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Kulturelles

"Jüdisches Kinderleben im Spiegel jüdischer Kinderbücher"

Sonderausstellung zur KiBUM / Von Friedrich Wißmann und Klaus Klattenhoff*

Mit der diesjährigen Sonderausstellung zur Oldenburger Kinderbuchmesse KIBUMwird das Ziel verfolgt, unter Zuhilfenahme von jüdischen Kinder- und Jugendbüchern, die in Deutschland von der Aufklärung bis zum Jahr 1938 erschienen sind, die Erlebniswelt von jüdischen Kindern und Jugendlichen nachzuzeichnen. Jüdische Kinder- und Jugendbücher sind von jüdischen Autorinnen und Autoren verfaßte Bücher, die für jüdische Kinder und Jugendliche in Deutschland geschrieben wurden. Die ausgestellten Bücher, zu deren Grundbestand die "Sammlung Hyams" des Marburger Kindheitsmuseums gehört, werden durch Bilder und Ausstellungsstücke ergänzt, die Besonderheiten der jüdischen Kultur und Lebenswelt verständlich machen.

 Insgesamt wird damit ein Einblick in den Zusammenhang jüdischen Brauchtums und jüdischer Geschichte und Gedankenwelt gegeben. Jüdische Kinder- und Jugendbücher thematisieren genau dieses; hierin hatten sie ihre besondere Funktion, hierin unterscheiden sie sich von den anderen in Deutschland erschienenen Kinder- und Jugendbüchern, die sowohl von nichtjüdischen als auch von jüdischen Kindern und Jugendlichen gelesen wurden. Jüdische Kinder- und Jugendbücher sollten den jungen Leserinnen und Lesern Kenntnisse über das Judentum, über die jüdische Religion, über die Geschichte des israelischen Volkes, über jüdisches Brauchtum und dessen Wurzeln vermitteln, um dadurch zu dessen Erneuerung und Wiederbelebung beizutragen.

Grundüberzeugungen der Aufklärung

Der mit der Ausstellung angesprochene Zeitraum umfaßt zweieinhalb Jahrhunderte, von der Aufklärung im 18. Jahrhundert bis in die unmittelbare Vorzeit des Zweiten Weltkrieges, als in Deutschland die gegen die Juden gerichtete nationalsozialistische Terrorherrschaft begann, die mit dem Pogrom am 9. November 1938 einen traurigen Höhepunkt erreichte. Mit der nationalsozialistischen Terrorherrschaft gegen die Juden wurde zugleich ein wichtiger Teil der deutschen Kultur und Geisteswelt zerstört. Diese waren geprägt worden von den Grundüberzeugungen der Aufklärung, die mit der hohen Wertschätzung von Vernunft und Toleranz das Zusammenleben unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften in gegenseitiger Achtung anstrebte. Hierbei standen die allgemeinen Menschenrechte und die Verwirklichung der Gleichberechtigung aller Bürger ohne Unterscheidung nach Herkunft und sozialer Stellung im Mittelpunkt des geistigen und gesellschaftlichen Engagements.

 Für die Juden in Deutschland bedeutete die mit der Aufklärung eingeleitete Entwicklung, daß es möglich und notwendig wurde, aus der ihr Leben bestimmenden Abgeschiedenheit des "Ghettos" zu treten und sich der überwiegend christlichen Welt der Neuzeit zu öffnen. Die anzustrebende wechselseitige Akzeptanz setzte voraus, daß die verschiedenen Auffassungen, Geisteshaltungen und damit verbunden Gedanken- und Erlebniswelten sowie Werte und Brauchtum untereinander bekannt gemacht wurden. Dieser Prozeß der gegenseitigen bewußten Kenntnisnahme wurde geprägt von den großen Persönlichkeiten der deutschen Geistesgeschichte wie Johann Gottfried Herder, Gotthilf Ephraim Lessing und Moses Mendelssohn, die sich mit ihrer kosmopolitischen Grundüberzeugungen gegen die verengten Sichtweisen der Zeit des Absolutismus, des Pietismus und der Orthodoxie stellten. Diese neue gegenseitige geistige Aufgeschlossenheit hatte gravierende Folgen, indem sich in den jüdischen Gemeinden unterschiedliche Gruppierungen bildeten.

 Aus einem über Jahrzehnte dauernden Prozeß entstanden voneinander getrennte jüdische Identitäten: einmal die assimilierten Juden, die sich der christlichen Umwelt angleichen wollten; zum anderen die reformorientierten Juden, die sich unter Beibehaltung ihrer Werte und Normen den Bedingungen der moderneren bürgerlichen Welt öffnen wollten; und schließlich die orthodoxen Juden, die in jeglicher Reform und Annäherung an die andersgläubige Umwelt eine Gefahr für den Bestand des Judentums sahen. Das hatte selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Kinder und Jugendlichen in den jüdischen Gemeinden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts löste sich die Mehrheit der Juden aus den streng gläubigen Traditionen und integrierte sich in ihr bürgerliches Umfeld. Die Grundlagen dafür wurden über die schulische Ausbildung gelegt, besonders nachdem auch für die Kinder aus jüdischen Familien die allgemeine Schulpflicht galt. Die aus der Aufklärung stammende Bereitschaft, sich auch in säkularen Fächern schulisch zu bilden, setzte sich als Selbstverständlichkeit für die Lebensplanung junger Juden durch.

