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Hochschulpolitik

"Orchideenfächer nicht radikal wegrationalisieren"

Interview mit Detlef Müller-Böling vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE)

Das vor zwei Jahren gegründete "Centrum für Hochschulentwicklung" (CHE), das von der Bertelsmann-Stiftung und der Hochschulrektorenkonferenz getragen wird, will Denkanstöße zur Umgestaltung der Universitäten gegen. Das CHE ist im Wissenschaftlichen Beirat zum Modellversuch Globalhaushalt an niedersächsischen Universitäten vertreten. Aus Anlaß der Tagung "Einsatz von Indikatoren in Forschung, Lehre und Verwaltung an Hochschulen" war der Leiter des CHE, Prof. Detlef Müller-Böling, im März an der Carl von Ossietzky Universität. Die Fragen stellte Volker Siefert.

UNI-INFO: Herr Müller-Böling, bevor Sie vor zwei Jahren die Leitung des CHE übernahmen, waren Sie Direktor der Universität Dortmund. Welche Erfahrung aus dieser Zeit hat Sie am meisten genervt?

MÜLLER-BÖLING: Daß die Hochschule selbst und ich als Rektor zu wenig tun konnten. Die Entscheidungsspielräume sind außerordentlich begrenzt durch eine Überfülle von Regelungen, die die Hochschulen strangulieren.

UNI-INFO: Sehen sie in dem Modellversuch "Finanzautonomie", wie er an der Universität Oldenburg unternommen wird, eine Möglichkeit, Handlungsfähigkeit wiederzuerlangen?

MÜLLER-BÖLING: Das ist auf jeden Fall ein sehr großer Schritt in die richtige Richtung. Hier in Oldenburg soll die Universität weitestgehende Autonomie bekommen. Das CHE wurde sowohl von der Landesregierung als auch von der Universitätsleitung gebeten, im wissenschaftlichen Beirat den Vorsitz und die Geschäftsführung zu übernehmen. Von daher begleiten wir konstruktiv diesen Modellversuch, indem wir die Landesregierung und die Universität beraten, wie sie mit der Autonomie umzugehen haben.

UNI-INFO: Welche Veränderungen haben sich aus Ihrer Sicht durch die Einführung des Globalhaushaltes schon eingestellt?

MÜLLER-BÖLING: Zunächst muß man das als eine Veränderung in den Köpfen begreifen. Die einzelnen Hochschullehrer fangen an sich zu fragen: Wofür wird das Geld ausgegeben, was sind die Leistungen der Hochschule, und, was kostet das? Wir haben es mit einem grundlegenden Wandel in der Steuerung des Systems Hochschule zu tun. Der Staat hat über den Haushalt bisher Vorgaben gemacht, und dann erwartet, daß die Menschen sich entsprechend dieser Vorgaben verhalten. Oder es wurden Berufungen vorgenommen, mit denen Entscheidungen für die nächsten 30 Jahre gefällt wurden. Dies war ein System, daß für stabile Umweltverhältnisse hervorragend geeignet war. Bei der dynamischen Situation, die wir jetzt haben - sich ständig verändernde Herausforderungen an die Studiengänge, bei knapper werdenden Mitteln - ist diese System nicht mehr erfolgreich.

UNI-INFO: Welche Änderung bei der Steuerung halten Sie für notwendig?

MÜLLER-BÖLING: Man hat bislang Universitäten sehr stark über den Input gesteuert. Bei den Berufungsverfahren hat man die Mittel, die einem Hochschullehrer zur Verfügung stehen, für die nächsten Jahrzehnte festgeschrieben, egal, ob dieses Wissensgebiet von der Gesellschaft in der Zukunft nachgefragt wird. Es muß jedoch flexiblere Möglichkeiten zur Nachsteuerung geben.

UNI-INFO: Neue Regulierungen im System Hochschule setzen Leistungsüberprüfungen voraus. Wie können die aussehen?

MÜLLER-BÖLING: Im Hochschulbereich ist es außerordentlich schwierig, Leistung zu bemessen. Hier dienen Tagungen wie die in Oldenburg oder Erfahrungen aus dem Ausland, wo man weiter ist, zur Klärung. Ein Ansatz sind zum Beispiel die bibliometrische Messungen: Wie ist ein Studiengang international in Fachzeitschriften durch Zitationen ausgewiesen? Dabei geht es sowohl um Quantität, aber auch um Qualität der Publikationen. Daraus kann man bestimmte Felder erarbeiten, auf denen man sagen kann: Hier liegt der Studiengang im europäischen Schnitt oder darunter.

