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Aus Wissenschaft und Forschung


Der Küstenschutz wird künftig teurer sein als in der Vergangenheit

Horst Sterr und Wolfgang Ebenhöh zur aktuellen Diskussion um Deichsicherheit

Seitdem Naturschützer die Deichverstärkung im Bereich Cäciliengroden/Dangast gerichtlich stoppen ließen, fühlen sich die Küstenbewohner in ihrer Sicherheit bedroht. Wie ist die Sachlage aus wissenschaftlicher Sicht zu beurteilen? Für Dr. Horst Sterr und Prof. Dr. Wolfgang Ebenhöh vom Wissenschaftlichen Sekretariat Klimaänderung und Küste am Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) steht fest: Der Deichbau muß angesichts der Meeresspiegelentwicklung an der Nordsee intensiviert werden - aber nicht auf Kosten des ökologisch und wirtschaftlich wertvollen Deichvorlandes. Nachfolgend ein Beitrag der Klimaexperten (leicht gekürzt):

In den letzten Wochen war in den Medien viel von den aktuellen Küstenschutzmaßnahmen im Bereich Cäciliengroden/Dangast die Rede. An einem an sich "normalen" Vorgang, nämlich einer dort seit vielen Jahren geplanten Deicherhöhung und -verstärkung, entzündeteten sich überraschenderweise die Gemüter der Küstenbevölkerung. Die Konflikte zwischen Deichverbänden und Naturschützern brachen auf, als der BUND einen einstweiligen Stopp des Deichbaus erwirkte, weil bei der Baumaßnahme entgegen den geltenden Naturschutzverordnungen größere Eingriffe seeseitig des Deichfusses erfolgt waren. In einer großen Lichterkette auf dem Deich brachten viele der Deichanwohner ihre Sorge zum Ausdruck, daß nun die Sicherheit von Land und Leben an diesem Küstenabschnitt dem Naturschutz geopfert werden könnte. Was kann man als Wissenschaftler zu dieser Sorge und zu den Vorbehalten der Naturschützer gegen die laufende Baumaßnahme sagen?

In der Tat ergibt sich aus Sicht deutscher und auch internationaler Forschungsgruppen, daß die Anstrengungen im Küstenschutz langfristig intensiviert werden müssen. Die Ergebnisse neuester Untersuchungen zeigen, daß an der Nordseeküste, wie auch an vielen anderen Küstenabschnitten der Erde, infolge der zunehmenden globalen Temperaturerhöhung mit beschleunigtem Meeresspiegelanstieg und wohl auch häufigeren bzw. höheren Sturmfluten zu rechnen ist. Für die deutsche Nordseeküste wird die Rate des künftigen Meeresspiegelanstiegs derzeit mit 50-60 cm pro Jahrhundert veranschlagt, während er in den letzten hundert Jahren ca. 25 cm betrug. Damit gilt für die tiefliegenden Nordseemarschen prinzipiell, daß Küstenschutz weiterhin nicht nur unverzichtbar ist, sondern die Deichplanung längerfristig dieser klimatischen und hydrographischen Entwicklung angepaßt werden muß.

Diese Erkenntnisse dürfen allerdings nicht als Notsignal für die Sicherheit der Bewohner am Jadebusen interpretiert werden. Die dort begonnenen Maßnahmen der Deicherhöhung und -verstärkung sind seit 1986 im Generalplan Küstenschutz für Niedersachsen vorgesehen, weil der alte Deich am Cäciliengroden den neuen Bemessungsgrundlagen nicht mehr entspricht. Seit diesem Jahr besteht aber auch der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, dessen Grenze am Deichfuß endet. Eingriffe in das Deichvorland und die Salzwiesen sollen entsprechend der neuen Gesetzgebung auf ein Minimum beschränkt bleiben. Auch im Licht der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Küstenveränderung unter verstärktem Klimadruck erscheinen diese Auflagen sinnvoll, denn: Wattflächen und Salzwiesen vor dem Deich sind - zusätzlich zu ihrem hohen ökologischen Wert als einzigartige Lebensräume - wichtig als Energiepuffer bei Sturmfluten. Es sind aber eben diese Vordeichsgebiete, die bei höher auflaufenden Wasserständen oder stärkerem Seegang besonders stark in ihrem Erhalt bedroht sind. Ihre zusätzlichen Funktionen, z.B. als Nährstoff- und Schadstofffilter für die Nordsee, als Aufwuchsgebiete für Fische und Muscheln oder als Naturerlebnisräume für Touristen, sind ohnehin bislang nie aus ökonomischer Sicht bewertet worden. Der hier verborgene "ökologische Nutzwert" dürfte nach internationalen Vergleichsschätzungen aber kaum geringer sein als der der landwirtschaftlich genutzten Flächen (gleicher Größe) hinter dem Deich.

Aber auch unabhängig von diesen ökologischen Überlegungen kann die Frage gestellt werden, ob es sinnvoll ist, Material aus dem Deichvorland zu entnehmen oder nicht. Es ist nicht bekannt, ob die Materialbilanz zwischen Aufwuchs und Abtrag in der gegebenen Situation positiv oder negativ ist. Jedoch ist bei zunehmendem Energieeintrag und steigendem Meeresspiegel sowie bei der gegebenen Festlegung der Inseln und der Deichlinie eher mit einem Nettoverlust zu rechnen.

