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Wissenschaft und Forschung
- Frauen als SS-Täterinnen wurden bisher unterschätzt
- Wie entstehen Strukturen?
- Copepoden-Züchtung mit Folgen
- Differenzen von 1/100.000 Sekunde
Sozialwissenschaftlerin untersucht Lebensläufe
Oldenburger Wissenschaftler untersucht nichtlineare Systeme
Erfolgreiche Forschung am Fachbereich Biologie / Reges Interesse in Aquaristikkreisen
Sommerschule zur Leistungsfähigkeit des Gehörs
Frauen als SS-Täterinnen wurden bisher unterschätzt
Sozialwissenschaftlerin untersucht Lebensläufe
Angeklagt: SS-Frauen vor Gericht" lautet der Titel eines Buches, das im BIS-Verlag erschienen ist. Es handelt sich um die Diplomarbeit der Sozialwissenschaftlerin Claudia Taake (25). Die Autorin stellt die Lebensläufe von vier Frauen vor, die nach dem Ende des NS-Regimes als Kriegsverbrecherinnen angeklagt wurden: eine Ärztin, eine Straßenbahnschaffnerin und zwei angehende Krankenschwestern.
Für ihre Recherchen suchte Claudia Taake Archive in verschiedenen europäischen Orten auf. Von Ausnahmen abgesehen, mußten die Frauen, die sich schwerer Verbrechen schuldig gemacht hatten, von den Alliierten nicht viel befürchten. Viele hätten untertauchen können und seien niemals gefaßt worden, so die Autorin. In der Literatur werde die Rolle der Frauen in der SS bisher nur am Rande erwähnt. Ihre Arbeit belege, daß auch ganz normale Menschen, Frauen aus intakten Familien, zu furchtbaren Gewalttaten imstande seien.
In einem Vorwort hebt die ehemalige Bundestagspräsidentin Annemarie Renger hervor, daß die angeklagten SS-Frauen keinerlei Reue zeigten. Renger ist Vorsitzende des Zentralverbandes demokratischer Widerstandskämpfer- und Verfolgtenorganisationen.
Das Buch ist im Fritz-Küster-Archiv der Universität erschienen. Es hat 164 Seiten und ist zum Preis von 20 Mark im Buchhandel erhältlich.
Wie entstehen Strukturen?
Oldenburger Wissenschaftler untersucht nichtlineare Systeme
Galaxien, Wolken, menschliche Ge-sellschaften, Nervensysteme, quantenphysikalische Systeme: Auf allen Ebenen ist die Welt erfüllt mit Strukturen, von einfachen bis zu hochkomplexen. Struktur ist das, was die Welt vom "Tohuwabohu" (1. Mose 1,2) unterscheidet. Wie Strukturen entstehen, ist seit jeher eine der Hauptfragen der Wissenschaft.
Auf nichtlinearen Prozessen beruhende Strukturbildungsprozesse, bei denen Ursache und Wirkung nicht einfach und proportional zusammenhängen, werden von PhysikerInnen der Abteilung Energie- und Halbleiterforschung am Fachbereich Physik der Universität untersucht. Die Oldenburger Gruppe ist Teil eines bundesweiten, interdisziplinären Netzwerkes von etwa 30 Arbeitsgruppen in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Schwerpunktprogramm "Räumlich-zeitliche Strukturbildung in dissipativen kontinuierlichen Systemen - Experiment und Theorie im quantitativen Vergleich".
Nichtlineare Prozesse werden mittlerweile von vielen WissenschaftlerInnen als zentrale strukturbildende Mechanismen der belebten wie der unbelebten Welt aufgefaßt. Prof. Dr. Jürgen Parisi, Leiter der Oldenburger Abteilung, verdeutlicht die Bedeutung dieser Forschungsrichtung: "Untersuchungen an einfachen mathematischen Modellen deuten darauf hin, daß sich die Natur möglicherweise als ein gewaltiges gekoppeltes Schwingungsgebilde beschreiben läßt, das aus oszillierenden Teilsystemen auf vielen Skalen besteht - von der Himmelsmechanik bis hin zur Quantenmechanik." Parisi, der auch einer der drei Koordinatoren/Organisatoren des DFG-Schwerpunktprogramms ist, ist außerdem Mitherausgeber zweier aktueller Tagungsbände zur nichtlinearen Physik- und Mitorganisator der beiden zugrundeliegenden nationalen Konferenzen 1995 und 1996.
