schwerpunkte für das Fundraising in diesem Jahr sind Weiterbildungsprogramme zu HIV/AIDS und Fortbildungsaufenthalte von BerufsschullehrerInnen aus dem Eastern Cape.
Neue Partnerschaften
In den letzten Jahren haben sich die Kontakte auf andere Hochschulen in Süd- und Ostafrika ausgeweitet. HochschullehrerInnen der Fächer Politikwissenschaft und Pädagogik kooperieren mit Partnerinstituten an der University of Cape Town, der University of the Witwaterstrand (Johannesburg), der Stellenbosch University in Südafrika sowie an der Makerere University (Uganda) und der Kenyatta University (Kenia). Prof. Dr. Anke Hanft (C3L) und Ina Grieb (ZWW) planen gemeinem mit dem DAAD, der NMMU und der Vereinigung ostafrikanischer Universitäten einen internationalen Weiterbildungsstudiengang zum Hochschulmanagement.
Studierende aller Fachrichtungen, die an einem Studienaufenthalt an einer der Partneruniversitäten Interesse haben, können sich an Britta Stigge im International Student Office wenden (Tel: 798-2845). An der NMMU wird der Austausch von Nico Jooste, Leiter des International Education Centre, koordiniert.
Schwerpunkt: HIV/AIDS
Von fachkundigen MitarbeiterInnen wurden gemeinsam Module für die Lehrerweiterbildung zum Thema HIV/AIDS an der NMMU entwickelt. Die aufgrund von Armut und sozialen Folgen der Apartheid dramatisch angestiegenen HIV/AIDS-Infektionszahlen in Südafrika stellen extreme Anforderungen an Lehrkräfte, PädagogInnen und das Bildungsmanagement. Mitglieder des Oldenburger Teams (die DiplompädagogInnen Inga Henn und Kilian Köbrich, die HIV/AIDS-Beraterin Kathleen Lück und der Sozialwissenschaftler Ralph Obalski) haben im Jahr 2006 Begleitforschungsvorhaben in Schulen im Eastern Cape zur Weiterbildung von LehrerInnen und SchulleiterInnen durchgeführt.
Über HIV/AIDS, ein wichtiges Thema nicht nur für Südafrika, sondern auch für Deutschland, wurde in einer Fachkonferenz mit WissenschaftlerInnen aus Südafrika, Uganda und Deutschland diskutiert, die das ZSN zusammen mit dem Institut für Politikwissenschaft (Dr. Lydia Potts) veranstaltet hat.
Diversity Management
Es zeigt sich immer wieder, dass eine kritische Begleitforschung zu den Kooperations- und Austauschprogrammen für eine qualitativ hochwertige und erfolgreiche Süd-Nord-Zusammenarbeit notwendig ist. Hierzu erhoffen sich ZSN und IBKM eine produktive Zusammenarbeit mit dem Institute for Intercultural and Diversity Studies (iNCUDISA, Leiterin: Dr. Melissa Steyn) an der University of Cape Town. Kooperative und vergleichende Forschungsprojekte zu Rassismus, Erinnerungspädagogik und Diversity Education sind geplant. Das Post-Apartheid-Südafrika steht vor besonderen Herausforderungen (nicht nur hinsichtlich der Fußballweltmeisterschaft) und ist dabei, interessante Ansätze zum Diversity Management zu entwickeln, von denen wir lernen können.