Für gesellschaftliche Missstände sensibilisieren
Prof. Dr. Ayça Polat ist auf die Professur für „Sozialpädagogik in der Migrationsgesellschaft“ am Institut für Pädagogik berufen worden. Die Expertin für kritische Migrationsforschung betont die gesellschaftliche Relevanz ihres Fachgebiets. Sie möchte mit ihrer Arbeit auch verschiedenen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegenwirken.
Willkommen an der Uni Oldenburg! Was hat Sie hierhergebracht?
Oldenburg ist schon seit gut 30 Jahren meine Heimatstadt. Ich habe an der Universität studiert und promoviert. Zudem war ich sieben Jahre lang bei der Stadt Oldenburg in der Stabsstelle Integration tätig. Nach Stationen in Kiel und Osnabrück kehre ich nun also auch beruflich wieder in die Heimat zurück.
Woran forschen Sie?
Mich beschäftigen soziale Ungleichheit und Diskriminierung aus einer intersektionalen Perspektive. Das heißt, ich untersuche, wie verschiedene Formen der Diskriminierung zusammenwirken, etwa Benachteiligung durch Herkunft, Gender, soziale Schicht, Religionszugehörigkeit oder körperliche Beeinträchtigung. Umgekehrt interessiert es mich auch, wie solidarisches Interagieren ermöglicht und gefördert werden kann und welche Bedingungen Ungleichheit und Diskriminierung entgegenwirken. In Zeiten, in denen Rassismus und andere menschenfeindliche Positionierungen wieder salonfähig werden, haben diese Fragestellungen meiner Meinung nach eine große gesellschaftspolitische Relevanz. Für die kritische Migrationsforschung ist es bedeutsam, wie man der entwürdigenden Einteilung und Klassifizierung von Menschen entgegenwirken kann, sowohl in theoretischen Diskursen als auch in der Praxis.
Was ist das Tolle an Ihrem Fach?
Ich mag das Interdisziplinäre an meinem Fach: Ich komme mit Forschenden aus der Soziologie, Politikwissenschaft, Kulturwissenschaft, Psychologie oder Schulpädagogik in Berührung, was sehr bereichernd ist. Außerdem finde ich es wichtig, dass ich durch meine Arbeit für gesellschaftliche Missstände, Diskriminierung und Rassismus sensibilisieren kann. Am Center for Migration, Education und Cultural Studies (CMC) hat dies Tradition. Ich finde es wichtig, in Forschung, Lehre und Wissenschaftskommunikation Strukturen kritisch zu hinterfragen. Dazu gehört zum einen die Frage, ob und wie symbolische und institutionelle Einteilungen von Menschen stattfinden. Zum anderen sollten wir darüber nachdenken, wie wir Verhältnisse schaffen können, die die Würde und Handlungsfreiheit aller Menschen garantieren.
Was haben Sie sich für die die ersten Monate an unserer Uni vorgenommen?
Schon vor meinem offiziellen Dienstantritt habe ich viele gute Gespräche mit verschiedenen Kolleg*innen geführt. Mir ist es sehr wichtig, dass wir die gute Arbeit des CMC in Lehre, Forschung und der Wissenschaftskommunikation fortführen. Dazu gehört es für mich auch, neue Kontakte innerhalb und außerhalb der Universität zu knüpfen und alte wiederzubeleben.
Wer oder was hat Sie im Studium besonders geprägt?
Da ich sowohl Pädagogik als auch Sozialwissenschaften studiert habe, bin ich vielen verschiedenen theoretischen Zugängen, aber auch Lehrenden begegnet. Mich haben insbesondere die Lehrenden geprägt, die zu einer kritischen und neugierigen Haltung angeregt haben. Mit Ambivalenzen und Uneindeutigkeiten umgehen zu können, sowohl im Diskurs als auch im Handeln, halte ich für eine der wichtigsten Fähigkeiten unserer Zeit. Dabei hilft es, neugierig und zugleich kritisch an die Dinge heranzugehen, die man beobachtet und wahrnimmt – und sich ab und zu auch selbst kritisch zu reflektieren. Das ist meine wichtigste Botschaft an die Studierenden.
Ihr Tipp fürs Überleben auf dem Campus?
In Anlehnung an Harper Lees „Wer die Nachtigall stört“: Man versteht einen Menschen nie wirklich, bis man die Dinge aus seiner Sicht betrachtet.