Obwohl erstmals schon vor etwa einhundert Jahren nichtlineare physikalische Strukturbildungsprozesse beschrieben wurden, sind solche Prozesse erst seit etwa zwanzig Jahren physikalischer Deutung und Theoriebildung zugänglich. So ist ein klassisches Phänomen die sogenannten Rayleigh-Bénard-Konvektion: Beheizt man eine dünne Flüssigkeitsschicht von unten, bilden sich sogenannte Rollen oder Zellen aus, wabenförmige Strukturen, in denen die Flüssigkeit aufsteigt und an deren Rändern sie wieder absinkt. Sie lassen sich z.B. sehr einfach beobachten, wenn man einen Rest kalten Kakaos im Topf erwärmt.
Heute haben neue theoretische Konzepte, präzise Meßmethoden und die stark angewachsene Kapazität von Computern Möglichkeiten eröffnet, viele Phänomene der nichtlinearen Dynamik wie die Rayleigh-Bénard-Konvektion nicht nur zu beschreiben, sondern auch zu verstehen. Dadurch macht die nichtlineare Physik zur Zeit eine stürmische Entwicklung durch und gilt als eine der weltweit spannendsten, dynamischsten und bedeutendsten Forschungsrichtungen der modernen Physik.
Im Zentrum der Forschungen des Schwerpunktprogramms stehen Fragestellungen aus dem Bereich der Dynamik von Flüssigkeiten wie die Rayleigh-Bénard-Konvektion, Reaktions-Diffusions-Systeme der physikalischen Chemie und der Biophysik, bei denen nichtlineare Reaktionen mit einem Transportprozeß, z.B. molekularer Diffusion, gekoppelt sind, sowie dynamische Strukturierungsphänomene in Festkörpern, insbesondere Halbleitern.
Ein Beispiel aus der Biologie für eine Reaktions-Diffusions-Kopplung sind Amöbenkolonien des Schleimpilzes Dictyostelium discoideum, bei denen es bei in bestimmten Situationen zu sich spiralförmig verbreitenden Verteilungen eines Botenstoffs kommt, der die einzelnen Amöben veranlaßt, sich zum Zentrum der Spirale zu bewegen und sich dort zu einem vielzelligen Schleimpilz zu vereinigen.
Konzepte der nichtlinearen Physik werden heute in einer wachsenden Zahl von Wissenschaftsdisziplinen angewandt. Beispiele dafür sind die Meteorologie und Astrophysik, die Halb- und Supraleiterforschung und die Hydrodynamik. Mit den Methoden der nichtlinearen Physik lassen sich Phänomene der Quantenoptik und das Verhalten von Flüssigkeiten beschreiben, die molekulare Dynamik von BSE, der Straßenverkehrsfluß und nichtlineare Phänomene im Gehirn untersuchen. Die Anwendbarkeit der nichtlinearen Prozesse reicht bis in die Theorie der Gravitation.
Sogar in der Biomedizin sind nichtlineare Phänomene möglicherweise relevant. So könnte die sogenannte "Spreading Depression", bei dem sich im Nervengewebe eine Welle stark reduzierter elektrischer Aktivität ausbreitet, im Zusammenhang mit dem Auftreten von Migräne und fokaler Epilepsie eine Rolle spielen. Ein weiteres Beispiel aus der Biomedizin ist das Auftreten von Spiralmustern in der elektrophysiologischen Aktivität des Herzmuskelgewebes. Parisi hält es für möglich, daß solche Prozesse das lebensgefährliche Herzflimmern auslösen könnten.
Trotz der großen Fortschritte der letzten Jahre steckt die Anwendung von Ideen und Konzepten dieses modernen interdisziplinären Forschungsgebiets auf physikalische, chemische, biologische, physiologische oder auch medizinische Systeme noch in den Anfängen. Für die Oldenburger Physiker und ihre KollegInnen der weltweiten Wissenschaftsgemeinde der nichtlinearen Physik bleibt also noch viel zu tun.
