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Zwölf Jahre - die Ära Daxner

Walter Siebel* über den Präsidenten Michael Daxner (1986-1998)

Damals, vor zwölf Jahren, hatte ich Michael Daxner nicht gewählt, sechs Jahre später habe ich mit voller Überzeugung für seine zweite Amtszeit gestimmt. Zwei mal sechs Jahre sind eine lange Zeit für eine junge Universität. Jetzt sind sie abgeschlossen.

 In dieser Zeit hat sich die Universität Oldenburg erheblich gewandelt. Symbol dafür ist das neue Hörsaalgebäude. Das architektonische Qualitätsgefälle zwischen ihm und dem ersten eigenen Bau der neugegründeten Universität, dem A6, ist gewaltig. Es als Abbild eines Qualitätsgefälles zwischen der Universität heute und ihren Anfängen zu bezeichnen, wäre überzogen. Aber die Carl von Ossietzky Universität heute ist nicht nur eine größere, sie ist auch eine allgemein anerkannte Universität. Das ist die Leistung ihres wissenschaftlichen und administrativen Personals wie ihrer Studenten, es ist aber auch und in kaum zu überschätzendem Ausmaß die Leistung ihres langjährigen Präsidenten.

Bei Daxners Amtsantritt hatte die Universität begonnen, die Eierschalen der Neugründung abzulegen. In der Gründungsphase z.B. begegnete eine Forschung, die nicht direkt in die Lehre eingebunden war, tiefem Mißtrauen. Vielen galt sie als Ablenkung von den eigentlichen Aufgaben in Lehre und (Hochschul-)Politik, mehr der Eitelkeit und der Karriere einzelner Hochschullehrer dienend als den Interessen der Universität. Solche Borniertheiten sind Vergangenheit. Die Universität hat bedeutende Forschungseinrichtungen aufgebaut, sie hat die höheren Weihen von Graduiertenkolleg, Sonderforschungsbereich und Stiftung erhalten, sie ist Mitglied der DFG. Drittmittel sind als Ausweis wissenschaftlicher Leistungen hier so selbstverständlich wie anderswo (eher geht es heute darum, sie angesichts der schleichenden Unterwerfung der Universitäten unter die Rationalität des homo oeconomicus nicht als einziges Erfolgskriterium gelten zu lassen). Und daß die humboldtsche Einheit von Lehre und Forschung ein spannungsgeladenes Verhältnis meint, das eine Universität aushalten und als produktive Differenz organisieren muß, auch darüber gibt es keinen Streit.

 Überhaupt, der Streit in der Universität. Es gibt ihn weiterhin und heftig. Aber er ist längst nicht mehr so polarisiert und prinzipienfest, die internen Fraktionierungen sind diffuser geworden und beweglicher, sie gründen nicht mehr primär in allgemeinen politischen Orientierungen. Deutlichster Ausdruck dieser Befriedung war die Wiederwahl Daxners 1992 im ersten Wahlgang. Mit seinem Zutun ist auch die distanzlose Schludrigkeit in den Umgangsformen verschwunden. Akademische Riten und Veranstaltungsformen, wo diese wie die Begrüßung der Erstsemester nicht hierarchische Differenz zum Ausdruck bringen, sondern den Respekt vor der Institution Universität und die Achtung vor ihren Mitgliedern, sind wieder zu Ehren gekommen.

 Trotz dieser Normalisierung der Carl von Ossietzky Universität ist der Name, den die Universität Oldenburg endlich offiziell führen konnte, kein bloßes Logo geblieben. Der damit signalisierte politische und moralische Anspruch ist in Lehre und Forschung der Universität lebendig, z.B. in der Herausgabe der Werke Ossietzkys und Tucholskys, in der Einführung der jüdischen Studien und der Einrichtung der Hannah Ahrendt Forschungsstelle, in der Orientierung der Naturwissenschaften auf Fragen nachhaltiger Entwicklung, Themen, für die Michael Daxner sich auch sehr persönlich engagiert hat. Bei allem Machtbewußtsein, das zu einem Universitätspräsidenten gehört - hat er sein Amt nie als bloßes Managertum verstanden. So sehr seine hochschulpolitische Position auf das "Dienstleistungsunternehmen" Universität zielt, sosehr doch auch auf ein "republikanisches" Wissenschaftsverständnis, für das wissenschaftliche Exzellenz nicht identisch ist mit Drittmittelvolumen und dem Ausstoß an Publikationen. Daxner hat sich selber wie der von ihm geleiteten Institution stets mehr abverlangt, nämlich ein Bewußtsein von der politischen Rolle und der damit verbundenen moralischen Verpflichtungen der Wissenschaft.

Auch der Streit um die Universität ist abgeflaut. Daxner hat die Universität erfolgreich nach außen repräsentiert. Wer zählt die Gremien, kennt die Veranstaltungen, nennt die Länder? Heute muß man sich bei Auftritten außerhalb nicht mehr gegen das Image der eigenen Universität behaupten. Je weiter weg, desto positiver erscheint das Bild der Universität, wobei sie von der hochschulpolitischen Prominenz ihres Präsidenten profitiert hat. Die Carl von Ossietzky Universität ist von der Region als ihre Universität akzeptiert. Die Kooperation mit anderen Universitäten ist erheblich intensiviert, teilweise auch institutionalisiert, im Besonderen im Nordverbund. Gar nicht hoch genug zu veranschlagen ist der Gewinn, den Oldenburg aus dem mit Bremen gemeinsam gegründeten Hanse Wissenschaftskolleg in Zukunft ziehen kann, eine Gründung, die noch vor drei Jahren kaum jemand für möglich gehalten hätte.

