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Aus Wissenschaft und Forschung

"Dem Einfluß des Menschen" mit Managementstrategien begegnen

Auf zwei interdisziplinären Tagungen diskutierten Küstenforscher über weltweite Klimaveränderungen und Konflikte in den Küstenregionen

Die ökologischen und ökonomischen Folgen des Klimawandels für die Küstenregionen und mögliche Handlungsalternativen zur Abwendung von Katastrophen standen im Mittelpunkt zweier interdisziplinärer Tagungen, die vom 15. bis 17. Mai an der Universität Oldenburg stattfanden. Veranstalter war die am ICBM unter Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Ebenhöh und Dr. habil. Horst Sterr angesiedelte Arbeitsgruppe "Klimaänderung und Küste".

Welche Veränderungen bei einem Meeresspiegelanstieg, bei häufigeren und intensiveren Sturmflutereignissen, Extremwasserständen und Windverhältnissen im Nord- und Ostseeraum bislang abzusehen sind und welche Konsequenzen diese für die Küstenbevölkerung und den Küstenschutz nach sich ziehen, stand im Mittelpunkt der ersten Tagung am 15. Mai. Nach den ersten jetzt vorgestellten Forschungsergebnissen ist sowohl von einer signifikanten Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs (von bisher 15-20 cm auf etwa 50 cm im nächsten Jahrhundert) als auch von einer Zunahme der Sturmfluten auszugehen, wobei die Nordseeküste mehr betroffen sein dürfte als die Ostsee. Die möglichen Risiken einer solchen Entwicklung würden große Gebiete und zahlreiche Städte an Nord- und Ostsee, darunter die Ballungsräume Bremen, Hamburg und Rostock, gravierend betreffen.

Da ohne eine Verstärkung der Anstrengungen im Küstenschutz langfristig viele tausend Menschen konkret gefährdet sein werden und Milliardenverluste an Sachwerten drohen, waren sich die Wissenschaftler mit den anwesenden Vertretern aus Länderministerien und Ämtern einig, daß die Küstenschutzplanungen schon jetzt diese klimatischen Aspekte umfassend einbeziehen müssen. Neben spezifischen Kosten-Nutzen-Analysen für einzelne Maßnahmen geht es auch darum zu verhindern, daß Küstenschutzbauten und -eingriffe, die zur spontanen Gefahrenabwehr gedacht sind, später weitreichende Negativeffekte (Tidenhubvergrößerung, Erosion, Gewässereutrophierung etc.) in ihrem Umfeld hervorrufen. Um die möglichst optimale Realisierung von Schutz und Erhaltung der natürlichen Dynamik entlang der Küste zu erreichen, wurde von beiden Seiten, d.h. von Wissenschaftlern und Entscheidungsträgern, die Entwicklung eines sogenannten Integrierten Küstenmanagement Konzepts angeregt. Speziell für Niedersachsen und Schleswig-Holstein wurden auf der Tagung schon erste Modellansätze vorgestellt.

Auf der zweiten Tagung des "Arbeitskreises Meere und Küsten" am 16. und 17. Mai wurden dann zahlreiche Detailaspekte zur Prozeßdynamik unterschiedlicher Küstengebiete und die vom Menschen verursachten Systemänderungen bzw. Risiken erörtert, und zwar an so unterschiedlichen Räumen wie Ostfriesland, Elbmündung, Insel Memmert, Halbinsel Zingst (Mecklenburg-Verpommern), türkische Küste, Bangladesh und Brasilien. Auch hierbei kristallisierte sich deutlich die Notwendigkeit heraus, den Einfluß des Menschen, der ohnehin nicht mehr zurückzudrängen ist, mit Hilfe von Managementstrategien so zu steuern, daß die Nutzung der Küstenraumressourcen mit deren Schutz und der ökologischen Stabilität des Naturraums möglichst optimal in Einklang steht. Als Beispiel dafür wurde das in Schleswig-Holstein praktizierte System des Salzwiesenmanagements vorgestellt, das gleichermaßen den Zielen sowohl des Küstenschutzes als auch des Naturschutzes und der Landwirtschaft dient.

Mit den küstenspezifischen Aspekten des Klimawandels, d.h. dessen negativen oder auch positiven Effekte, befaßt sich seit 1991 auch die deutsche Klimafolgenforschung, die ihren Anfang an der Universität Oldenburg nahm. Auf Drängen der norddeutschen Küstenländer wurde damals vom Bundesforschungsministerium das Forschungsprogramm "Klimaänderung und Küste" initiiert, das seither vom ICBM koordiniert wird. Die Auswahl der in diesem Programm zu bearbeitenden Fragestellungen erfolgt maßgeblich in Reaktion auf politische Prioritätensetzung und administrative Anwendungs- bzw. Problembereiche. Zu den wichtigsten, die Nord- und Ostsee betreffenden Forschungsaspekten gehören u.a.:

  • Szenarien für wahrscheinliche künftige Änderungen des Meeresspiegels, der Temperatur-, Wind- und Niederschlagsverhältnisse, der Sturmflutentwicklung u.ä.;

  • Wirkungen solcher Szenarien auf Strukturen (z.B. Inseln, Wattenmeer, Flußmündungen, Ballungsräume) und Prozesse (z.B. Seegang, Sandwanderung, Süßwasserabfluß; agrarische Nutzung) in der Küstenzone;

  • Gefährdungsabschätzung für Menschen und Kapitalwerte in den potentiell überflutungsbedrohten Niederungsgebieten;

  • Konsequenzen von einzelnen oder kombinierten Effekten für die wichtigsten Wirtschaftssektoren (Tourismus, Landwirtschaft, Schiffahrt, Hafenwirtschaft) und den Küstenschutz (etwa Kosten-Nutzen-Analysen);

  • Bewertung von resultierenden Risiken, Konflikten oder auch positiven Folgen nach ökologischen und sozioökonomischen/monetären Kriterien;

  • Einschätzung von Klimafolgen in der Öffentlichkeit und Einstellung dazu bei den Entscheidungsträgern (z.B. Küstenschutzbehörden);

  • Verarbeitung der Forschungsergebnisse zu integrierten Managementkonzepten und Planungsinstrumenten für die Unterstützung bei der Problembewältigung auf der politisch-behördlichen Ebene.


Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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