Unterstützt wurden diese Bestrebungen durch die in Städten mit einem größeren jüdischen Bevölkerungsanteil wie Berlin, Frankfurt, Breslau oder Hamburg eingerichteten Schulen, die der Reformierung des jüdischen Lebens außerhalb des bis dahin vorhandenen Umgangs im Ghetto dienen und die Möglichkeit der Behauptung in der bürgerlichen Umwelt sicherstellen sollten. Mit dem nun üblichen Zusammenleben der Kinder in den Schulen wurden völlig neue Akzente gesetzt, die der Öffnung in die Moderne entsprach.

Jude, Deutscher und Weltbürger

Jüdisches Kinderleben spielte sich zwar nach wie vor in großen Anteilen in den Familien ab, und die bis dahin gepflegten Glaubensäußerungen, die Feste und Feiern, das Brauchtum und die Gedankenwelten blieben erhalten. Dennoch wurde der feste Regelkreis der Vorschriften aus Tora und Talmud aufgelockert und damit für Kinder auch erweitert. Mehr und mehr glich sich der Lebenskreis junger Juden dem ihrer zumeist christlichen Umwelt an. Das galt für die meisten jüdischen Familien, auch wenn sich aus neu-orthodoxen Kreisen bedeutende Stimmen erhoben, die auf den Reichtum, den tiefen Humanismus und die historische Bedeutung der jüdischen Kultur verwiesen. Der so entstandene inhaltliche Zwiespalt hat bis weit in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts gerade die Intellektuellen im europäischen Judentum beeinflußt, auch oftmals in gesellschaftliche Konflikte gebracht. Denn die Veränderungen der Zeit, die auch die Kinder und Jugendlichen betrafen, forderten ein fortwährendes Klären dessen, was man sein wollte.

 Jude und Deutscher und Weltbürger zugleich zu sein mit dem berechtigten Bewußtsein einer weltumspannenden und die Menschheit umfassenden Geschichte im religiösen Selbstverständnis markierten den Spannungsbogen, der gelebt und ausgehalten werden mußte. Dabei gab es im Laufe der Entwicklung Deutschlands zur Industriegesellschaft und zum Nationalstaat zugleich eine eindeutige Gewichtsverlagerung hin zum Deutschsein. Die Kontakte, die Kinder und Jugendliche in die Umwelt hinein pflegten, verstärkten diesen Prozeß nicht selten bis zur vollkommenen Angleichung. Dabei spielte die politische Entwicklung hin zur Gleichberechtigung eine ebenso entscheidende Rolle, wie das sich gegenseitige Kennenlernen und Akzeptieren über die Jahrzehnte hinweg nach der konsequenten Öffnung des Ghettos. Eine ungemein wechselseitige Kulturbereicherung ist daraus entstanden, die sich im Kinderleben und in Kinderbüchern widerspiegelt.

Vermittlung von Grundwerten

Die um ihre Eigenständigkeit ringenden Juden haben seit der Aufklärung eine reichhaltige Literatur für Kinder aus Familien jüdischer Herkunft hervorgebracht, die mit ihren unterschiedlichen Anliegen, von der Belehrung bis hin zur reinen Unterhaltung, immer daran festhielt, Kenntnisse über das Judentum so zu vermitteln, daß sich aus der Beschäftigung damit auch die Möglichkeiten der persönlichen und damit ehtischen Identifikation ergeben konnte. Die beeindruckende Vielfalt der Buchproduktion ist ein besonders wertvoller Bestandteil jüdischer Kultur in der deutsch-jüdischen Symbiose, weil sie mit dem Festhalten an den tiefen historischen Wurzeln des Glaubens und der Wertvorstellungen ein Beispiel liefert für die notwendige Vermittlung von Grundwerten und Überzeugungen, die dem menschlichen Antlitz in einer sich stetig und rasant verändernden Welt einen humanen Ausdruck sichern hilft.

Die Sonderausstellung wird vom 8. November bis 12. Dezember im Oldenburger Stadtmuseum gezeigt. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 9 bis17 Uhr, Sonnabend 9 bis 12 Uhr und Sonntag 10 bis 17 Uhr.

* Prof. Dr. Friedrich Wißmann und Dr. Klaus Klattenhoff gehören dem Fachbereich Pädagogik an.

Blechernde Worte: "Mind the gap"

Bilder einer Studienfahrt nach London sind jetzt in einer Ausstellung zu sehen

Diese blechernen Lautsprecherworte haben wir immer wieder auf den underground - Bahnsteigen gehört: "Mind the gap!", was soviel heißt wie: "Klemmen Sie Ihren Fuß nicht zwischen Zug und Bahnsteigkante, Sie brauchen ihn noch." Wir haben sie beachtet und in ihrer Bedeutung erweitert: the gap (=die Lücke, der Spalt, der Riß) wurde für uns zu einem der Kennzeichen Londons. Risse und Gegensätze, Zwischenräume und Ungleichzeitigkeiten, wohin unsere neugierigen Augen fielen.

Zum Beispiel zwischen der City und dem East End. An diesem sonnigen Sonntagnachmittag standen die prächtigen Bauten der Banken milde und mächtig da, gelassen in ihrem Reichtum. Eines der größten Finanzhäuser, Lloyd's, hervorgegangen aus einem Kaffeehaus des frühen achtzehnten Jahrhunderts, in dem Schiffsmeldungen auslagen, hat sich während der Thatcher-Zeit einen architektonisch kühnen Bau errichten lassen. