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Joachim Peinke

Matthias Wächter

 

30. Mai 2013   206/13   Forschung

Der turbulente Charakter der Windenergie
Wissenschaftler veröffentlichen Artikel zur Windenergie in renommierter Zeitschrift

Oldenburg. Windparks mit mehr als 100 Anlagen werden in naher Zukunft keine Seltenheit mehr sein. Auch in Windparks dieser Dimension beeinflussen Turbulenzen die Erzeugung von Windenergie und ihre Einspeisung ins Stromnetz. Dieser Einfluss ist sogar größer als bislang angenommen, wie die Physiker Patrick Milan und Dr. Matthias Wächter der Universität Oldenburg unter Leitung des Turbulenzexperten Prof. Dr. Joachim Peinke nun erstmals in hochkomplexen Berechnungen nachweisen konnten. Ihre Ergebnisse haben sie jetzt in der renommierten Zeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht. Ihr Aufsatz „Turbulent Character of Wind Energy“ ist der erste Artikel zur Windenergie, den das Fachmagazin publiziert.

„Gas, Kohle, Wasserkraft und Kernenergie haben trotz ihrer Trägheit bei der Einspeisung ins Energienetz einen großen Vorteil – sie können kontrolliert dem Netz zugeführt werden. Das ist zurzeit bei der Windenergie nicht der Fall und deshalb eine der größten Herausforderungen für die Windenergieforschung“, erklärt Peinke. Die eingespeiste Windenergie sei durch ein wesentliches Turbulenzmerkmal gekennzeichnet, und zwar durch die Intermittenz – also durch kurzzeitige starke und komplexe Fluktuationen.

Diese Fluktuationen konnten die Oldenburger Physiker in ihren früheren Arbeiten bereits für einzelne Windenergieanlagen nachweisen. Nun zeigen sie: Die Intermittenz ist vor allem im kleinskaligen Bereich äußerst hoch und wirkt sich auf den gesamten Windpark aus. Durch die Analyse von Windpark-Messdaten gelang es, die Dynamik auf dem Weg von der Windgeschwindigkeit zur elektrischen Leistung genauer zu bestimmen, und den turbulenten Charakter der Windenergie im Detail darzulegen. So fanden sie heraus: Der Energieumwandlungsprozess ist permanenten Turbulenzen unterworfen und schwankt sekündlich. Dieser Prozess folgt komplexen Mustern mit multi-fraktalen Skalengesetzen, die aus der Turbulenzforschung bekannt sind.

„Beim Anblick einer drehenden Windturbine erhält man den Eindruck einer ruhigen Bewegung. Die Leistungsabgabe als Ergebnis der Kräfte und Drehmomente innerhalb der Maschine zeigt dagegen sehr turbulente Fluktuationen“, erklärt Peinke. Schwankungen von mehreren Megawatt innerhalb von Sekunden seien keine Seltenheit. Man könne daher eine Windenergieanlage mit einem Flugzeug im Landeanflug unter sehr turbulenten Windbedingungen vergleichen. Von außen mute die Bewegung des Flugzeugs ruhig an. Genauer betrachtet zeige sich allerdings, dass das Flugzeug turbulenten Dynamiken ausgesetzt sei. Ähnlich verhält es sich bei Windenergieanlagen. Erschwerend komme für Windenergieanlagen hinzu, dass diese über Jahre hinweg permanent diesen Turbulenzen ausgesetzt seien, während Flugzeuge in höhere und somit ruhigere Luftströmungen aufsteigen könnten.

Die Wissenschaftler konnten beispielsweise nachweisen: Variiert die Windgeschwindigkeit um elf Meter in der Sekunde, so kann dies innerhalb von wenigen Sekunden den Energieausstoß der Anlage um 80 Prozent beeinflussen. Die Gründe dafür sehen die Forscher zum einen in dem verstärkten nicht-linearen Übertragungsvorgang und zum anderen in der schnellen Reaktionszeit der Anlagen auf die wechselnden Windgeschwindigkeiten.

Diese Effekte wirken sich auch auf große Windparks aus: „Bei einem Windpark mit vielen Anlagen sollte man eigentlich glauben, dass diese Schwankungen in der Energieerzeugung durch die Fluktuation der verschiedenen Turbinen ausgeglichen wird“, erklärt Dr. Matthias Wächter, Physiker der Universität. Das sei aber nicht der Fall. Als erste Forschergruppe konnten die Oldenburger Wissenschaftler nachweisen: Die Intermittenz der elektrischen Leistungsabgabe bleibt für den gesamten Windpark erhalten. Erklären lässt sich der Effekt durch die weitreichenden Korrelationen, die typischerweise in Winddaten beobachtet werden. Während der analysierte Windpark sich über eine Fläche von vier Quadratkilometern ausdehnt, erlangen die Windkorrelationen eine Reichweite von mehreren hundert Kilometern. Die Forscher vermuten daher, dass sich die Intermittenzen der Windenergie auch über diese Größenordnung erstreckt.

„Unsere Forschungen zeigen, dass die turbulente Intermittenz im Bereich der Windenergie eine größere Rolle spielt, als bisher angenommen. Folglich wird ein tiefes Verständnis der Turbulenz, welches bis heute ein hoch aktuelles Forschungsthema ist, wichtig sein, um in Zukunft neue Techniken zu Energiespeichern und neue Windenergieanlagen zu entwickeln“, so Peinke.

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ⓚ Kontakt:
Prof. Dr. Joachim Peinke, Institut für Physik, Tel.: 0441/798-3536, E-Mail: peinke(Klammeraffe)uni-oldenburg.de
 
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