Copepoden-Züchtung mit Erfolg
Erfolgreiche Forschung am Fachbereich Biologie / Reges Interesse in Aquaristikkreisen
Die Farbenpracht der Kaiserfische fasziniert jeden Meeresaquarianer. Nachzuchten im Labor könnten die Nachfrage befriedigen und die Natur entlasten, doch die Zuchten wollen bislang nicht so richtig gelingen. Auch die Artenvielfalt und Farbenpracht von Weich- und Steinkorallen sowie bizarrer Korallenfische und die oft kuriosen Formen ihres Zusammenlebens ziehen immer mehr Hobbyisten in ihren Bann. Doch auch viele dieser Tiere können nicht artgerecht erährt werden, so daß man sie nur während der Phase ihres langsamen Sterbens beobachten kann.
Beides könnte durch die Ernährung mit lebenden Ruderfußkrebsen (Copepoden), die jetzt als Zuchtprodukt auf den Markt kommen, bald anders werden. Entwickelt wurde die Zucht der Kleinkrebse durch die Arbeitsgruppe Zoosystematik und Morphologie am Fachbereich Biologie der Universität Oldenburg unter der Leitung von Prof. Dr. Horst Kurt Schminke.
Das Produkt ermöglicht eine wesentlich verbesserte Haltung mancher empfindlicher Weich- und Hornkorallen. Auch einige Fischarten, für deren Larven wegen deren geringer Größe bisher kein geeignetes Futter zur Verfügung stand, konnten bereits nachgezogen worden. Auf der weltgrößten Tiermesse INTERZOO '98 in Nürnberg wurde das Copepoden-Produkt erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt, wo es auf reges Interesse stieß. In den USA wollen Wissenschaftler versuchen, die schwierigen Kaiserfische mit diesem Futter zu vermehren.
Das Produkt ist als Nebeneffekt aus der Diplom- und der Doktorarbeit des Biologen Dr. Johannes Dürbaum, in denen es um das Paarungsverhalten der Copepoden geht, entstanden. Für diese Untersuchungen bedurfte es der Zucht einzelner Arten der Ruderfußkrebse im Labor, die nun wegen ihrer Eignung für Meerwasseraquarien in größerem Maßstab vermehrt werden.
Ruderfußkrebse kommen im Meer in riesigen Mengen vor. Das Trillionenvolk ist Nahrungsgrundlage für eine ganze Phalanx von Arten, von Fischlarven bis zu Bartenwalen. Durch ihre Ernährung von einzelligen Algen nehmen die millimeterkleinen Copepoden in der Nahrungskette im Meer eine Schlüsselstellung ein, indem sie sich und damit die von den Algen eingefangene Sonnenenergie in die tierischen Nahrungsketten einspeisen.
Differenzen von 1/100.000 Sekunde
Sommerschule zur Leistungsfähigkeit des Gehörs
Der aktuelle Stand der Wissenschaft zur Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehörs war Thema der internationalen Sommerschule "Psychophysics, physiology and models of hearing" und des Symposiums "Temporal processing in the auditory system", die vom 31. August bis 4. September 1998 in Bad Zwischenahn stattfanden. Leiter beider Veranstaltungen war der Oldenburger Physiker und Arzt Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier (Fachbereich Physik).
Die beeindruckenden Leistungen des Gehörs sind auch heute bei weitem noch nicht verstanden und werden von keinem technischen Gerät erreicht. So ist das Gehör in der Lage, Zeitverzögerungen von einer hunderttausendstel Sekunde beim Eintreffen von Schall zwischen dem linken und rechten Ohr zu unterscheiden. Dieser genaue Vergleich zwischen beiden Ohren ermöglicht Hörfunktionen, die für das tägliche Leben wichtig sind, wie die Ortung von Gefahrenquellen auf der Straße oder das Verstehen von Sprache in einer lärmbehafteten Umgebung.
Die Form der Sommerschule, die vom Graduiertenkolleg "Psychoakustik" der Universität Oldenburg, dem Sonderforschungsbereich "Neurokognition" sowie durch Spenden unterstützt wurde, hat sich in den vergangenen Jahren hervorragend bewährt: Neben der wissenschaftlichen Diskussion in offener Atmosphäre lernen die angehenden WissenschaftlerInnen oft ihre zukünftigen Arbeitgeber kennen. Sämtliche bisherigen AbsolventInnen aus dem Umfeld des Graduiertenkollegs haben attraktive Positionen an in- und ausländischen Firmen oder Universitäten gefunden.