UNI-INFO: Kann auch die Verweildauer der Studenten bis zum Examen ein Leistungsindikator sein?

MÜLLER-BÖLING: Die Geschwindigkeit des Studiums ist für mich nie ein Kriterium gewesen. Hier wird an einer falschen Stelle angesetzt. Auch halte ich die Mittelzuteilung Anhand der Anzahl der Absolventen, wie das in Nordrhein-Westfalen der Fall war, nicht für den richtigen Weg. Es geht um die Qualität der Absolventen: Inwiefern kümmert sich die Hochschule um die individuelle Förderung? Das kann auch bedeuten, frühzeitig dem Studierenden mitzuteilen, daß er für das gewählte Studienfach nicht geeignet ist.

UNI-INFO: Leistungsüberprüfung von Hochschullehrern macht nur dann Sinn, wenn nicht erbrachte Leistungen sanktioniert werden können. Wie paßt das zum deutschen Beamtenrecht?

MÜLLER-BÖLING: Ich halte es nicht für unbedingt notwendig, daß ein Hochschullehrer Beamter ist. Ich habe nur deswegen Zweifel, ob man an dieser Stelle ansetzen sollte, weil es relativ unwahrscheinlich ist, daß wir mit einer Reform des Beamtenrechts Erfolg haben werden.

UNI-INFO: Wo kann dann angesetzt werden?

MÜLLER-BÖLING: Beim Wettbewerb zwischen den Hochschulen. Wir leben in der Fiktion, daß alle Hochschulen gleiche Qualität produzieren. Jeder weiß, daß es Unterschiede gibt in der Ausbildung. Diese Unterschiede müssen begehbar werden. Dabei geht es nicht nur um ein vertikales Besser oder Schlechter, sondern auch um Unterschiede in horizontaler Richtung, um ein Andersartig.

UNI-INFO: Wirtschaftsberater führen heute die Diskussion über Kostensenkung unter dem Schlagwort "Verschlankung". Sehen Sie darin die Lösung der Probleme?

MÜLLER-BÖLING: Nein. Ich fordere weniger Staat. Nicht den Abbau von Ressourcen für die Hochschulen. Zwar können durch Veränderung der Verwaltungsstrukturen Einsparungen zustande kommen, aber durch Rationalisierung allein sind die Probleme der Hochschule nicht lösbar. Die Politiker glauben, daß Abbau von Personal das Allheilmittel ist. Das ist ein absoluter Irrglaube. Wir brauchen in einer wissenschaftbasierten Gesellschaft die Investition in die Hochschule.

UNI-INFO: Wie kann die Paradoxie überwunden werden, daß die Gesellschaft einerseits von Wissenschaft immer stärker durchdrungen wird, andererseits aber kaum noch Notiz von ihr nimmt?

MÜLLER-BÖLING: Die Wissenschaft sollte selbstkritischer mit sich umgehen und sich leistungsorientiert neu strukturieren. Das bedeutet nicht, daß Orchideenfächer radikal wegrationalisiert werden, aber auf der anderen Seite dürfen sich Wissenschaftler nicht in Nischen zurückziehen und gar nichts mehr tun. Das könne wir uns nicht mehr leisten. Wenn die Hochschulen es wieder schaffen sich nach außen als leistungsorientierte Einheit zu präsentieren, werden sie auch die entsprechende Anerkennung in der Gesellschaft bekommen.

Sparen: Von Reisekosten bis Prestige-PC's

Michael Daxner: Besitzstände dürfen nicht mehr tabu sein

Kürzlich hat Präsident Prof. Dr. Michael Daxner eine "Hochschulpolitische Einschätzung der Situation nach dem Einstellungsstopp" vorgelegt. Uni-Info dokumentiert den Bericht in Auszügen:

1 Mit der Verhängung des Einstellungsstopps hat die Landesregierung eine nur vom Zeitpunkt her überraschende Konsequenz aus einer Haushaltssituation gezogen, die seit Monaten auch in der Dimension bekannt war. (...) Das MWK hat erwirkt, daß die auf die Hochschulen entfallenden Summen auch als monetäre Zusatzleistung erbracht werden können, also im bisher praktizierten Summenmodell. (...)