Daraus ergibt sich eine klare Schlußfolgerung: Aus der Erkenntnis, daß die künftigen Deichbemessungen der Meeresspiegelentwicklung folgen müssen, läßt sich keine akute Gefährdung der Bevölkerung am Jadebusen (oder sonstwo) ableiten. Aber Küstenschutz wird künftig teuerer sein als in der Vergangenheit, zum einen weil die Küstenschutzbauten schneller als bisher einem zunehmenden Sturmflutrisiko angepaßt werden müssen; und zum anderen, weil dies nicht auf Kosten der Vordeichsflächen geschehen darf. Unsere Arbeitsgruppe hat bereits darauf hingewiesen, daß sogar lokale Deichrückverlegungen längerfristig in die Küstenschutzplanungen aufgenommen werden könnten, um etwaige stärkere Erosiontrends im Bereich der Watten und Salzwiesen abzumildern. In anderen Ländern, z.B. Großbritannien, Niederlande aber auch Schleswig-Holstein, gehören solche Überlegungen inzwischen zur politischen, aber auch gesellschaftlichen Alltagsdiskussion. Wie die Emotionalisierung der Stimmung anläßlich der Lichterkettenaktion gezeigt hat, sind wir davon in Niedersachsen noch weit entfernt. Zu dieser Emotionalisierung tragen auch der Unbedingtheitsanspruch und die Kompromißlosigkeit bei, mit der Deichverbände und Naturschützer ihre Positionen öffentlich vortragen. Man hört die Argumente der Gegenseite nicht.

Würden schon jetzt genügend Mittel für den Küstenschutz bereitgestellt, um die Art des Deichbaus zu realisieren, die sowohl der Bevölkerung als auch dem Küstenökosystem zugute kommt, wäre das Problem entschärft. Leider tendiert unsere Gesellschaft in einer Zeit der knappen Kassen aber dazu, noch mehr als bisher die Naturressourcen als "kostenloses Kapital" einzusetzen bzw. zu verbrauchen. Die Anzeichen sprechen derzeit jedoch dafür, daß die Kosten einer solchen Politik später umso höher ausfallen."

FLaP optimiert Windparks

Software sorgt auch für weniger Lärmbelästigung

FLaP, das neue Computerprogramm zur Auslegung und Optimierung von Windparks, haben am 23. Oktober die Oldenburger Physiker Bernhard Lange und Hans-Peter Waldl in Wilhelmshaven anläßlich der 3. Deutschen Windenergiekonferenz des Deutschen Windenergie Instituts vorgestellt.

Das Programm FLaP - Farm Layout Program - ist in der Abteilung Energie- und Halbleiterforschung des Fachbereichs Physik entwickelt worden und unterstützt PlanerInnen von Windparks dabei, für eine vorgegebene Aufstellungsfläche eine Anordnung der Windkraftanlagen zu finden, die sowohl einen optimalen Energieertrag als auch eine möglichst geringe Lärmbelästigung der AnwohnerInnen gewährleistet. Gerade wegen der Lärmbelästigung ist die Akzeptanz von Windenergieanlagen in der Vergangenheit deutlich gesunken, obwohl sie - weil ohne Schadstoffausstoß und CO²-Emissionen - allgemein als Zukunftsenergie angesehen wird. Die Software ermöglicht beides, betonen die Nachwuchswissenschaftler: die optimale Ausnutzung der Windenergie auf den in Deutschland dafür nur begrenzt zur Verfügung stehenden Flächen und wenig Lärm. Das Besondere an FLaP ist die Möglichkeit, einer numerischen Optimierung der Anlagenstandorte. Auf Knopfdruck rechnet das Programm ein Parklayout mit optimalem Ertrag und berücksichtigt dabei vorgegebene Obergrenzen der lärmimmission.

Grundlage für FLaP waren die anwendungsorientierten Forschungsarbeiten im Bereich der Windparks, die vom Bundesforschungsministerium, dem Land Niedersachsen und von Stromversorgern, darunter die EWE, gefördert wurden. Schwerpunkt bildete hier die Modellbildung und -validierung zur Beschreibung der Nachlaufströmung hinter Rotoren. Auf Basis dieser Forschung ist das Computerprogramm FLaP in enger Zusammenarbeit mit Ingenieurbüros entstanden, die Windparks planen. Ein gutes Beispiel, so die Softwareentwickler Lange und Waldl, für eine gelungene Kooperation zwischen Forschung und Anwendung.

In der Abteilung Energie- und Halbleiterforschung (ehemals Physik Regenerativer Energiequellen) wird seit 1979 wissenschaftlich auf dem Gebiet der Windenergienutzung gearbeitet. Dabei sind Fragen der Windparkauslegung nur eine der Forschungsaktivitäten der Arbeitsgruppe im Bereich Windenergie. Andere Forschungsschwerpunkte sind die Untersuchung der Netzanbindung von Windturbinen und die Bestimmung des Windpotentials, beispielsweise in den Mittelgebirgen.


Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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