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- Jürgen Heumann:Warum braucht die Universität ein Didaktisches Zentrum? Unübersichtlichkeit und falsche Differenzierung in der LehrerInnenausbildung könnte beseitigt werden
- Peter Singer:Wilhelmshavener Expo 2000 am Meer - am Ende?
- Meyer kontra Dyck:Die Einhaltung der Lehre, ein Artikel und ein offener Brief Papier des Präsidenten löst Kontroverse zwischen den Professoren Joachim Dyck und Ahlrich Meyer Aus / "e;Versteckter Antisemitismus"e;?
Jürgen Heumann: Warum braucht die Universität ein Didaktisches Zentrum?
Unübersichtlichkeit und falsche Differenzierung in der LehrerInnenausbildung könnte beseitigt werden
Der Senat hat sich kürzlich zustimmend zur Einrichtung eines Didaktischen Zentrums geäußert. Was das aber konkret heißt, ist offen und soll den weiteren Beratungen und Vorschlägen in der Gemeinsamen Kommission für Lehrerausbildung (GKL) und der Planungskommission überlassen werden, mit der Tendenz, die Errichtung eines solchen Zentrums zumindest für einen überschaubaren Zeitraum (ca. fünf Jahre) anzugehen.Ich sehe zur Zeit zwei Motive für die relative Zurückhaltung gegenüber der Errichtung eines solchen Zentrums. Das deutlichste Motiv scheint mir das Menetekel drohender Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln zu sein. Das wurde in der Senatsaussprache in Voten deutlich, die sich zwar für eine angemessene personelle und sächliche Organisationsstruktur und Ausstattung aussprachen, als Lösung des Dilemmas aber nicht auf Mittel des Vorab oder der Forschungsförderung verwiesen, sondern auf das Zentrum für pädagogische Berufspraxis (ZpB) als vermeintlichem Relikt aus der Einphasigen Lehrerausbildung. Ein zweites Motiv scheint mir eine sehr unterschiedliche Kenntnis und Einschätzung der gegenwärtigen Situation der Lehrer-Innenausbildung zu sein.
Ich will auf beide Motive kurz hinweisen:
- Die Errichtung eines Didaktischen Zentrums als Zentrale Einrichtung nach §
116 NHG wäre durchaus möglich. Die Finanzhoheit obliegt jedoch den Fachbereichen,
die aus ihren Personal- und Sachmitteln die Ausstattung zur Verfügung stellen
müßten. Es ist nicht zu erkennen, daß die Fachbereiche dazu bereit
wären, was damit zusammenhängen mag, daß sie die LehrerInnenausbildung
in Lehre und Forschung z. T. nur noch am Rande im Blick haben. Von daher ist nachvollziehbar,
daß Vorschläge, das ZpB zum Steinbruch eines Didaktischen Zentrums
zu machen, auf Resonanz stoßen. Nur, bei Auflösung des ZpB bliebe ein
Aufgabenpaket als Scherbenhaufen übrig, das die Probleme in der LehrerInnenausbildung
verschärfen und die Erledigung der vielfältigen Einzelaufgaben (u.a.
differenzierte Praktikumsorganisation für die diversen Lehrämter, Organisation
der Pädagogischen Woche) den Fachbereichen anheimgeben würde. Ein Didaktisches
Zentrum hätte jedoch ganz andere Aufgaben als das ZpB zu erfüllen, so
daß nichts gewonnen wäre, auf die Fachbereiche aber neue Aufgaben zukämen.
- Die LehrerInnenausbildung ist eine Querschnittsaufgabe der Universität, die in alle Fachbereiche hineinreicht. In Oldenburg wird für Lehrämter (Sonderschulen, Grund- und Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien, Berufsbildende Schulen) in 60 - 80 Teilstudiengängen ausgebildet. Die Ausbildung ist aus Sicht von Lehrenden und Studierenden in ihrer Unübersichtlichkeit kaum zu überbieten. Das liegt neben anderem an den unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten zwischen den Fächern, aber auch am Differenzierungsgrad der einzelnen Fachdisziplinen. Neben den Grundwissenschaften Pädagogik, Psychologie und Gesellschaftswissenschaften sind in der Regel zwei bis drei Fachdisziplinen zu studieren, die sich vom Fächerkanon der öffentlichen Schule herleiten. Diese Fachdisziplinen gliedern sich wiederum in drei bis fünf Einzeldisziplinen.