Die folgende Tabelle zeigt den relativen finanziellen Rangplatz der Universität Oldenburg. Dabei kann man sehr deutlich merken, daß wir gegenüber den Gesamtansätzen in den beiden letzten Jahren relative Zuwächse verbuchen konnten. Dies ist ein Erfolg der Universität, aber auch ein Glaubwürdigkeitsbeweis des Ressorts in bezug auf Regionalisierung; es ist kein Vertrauensbeweis in die Finanzpolitik des Kabinetts, das uns keinen Raum zur Weiterentwicklung läßt und m.E. die Prioritäten falsch setzt.

Haushaltsvolumen ohne Drittmittel (in Mio. DM, auf- bzw. abgerundet)

Jahr Alle Hochschulen Oldenburg
1989
1990
1994
1996
1681,03
1759,59
2138,20
2107,60
98,66
105,60
136,58
141,30

2 (...) Die Konsequenzen:

a. Auf der Ebene des nationalen Hochschulsystems und in den einzelnen Bundesländern stellt sich die Frage, wie weit der Staat im bisherigen Umfang die bestehenden wissenschaftlichen Einrichtungen unter Aufrechterhaltung sowohl von Qualität als auch von Zugangsmöglichkeiten überhaupt bezahlen kann. Die Finanzkrise überholt regelmäßig die unter restriktiven Bedingungen angefertigten Planungskonzepte. Beispielsweise hat der im Prinzip solide und richtige Strukturplan des niedersächsischen MWK 1995 noch gar keine Chance gehabt, wirklich operationalisiert zu werden, da wird er durch eine neuerliche Haushaltskrise sämtlicher empirischer Grundlagen beraubt. Das führt bei den Hochschulen zu einer Planungsunsicherheit, die für "langsame Systeme", wie es wissenschaftliche Einrichtungen sind, fatale Auswirkungen haben muß. (...)

c. Auf der anderen Seite bedeuten die Kürzungen einen Substanzverlust, der die Handlungsstrategien jedes einzelnen Faches, jeder Organisationseinheit und der Institutionen als ganze nachhaltig beeinflussen muß. Nach welchen Kriterien bemessen wir die Leistungsfähigkeit von Fächern, Studiengängen, Personen, Strukturen? In vielen Fällen hat ein mehr oder weniger vager Bundesdurchschnitt die Meßlatte dargestellt, in anderen ein Ausstattungsvergleich, wiederum in anderen das Ergebnis von Evaluationsverfahren. (...)

Aus der unbestrittenen Aussage, daß die meisten Indikatoren keine unmittelbare Auswirkung auf Finanzentscheidungen haben sollen, sondern bloß eine hochschulpolitisch und "akademisch" vermittelte, wird oft der falsche Schluß gezogen, daß die Autonomie der Subsysteme in einer Hochschule sich bereits in der Legitimation des Selbstverständnisses erschöpft. Beispiel: Sind die Zahlen der Studierenden in einem Fach unverantwortlich niedrig, wird ein weiterer Bestand des Faches durch seine herausragende Forschungsleistung oder durch seine politische Bedeutung begründet. Nicht mit gesagt wird aber, welche veränderten Finanzbedingungen für den Weiterbestand eines solchen Faches gegeben wären, würde diese Argumentation anerkannt. Umgekehrt nehmen studentenstarke Fächer sehr oft ihre Überlastung im Studium zur Legitimation, warum sie unterdurchschnittliche Einnahmen aus Drittmitteln haben und darüber hinaus schlechte "Performance-Indikatoren" im Output-Bereich, z.B. Abschlüsse, haben. Was haben denn diese Argumente mit der Finanzausstattung zu tun? Sie werden umso relevanter, je stärker die Mitsprache der dezentralen Organisationseinheiten bei der Gestaltung des Haushaltes wird. Hierin lag bereits in der Versuchsphase die Chance des Globalhaushalts, und entgegen aller populären Rhetorik wird diese Chance ja von allen Beteiligten gleichermaßen genutzt, allerdings in vielen Fällen bereits mit einer hohen Frustration derer, die keinerlei positive Indikatoren für ihre eigene Sache vorweisen können. Wenn nun bestimmte Grundausstattungsmittel unterschritten werden, hat eine Rationalisierung dieser Diskussion immer weniger Sinn, weil man dann die gängigen Optionen gar nicht mehr real entscheiden kann; als da z.B. wären: Stärkung der wirklich funktionstüchtigen und wirtschaftlich arbeitenden Einrichtungen, deren besondere Qualität gerade darin besteht, keine Abstriche von der wissenschaftlichen Qualität zu machen, sondern "Spitzenpositionen" als Organisationsprinzip anzustreben bemüht sind; oder, im Gegenteil, relatives Zurückschneiden dieser starken Einrichtungen zugunsten der Stützung von schwach ausgestatteten, mit höherem Nachholbedarf versehenen Einrichtungen.

