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Abschaffung der Chancengleichheit
AStA-Specher Michael Schröter über die Folgen des Sparpaketes für StudentInnen
Als die Bundesregierung Freitag den 13. im September nutzte, um unter dem Namen "Programm für Wachstum und Beschäftigung" weitreichende unsoziale Einschnitte im Bundestag verabschieden zu lassen, hatte dies auch für die Studierenden Folgen. Ab sofort müssen diejenigen, die in mehr als zwei Monaten im Jahr mehr als 590 DM verdienen, den vollen Rentenversicherungsbeitrag bezahlen. 10% des Einkommens zahlen sie selbst, den gleichen Betrag zusätzlich die ArbeitgeberInnen. Für die Universitäten bedeutet dies: wegen der steigenden Kosten müssen Stellen für wissenschaftliche Hilfskräfte und TutorInnen weiter abgebaut werden. Die scheinbare Begründung hierfür lieferte die Regierung mit einer anderen Sparmaßnahme. Die für die Rentenversicherung anrechenbaren Ausbildungszeiten wurden von sieben auf drei Jahre verkürzt.Was dem Oldenburger AStA zu Medienöffentlichkeit verhalf - das Dritte Programm brachte am 30. September einen Bericht zu den Folgen der neuen Regelung mit Beispielen aus der Oldenburger Studierendenschaft - hat die StudentInnen kalt erwischt. Kaum hatte sich ein bundesweiter studentischer Arbeitskreis zu den unsozialen Folgen der 18. BAföG-Novelle gebildet, platzte diese neue Bombe. Für sozial schwache Studierende stellt sich die Lage nun wie folgt dar:
Grundsätzlich gibt es nur noch neun Semester BAföG. Wer einen Fachrichtungswechsel vorgenommen hat, in Gremien der akademischen Selbstverwaltung mitgearbeitet hat, während des Studiums krank geworden ist oder im Ausland war, erhält für die entsprechend längere Studienzeit nunmehr nur noch ein verzinstes Darlehen. Die erste Rückzahlungsrate wird bereits ein halbes Jahr nach Abschluß des Studiums fällig, nicht wie beim bisherigen BAföG nach 5 Jahren. Sie fällt also direkt in die Phase der Existenzgründung.
Eine Übergangsregelung für Studierende, die jetzt vor dem Abschluß ihres Studiums stehen, gibt es nicht. Für sie selbst völlig überraschend und unvorbereitet fallen sie unter die Neuregelung. Die Studierendenvertretungen sehen darin einen klaren Verstoß gegen das Rechtsprinzip des Vertrauenschutzes. Massenklagen sind bereits auf den Weg gebracht, um ein Normenkontrollverfahren bezüglich des ganzen Gesetzes in Gang zu bringen. Ein Rechtsgutachten haben die Asten gemeinsam über die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Auftrag gegeben.
Versuchen Studierende nun, trotz Studienabschlußstreß, das Zins-Bafög durch verstärktes Jobben zu umgehen, so werden sie dabei von der neuen Rentenversicherungsregelung behindert. Auf der Strecke bleiben die ärmsten Studierenden, die nicht ausreichend von ihren Eltern unterstützt werden können. Mittlerweile sprechen nicht nur linke Asten von der "Abschaffung der Chancengleichheit in der Bildung". Selbst vom unionsnahen RCDS getragene Asten haben den Klageweg gegen das Bundeswissenschaftsministerium beschritten.
Zur selben Zeit wird die Novelle des Hochschulrahmengesetzes auf den Weg gebracht. Durch diese soll die weitere Verkürzung des Studiums festgeschrieben werden. Parallel dazu planen die Länder Thüringen und Baden-Württemberg ab dem 14. Semester Studiengebühren von 1000 DM pro Semester.
Nicht nur der Sozialstaat ist ins Wanken geraten. Gespart wird zunehmend an der Bildung, und zwar überall dort, wo es um Chancengleichheit geht. Zukünftig entscheidet nur noch der Geldbeutel der Eltern über Bildungschancen. Das "Zukunftsministerium" weigert sich, in die wichtige Ressource Bildung zu investieren und gefährdet damit für viele Studierende genau das, was sein Name verheißt. Offensichtlich soll Bildungspolitik nicht mehr gestaltend wirken, sondern nur noch Sparziele erfüllen. Wem ein "Standort" dienen soll, an dem Chancen für alle beschnitten werden, bleibt da nur noch eine rhetorische Frage.