Das Dilemma der Oldenburger Studienorganisation besteht m.E. darin, daß es weder für die Lehre noch für die Forschung eine Institution gibt, die diese Differenzierungen zusammenführt und als Kristallisationsort für die diversen Studiengängen dient. Ein Didaktisches Zentrum könnte ein solcher Kristallisationsort sein. Besonders wichtig wird dies auf dem Hintergrund einer landes- und bundesweit geführten Diskussion zur Reform der LehrerInnenausbildung. So haben schon 1994 die lehrerbildenden Hochschulen in Niedersachsen in einem Memorandum die Einrichtung von Didaktischen Zentren zur Qualitätsverbesserung in Forschung und Lehre gefordert. Hintergrund solcher Forderungen ist die auch für Oldenburg geltende Kritik, daß, wie es Darmstädter Lehramtsstudierende auf einem Symposion im November 1995 benannt haben, "nicht zuviel Wissen, sondern das falsche Wissen" vermittelt und auf die Schule als Lebens- und Lernort zuwenig vorbereitet wird.
Wer, auch auf Oldenburg bezogen, sieht, wie sehr in den einzelnen Studiengängen die LehrerInnenausbildung an der Diplom- und Magisterausbildung orientiert ist, wird die Darmstädter Studierenden verstehen können. Wer in diesem Kontext auch noch bedenkt, wie massiv die Stellen in der LehrerInnenausbildung in den 80er Jahren reduziert oder verlagert wurden bzw. Didaktiker sich anderen wissenschaftlichen Interessen zugewandt haben und Nachwuchsförderung kaum stattfand und stattfindet, muß sich nicht wundern, daß sich allenthalben Kritik zeigt.
In Oldenburg wird von solchen Beobachtungen her seit über einem Jahr über die Einrichtung eines Didaktischen Zentrums diskutiert. Dieses wäre sicher nicht in der Lage, alle Probleme der LehrerInnenausbildung ad hoc zu lösen, es ließe sie jedoch "bearbeitungsfähig" werden. Die GKL hat diverse Vorschläge zur Einrichtung eines Didaktischen Zentrums gemacht und versucht, ein Aufgabenprofil zu umreißen.
Solche Aufgaben wären,
- in der Lehre, Defizite des Lehrangebotes zu analysieren und daraus Konsequenzen
zu erarbeiten (insbesondere bei der Koordination der erziehungs-, gesellschafts-
und fachbezogenen Studienangebote und der schulpraktischen Studien), so daß
Studierenden eine Zusammenschau der Studienanteile theoretisch und berufspraktisch
deutlicher als bisher vor Augen stünde;
- in der Forschung, die wissenschaftliche Auseinandersetzung aller an der LehrerInnenausbildung beteiligten Disziplinen zu koordinieren und damit zu intensivieren, um für die interdisziplinäre Schul- und Unterrichtsforschung Innovationen zu forcieren;
- die Nachwuchsförderung in solche Innovationsprozesse mit einzubeziehen;
- die Fort- und Weiterbildung inhaltlich zu koordinieren und zu fördern, insbesondere auch die Zusammenarbeit mit der an staatlichen Studienseminaren stattfindenden 2. Phase der LehrerInnenausbildung.
Die GKL, der die Wahrnehmung von Koordinationsaufgaben per Gesetz zufällt, kann als Gremium kaum die beschriebene inhaltliche Arbeit leisten. Auch das ZpB hat als Verwaltungseinrichtung hier kaum Möglichkeiten, könnte aber im Rahmen eines Didaktischen Zentrums Organisations- und Serviceleistungen übernehmen und somit den organisatorischen Rückhalt bieten. Als Mitglieder könnten seitens der Lehrenden alle an der LehrerInnenausbildung Engagierten mitwirken, ohne daß die haushaltsrechtlichen Zuordnungen zu den Fachbereichen tangiert würden. Die Oldenburger Fach-zu-Fach-Zuordnung bliebe erhalten und würde durch ein Didaktisches Zentrum neue Impulse bekommen. Die Organisation eines solchen Zentrums ließe sich auch über Arbeitsstellen ermöglichen, nicht zuletzt, um Projekte fach- oder fachbereichsübergreifend zu realisieren und damit überschaubare Arbeitszusammenhänge zu erhalten. Eine personelle Ausstattung solcher Arbeitsstellen könnte sich aus Drittmitteln ergeben. Bei (hinsichtlich der Nachwuchsförderung dringend benötigten) Abordnungen von Lehrerinnen und Lehrern aus dem Schuldienst müßten die Fachbereiche solche Abordnungsstellen dem Didaktischen Zentrum zuweisen.