Ein anderes Beispiel: Die Diversifizierung und multifunktionale Verwendung von Personal oder starke Konzentration auf Schwerpunkttätigkeiten und Engführung der Aufgabenübetragung; Verteilung der Spin offs von Neuentwicklungen und großen Einwerbungen über alle Organisationseinheiten der Universität, oder Verbleib der zusätzlichen Einnahmen bei den Stellen, die sie einwerben usw. Diese Entscheidungen können nicht allein aus den Blickwinkeln der dezentralen Akteure getroffen werden, ebensowenig können sie einem abstrakten gesamtuniversitären Entwicklungskonzept untergeordnet werden, sondern das Gebot der Stunde besteht ja darin, diese interne Ressourcenplanung immer wieder über die landespolitischen Gegebenheiten zu adjustieren und zu korrigieren. (...) Wenn wir etwas aufrechterhalten oder ausbauen wollen, dann muß es mit den knappen Ressourcen ohne große Zuwachserwartung mit der entsprechenden Arbeitsleistung von vorneherein versehen werden. Und diese kann sich nicht einfach nach dienst- und arbeitsrechtlichen Normen, der Regellehrverpflichtung oder dem Gewohnheitsrecht orientieren, sondern was notwendig ist, muß getan werden, und Besitzstände dürfen dann nicht mehr tabu sein (das gilt für alle Ebenen). Wenn wir aber meinen, daß Fächer eingestellt, Dienstleistungen abgebaut, oder Studiengänge eingeschränkt werden sollen, dann muß ein solcher Vollzug so rasch geschehen, daß es tatsächlich strukturierende Auswirkungen gibt, und daß bei einem solchen Abbau soziale Gesichtspunkte immer im Licht der Auswirkungen auf die Gesamtstruktur der Universität und nicht isoliert betrachtet werden.

d. Aus der Sicht der Studierenden stellt sich die Situation noch einmal anders dar. (...) Um die Mehrzahl der Studentinnen zu motivieren, ihre hochschulpolitische Sache in die eigene Hand zu nehmen, ist nicht die politische Studentinnenvertretung der Hauptakteur, sondern eine fordernde, verbindliche und auch am individuellen Mehrwert der Ausbildung interessierte Präsenz. Es liegt an uns, diese Studierfähigkeit zu stimulieren und herzustellen, wir können nicht davon ausgehen, daß sie einfach mitgebracht wird, denn so wie die Studienberechtigung noch keine Studierfähigkeit bedeutet, ist die Befreiung zum erwachsenen Studentendasein noch nicht die Wissenschaftsfreiheit für die Studierenden. Am Beispiel der studentischen Mitwirkung an der Evaluation können wir sehen, wie sinnvoll und gut die Präsenz der Studierenden in inhaltlichen Fragen ist, und die Verbindlichkeit des Lehrangebots wird sich erheblich steigern, wenn die Studierenden ein maßvolles Mitbestimmungsrecht an der biographischen Karriere ihrer Lehrenden hätten, wie das an amerikanischen Spitzenuniversitäten selbstverständlich ist. (...)

3 Nun ist die Frage, was das für eine Universität alles konkret und in überschaubaren Zeiträumen bedeutet. (...):

  • Auf der Budgetebene der Hochschule haben wir durch eine rasche Verständigung über das Vorhalten von Geldern für den "worst case" ein Diskussionsfeld geschaffen, das von Eifersucht und engen Fach- und Organisationsinteressen frei ist oder zumindest sein kann. Wir müssen es nutzen. Dabei geht es nicht nur darum, die kargen Ressourcen nach einem möglichst rationalen Schlüssel neu zu ordnen. Wir müssen überprüfen, welche Belastungen ohne Kompensation uns noch zuzumuten sind, und dürfen uns dabei nicht nur an den eigenen subjektiven Gerechtigkeitsempfindungen orientieren, sondern an den nicht veräußerlichen Rechten derer, die uns anvertraut sind, sowie an dem, was wir in Forschung und Akquisition von Drittmitteln erreichen müssen, um mittelfristig finanziell zu überleben. Ein stolzes Verweigern von Niveau oder eine innere Kündigung ist weder gerecht gegenüber denen, die auf unsere Arbeit angewiesen sind, noch verbessert es unsere Situation.