 Erfolgreiche Repräsentation setzt zuallererst vorweisbare Leistungen der Institution voraus, aber eben auch die Fähigkeit zur Repräsentation: zur guten Rede, zu angemessenem Auftreten, eine sehr breite akademische Kompetenz, die seltene Gabe, in universitätsfernen Milieus für die Universität zu werben, ohne sich zu verbiegen, schließlich die Bereitschaft, über die Grenzen der Genußfähigkeit hinaus an Kohlessen und Vereinsbällen teilzunehmen. Daxners Leitmotiv war - bei aller gelegentlich auch unduldsamen Kritik an Gremien und Gegnern - die Identifikation mit der Institution. Daß er ein brillanter Repräsentant der Universität war, meint mehr als Repräsentation: mit seinem umfassenden Wissen, seiner ausgeprägten musischen und literarischen Bildung, seinem Witz, seinem politischen Engagement und seiner enormen Arbeitsfähigkeit verkörpert er selber das republikanische Akademikertum, für das er sich so unermüdlich einsetzt.

 Mit diesem Einsatz hat er viel in der Universität und außerhalb bewirkt. Obwohl sich die finanziellen Rahmenbedingungen nun wirklich nicht zu ihren Gunsten geändert haben, ist die Carl von Ossietzky Universität heute eine andere und bessere Universität. Einiges davon hat Daxner selber angestoßen, manches wäre ohne sein Drängen nicht so schnell vorangekommen, und vieles ist durch sein Verhandlungsgeschick Realität geworden. Daxner hat viel bewegt, oft war er dabei weit voraus. Die Vorzüge des Globalhaushalts z.B. sind mir erst jetzt im universitären Alltag greifbar geworden, und zuweilen überkam mich das schlechte Gewissen, wenn ich eine seiner zahlreichen Anregungen zu internationaler Kooperation, die er von seinen Reisen mitbrachte, auf dem Schreibtisch hatte liegen lassen.

Die Carl von Ossietzky Universität ist heute allgemein anerkannt und im Vergleich zu ihren Anfängen intern weitgehend beruhigt. Trotzdem gibt es heftige, teilweise bittere und ins Persönliche gehende Auseinandersetzungen. Das hat auch seine Ursachen in den Ambivalenzen der Normalisierung der Universität. Die Gründergeneration kommt an die Pensionsgrenze, und mit ihr altert die Institution. Alter aber macht Menschen und Institutionen weder lernfähiger noch geschmeidiger. Das gilt erst recht, wenn es gute Gründe gibt, unerfüllten Hoffnungen der Gründungsphase nachzutrauern. Die Universität Oldenburg ist mit dem Impetus der 68ger gegen universitäre Hierarchien und die fachidiotischen Bornierungen akademischer Spezialisierung angetreten und muß nun erleben, daß Macht und Hierarchie und Spezialistentum sich auch hier breit machen. Diese "Normalisierung" einer Reformuniversität bedeutet auch Verlust, denn der humboldtsche Auftrag der Universität, den die Gründergeneration ja gerade nicht abschaffen sondern modernisieren wollte, steht in Widerspruch zu hierarchischen Strukturen und wissenschaftlichem Kleingartenwesen. Michael Daxner, der ja auch dieser Generation angehört, weiß ebensogut um diese Verluste wie um die Schwierigkeiten, sie zu vermeiden. Dies zusammen mit der Unbeweglichkeit und der strukturellen Anarchie einer Universität, in der - um einen von uns beiden hoch geschätzten Autor zu zitieren - "die Abneigung jedes Menschen gegen die Bestrebungen jedes anderen Menschen .... bis zum Gemeinschaftsgefühl gesteigert ist", mag dazu beigetragen haben, daß Daxners Bemühungen, etwas in Bewegung zu bringen, manchmal ungeduldig ausfielen. Sie glichen nicht immer den modernen Weckapparaten, die mit rücksichtsvollen Pausen sanfte Glockentöne anschlagen, eher den altmodischen, die urplötzlich losbrechen. Das stört nicht nur die Dahindämmernden sondern auch die Wachen. Die notwendigen strukturellen Anpassungen zu betreiben, ohne den Gründungsanspruch zu verraten, hat viel gemein mit der Quadratur des Kreises. Vor den Unlösbarkeiten und Ambivalenzen dieser Aufgabe flüchtet mancher nur allzu schnell in die Personalisierung. Dann wird, was strukturell bedingte Enttäuschung und Ambivalenz der Sache selbst ist, den Defiziten einzelner Personen angelastet und als persönlicher Konflikt ausgetragen. Daxner ist diesen Konflikten nicht aus dem Weg gegangen. Aber sie haben ihn manchmal über die Grenzen seiner Belastbarkeit hinaus getrieben.

Michael Daxner hat kürzlich die Vermittlung von demokratischer Legitimation, Machtausübung und persönlichem akademischen Profil als den Kern akademischer Führung bezeichnet. Er hat damit ein Resümee seiner Präsidentschaft gezogen. Daß ihm diese schwierige Vermittlung auch in Zukunft gelingt, dazu werden ihm die ihm eigentümliche Mischung aus demokratischer Überzeugung und Entscheidungsfreude, Sensibilität und Souveränität und nicht zuletzt seine wienerisch akzentuierte Wortmächtigkeit verhelfen. Der Carl von Ossietzky Universität jedenfalls hat diese Mischung gut getan. Die vergangenen zwölf Jahre sind ein bedeutsamer Abschnitt in der kurzen Geschichte der Universität. Obwohl dies schöne Wort mitunter sehr leichtfertig benutzt wird, hier trifft es zu: Michael Daxner hat sich um unsere Universität verdient gemacht.

* Prof. Dr. Walter Siebel ist Stadt- und Regionalsoziologe am Fachbereich 3 Sozialwissenschaften


Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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