Die gegenwärtigen Diskussionen in der GKL sehen als Organisationsmodell für ein Didaktisches Zentrum die Einrichtung nach 117 NHG vor. Der Senat könnte die GKL oder eine eigens eingesetzte Kommission mit der Aufsicht beauftragen und so die Verantwortung und Zuständigkeit für die Belange der LehrerInnenausbildung als gesamtuniversitäre Aufgabe unterstreichen. Angesichts der angespannten Finanzlage würde dies die zügige Realisierung eines solchen Zentrums ermöglichen, ohne sich in lähmenden Verteilungskämpfen um Stellen und Ressourcen zu erschöpfen.
Ob eine solche Organisation dem Anspruch einer Reform der LehrerInnenausbildung genügen kann, mag kritisch gesehen werden. Ein Einstieg in die Reform wäre sie allemal.
Prof. Dr. Jürgen Heumann (Religionspädagogik) ist Vorsitzender der GKL
Peter Singer: Wilhelmshavener Expo 2000 am Meer - am Ende?
Nach mehrjähriger Vorbereitung steht fest, daß sich die bisherige Konzeption einer Expo am Meer in Wilhelmshaven nicht verwirklichen läßt. Wie die niedersächsische Landesregierung nunmehr erklärt, steht die dafür vorgesehene Schleuseninsel nicht zur Verfügung. Mit einer nennenswerten finanziellen Unterstützung ist nicht zu rechnen. Damit entfällt auch die Aussicht, zusätzliche Bundes- und EU-Mittel einzuwerben. Eine Übernahme der Kosten durch die Stadt ist auch mit möglichen Zuwendungen Dritter, so der regionalen und überregionalen Wirtschaft, bei der kritischen Haushaltslage Wilhelmshavens nicht denkbar.Das Scheitern einer guten Idee ist bedauerlich, sollte doch die Expo 2000 am Meer mit der Präsentation maritimer Probleme und Lösungen im Küsten- und Meeresschutz, der Klimaveränderungsfolgen, der Seeverkehrs- und Hafentechnik, der Nahrungs- und Energiegewinnung, aber auch der Bereiche Wohnen, Arbeiten und Erholung am Wasser das Thema der Weltausstellung in Hannover "Mensch, Natur, Technik" standortgerecht an der Küste ergänzen. Darüber hinaus waren von einer Expo 2000 am Meer Impulse zur dringend notwendigen weiteren Entwicklung der strukturschwachen Küstenregion zu erwarten.
Die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg war an den Vorbereitungen von Anfang an beteiligt und bereit, ihre inzwischen national und international anerkannte Kompetenz in der Küsten-, Meeres- und Klimaforschung einzubringen. Es ist schwer verständlich, warum das Land zwar das Angebot Wilhelmshavens stets mit Wohlwollen begleitete, eine konkrete Unterstützung aber ausblieb. Damit wurde die Chance vertan, die Expo 2000 in Hannover publikumswirksam zu ergänzen und darauf aufmerksam zu machen, daß Niedersachsen auch Küstenland ist. Eine wirksame Unterstützung wäre schließlich von den Menschen der Region auch als politisches Signal der Landesregierung verstanden worden, einem Raum bei der Überwindung seiner Strukturschwächen zu helfen.
Der Aufsichtsrat der Expo am Meer GmbH, in dem die Universität über die Universitätsgesellschaft vertreten ist, hat am 17. November 1995 Bilanz gezogen und feststellen müssen, daß unter den gegebenen Umständen die Geschäftsgrundlage für eine weitere Arbeit an der bisherigen Konzeption entfallen ist. Er wird der Gesellschaftsversammlung im Januar 1996 die Auflösung verschlagen. Mit dieser bedauerlichen, aber unumgänglichen Entscheidung sollten die Bemühungen des Rates und der Verwaltung der Stadt Wilhelmshaven um Weiterentwicklung nicht enden, sondern sich möglicherweise in einem weiteren regionalen Rahmen neue Überlegungen zur Stärkung des Raumes anschließen.