    Konsequenz: Einigung über qualitatives Mindestsoll, über Bereiche, an denen uns jenseits unserer individuellen Interessen für die ganze Universität liegt, Konsensbildung über die Indikatoren, die nicht vergangene Erfahrungen allein zur Grundlage haben, sondern künftigen Bedingungen Rechnung tragen. (...)

  • Wenn uns die Kürzungen von außen auferlegt werden, dann bedeutet das im Inneren eine äußerst sparsame Verwendung von Mitteln dort, wo das Überflußsystem Wissenschaft nicht auf ihren großzügigen Einsatz zwingend angewiesen ist. Da gibt es für jedes Fach, jeden Fachbereich und jede Organisationseinheit ganz unterschiedliche Kriterien, weshalb es eine Anmaßung der zentralen Verwaltung oder der Hochschulleitung wäre, hier generelle Richtlinien zu bestimmen. Aber jede Organisationseinheit soll sich Gedanken darüber machen, wo, wenn nicht gekürzt, so doch gespart werden kann. Das reicht von Reisekosten über eine prestigehafte Vermehrung von PCs, bevor die alten wirklich vernutzt sind, bis hin zu Fragen, wie weit wir uns eine Lehrbeauftragtenkultur leisten sollten, wenn die hauptamtlichen Lehrenden ihr Studienangebot teilweise noch immer fern ihrer Denomination anbieten. (...)
  • Allerdings verlangt die Konkurrenz der Hochschulen untereinander, daß die Institution als Ganze ihre Attraktivität erhält. Wenn wir jetzt um Studierende werben, dann sichern wir damit ganze Fächer ab (Input-Faktor). Was bieten wir ihnen, das andere ihnen nicht bieten? Und: Wie können wir sie bewegen zu bleiben, wenn sie vergleichen können? (...)
4 (...) Die Spielräume bei einem Personalhaushalt von knapp unter 100 Mio. DM sind gering; der Sachmittelhaushalt nach Ablieferung der ersten Einsparungstranche beträgt knapp 10 Mio. DM. Durch Fächereinstellungen kann kurzfristig fast nichts gespart werden. Solange Inputfaktoren, z.B. Neueinschreibungen, noch so sehr finanzrelevant sind, bedeutet die nötige Studentenwerbung eine notwendige Verdichtung der Arbeit und eine Steigerung der uns abverlangten Ausbildungsleistung, oder wir drehen bewußt die Qualitätsschraube nach unten. Die Konzentration von Fächern an weniger Standorten macht nur dann Sinn, wenn nach einer Erhöhung von Kapazität und Personaleinsatz das vereinigte Fach in absehbarer auch nach dem Wegfall der damit verbundenen k.w.-Politik noch gut ausgestattet und leistungsfähig ist. Daraus ergibt sich die Maxime, nicht nach dem Nutzen möglicher Streichungen für den "Rest" zu fragen, sondern positiv zu definieren, was wir erhalten und fördern wollen und dies auch in Angriff zu nehmen. (Dann wird sich zeigen, was wir wirklich nicht behalten können und wollen.) (...)

Wir müssen, so paradox es manchem erscheinen mag, die Vorteile des Globalhaushalts weiter ausnutzen und vor allem der staatlichen Exekutive ganz deutlich machen: Sie gefährdet den Versuch, und nicht eine inneruniversitäre Ablehnungsfront. (...) Nur: die reale Alternative, jetzt aus dem Modellversuch auszusteigen, haben wir höchstens auf dem Papier.

Wir sollten überprüfen, ob die sehr hohe Belastung durch Gremienarbeit, mit teilweise überschneidenden Kompetenzen, nicht noch einmal überdacht wird: mehr Entscheidungen bei den Kommissionen, Reduktion der Senatsarbeit auf die wirklich gesamtuniversitär relevanten Fragen, mehr konkrete Beauftragungen von Expertinnen für konkrete Problemlösungen mit befristetem Mandat.