Peter Singer, Aufsichtsratsmitglied Expo am Meer GmbH
Meyer kontra Dyck: Die Einhaltung der Lehre, ein Artikel und ein offener Brief
Papier des Präsidenten löst Kontroverse zwischen den Professoren Joachim Dyck und Ahlrich Meyer aus /"e;Versteckter Antisemitismus"e;?
Mit einem offenen Brief hat der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Ahlrich Meyer auf einen Artikel des Germanisten Prof. Dr. Joachim Dyck reagiert. Dyck hatte sich in der Frankfurter Rundschau vom 26.10.1995 unter dem Titel "Was ist eigentlich 'schlechte Lehre'?" mit dem Papier von Prof. Dr. Michael Daxner zur Einhaltung der Lehrverpflichtung der HochschullehrerInnen kritisch befaßt und den Artikel im KollegInnenkreis verteilen lassen. In der Presse war das Papier (s. UNI-INFO Juli 95) wiederholt zitiert worden.Dyck schreibt in seinem Artikel u.a.: "In den Formulierungen dieses Papiers wird eine Vorstellung ausgelebt, die die Universität ihres traditionellen Selbstverständnisses beraubt und sie in eine historische Reihe mit Armee und Fabrik stellt, wobei die Phantasie von der Macht in unglücklich gewählten Wörtern ihren sichtbaren Ausdruck findet. Denn nachdem den Dekanen auch noch die Meldepflicht über 'ergriffene Maßnahmen' aufgebürdet und die Studentenschaft aufgefordert worden ist, sich im Falle von Unzufriedenheit bei der Studienberatung zu beschweren, heißt es im Text: 'Dies ist keineswegs eine Denunziation, sondern die selbstverständliche Wiederherstellung eines rechtsförmigen Zustands für die Studierenden und den Fachbereich selbst. Ich werde nicht zögern, die angemessenen dienstrechtlichen und ggf. disziplinarrechtlich gebotenen Maßnahmen zu ergreifen.' Interessant ist die geistige Unbefangenheit, mit der ein Universitätspräsident von der 'Wiederherstellung eines rechtsförmigen Zustands' spricht, ohne beim Diktieren sofort an das 'Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums' vom 7. April 1933 zu denken, eine historische Formulierung von Unrecht, die gerade die rechtliche Sicherung des Berufsbeamtentums in Deutschland unterhöhlte."
Meyer erwidert darauf in seinem Brief: "Die umstrittene Aufforderung an die Dekane ist eine Sache; dem eventuellen, keineswegs ganz unwahrscheinlichen Versäumnis der Dienstpflichten von Hochschullehrern mit der Anordnung zu begegnen, daß Lehrveranstaltungen, die wegen Krankheit ausgefallen sind, später nachgeholt werden sollen, entspringt - soweit bin ich mit Ihnen einverstanden - einer Mentalität, die an frühkapitalistische Zustände erinnert." Eine andere Sache sei aber der Bezug zwischen den Formulierungen des Präsidenten ("Wiederherstellung eines rechtsförmigen Zustands") und dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums", den er "infam" nenne."
Es sei ihm unerfindlich, so Meyer, wie Dyck die Entlassung jüdischer Beamter und Hochschullehrer während der ersten Terrorwochen der Naziherrschaft mit dem Ansinnen des Universitätspräsidenten in Verbindung bringen möge, das vielleicht in schlechter Sprache daherkomme und geltenden Dienstvorschriften wiedersprechen dürfte, "aber weder Ihre noch meine rechtliche 'Sicherung' als Berufsbeamter 'unterhöhlt'". Meyer fragt, warum hier Parallelen zum Berufsbeamtentum im Nationalsozialismus bemüht würden, die historisch völlig unhaltbar seien. Zwei Möglichkeiten der Interpretation ließen sich denken: "Entweder entspringt Ihr hergeholter Vergleich jener Larmoyanz, mit der sich Leute, die alle Privilegien genießen, stets noch als Opfer ausgeben; oder er funktioniert im Rahmen eines geschichtsrevisionistischen Diskurses, der die Banalisierung dessen betreibt, wovor er zu warnen vorgibt. Oder - das wäre die dritte Möglichkeit, die ich gerne ausschließen möchte - sollte es sich bei Ihrer Präsidentenschelte um eine versteckte Form des Antisemistismus handeln?"