Öffentlichkeitsarbeit, Auslandskontakte, Verankerung in Fach- und Fördergesellschaften, offensive Leistungsdokumentation und Werbung um Mithilfe vor allem bei regionalen Institutionen und Förderern sind ebenso wichtige Elemente, unsere Reputation zu erhöhen, wie sie legitimieren, daß wir als Akteure auch auf dem Markt erscheinen. Dafür müssen wir auch symbolische und reale Anerkennungen denen zuteil werden lassen, die ihrer Universität Hilfe zukommen lassen. Hierzu einige Vorschläge:

  • Alle Mitglieder und Angehörigen der Universität, die es noch nicht sind, werden umgehend Mitglieder der Universitätsgesellschaft (...);
  • Lehrende übernehmen ehrenamtliche Mentorenpatenschaften für Erstsemestrige. Hochschulangehörige stellen für Austauschsemester Unterkunft für ausländische Studierende von Partneruniversitäten zur Verfügung.

Auf einer ganz anderen Ebene liegen Maßnahmen, die eine sehr hohe Verbindlichkeit und strukturelle Folgen haben. Für das wissenschaftliche wie das dienstleistende Personal gilt gleichermaßen, daß eine hohe Qualifikation oft nicht auf die richtigen Adressatinnen trifft. Die interne Umqualifikation kann bedeuten, daß sich jemand in ein neues Lehrgebiet einarbeiten muß, um den Anforderungen eines neuen Stuudiengangs etc. zu entsprechen. Für den MTV-Bereich bedeutet das, vorausschauende neue Qualifikationen anzulegen und in der Weiterbildung durchzuführen. Dabei ist es auch sinnvoll, wenn Wissenschaftlerinnen der Hochschulplanung, -organisation oder Dienstleistung ihre Kompetenz anbieten, ohne gleich Kompensation oder Entlastung auf anderen Gebieten zur Bedingung zu machen. Es ist auch daran zu denken, Emeritae zur verstärkten Mitarbeit zu gewinnen, soweit dies nicht ohnedies der Fall ist.

Wichtig ist dabei eines: Wir müssen diese Anstrengungen öffentlich machen und zugleich darauf bestehen, daß diese "echten" Einsparungen nicht gegen eine bestehende Unterfinanzierung aufgerechnet werden.

Ein letztes. Es werden, oft zu Recht, bisweilen mutwillig, ein schlechtes Verhandlungsklima und Kommunikationsschwierigkeiten beklagt. (...) Eine Ursache solcher Schwierigkeiten liegt sicherlich darin, daß fast alle Beteiligten bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit belastet sind und dementspechend mehr Frustration als Anerkennung erfahren. (...) Die Hochschulleitung im weiteren Sinn, also nicht nur der Präsident, erfahren eine weitere Ursache: Wir sollen oft Konflikte regeln, um die Auseinandersetzung von den betroffenen Kolleginnen abzuziehen, quasi als Schiedsrichter also agieren. (...) Auf diese Weise wird die eigene Streitkultur beerdigt und der Hochschulleitung eine Aufgabe zugemutet, für die sie weder qualifiziert noch kompetent noch legitimiert ist.

Einige Vorschläge zur Bildung von Vertrauen, keinesfalls aus der Trickkiste gegriffen:

  • Hochschulpolitische Fraktionen sollen erst untereinander ihre unterschiedlichen Positionen austragen, bevor eine direkt an die Hochschulleitung geht; (...)
  • informelle Gesprächsrunden sind erwünscht und müssen nicht immer alle Betroffenen vereinen, sondern die, die sich auch aktiv nach einer Übereinkunft engagieren wollen. (...) Wichtig ist, daß solche Nicht-Gremien - "Adhocracy" - nicht konspirativ tagen, sondern daß Vertraulichkeit und Öffentlichkeit vorher normiert werden. (...)
  • Kolleginnen informieren einander: das Prinzip der Offenlegung dessen, woran frau gerade arbeitet, fördert den Respekt vor der eigenen Arbeit und der von anderen - Synergie nicht ausgeschlossen, Kritik auch nicht.

Was hat das alles mit der Haushaltslage zu tun? Kurzformel: Es ist nicht unser Geld, aber unsere Universität, und wenn wir nicht in unser Eigentum eintreten, wie können wir dann Verständnis vom "großen" Eigentümer, der Öffentlichkeit und der jungen Generation, verlangen?


Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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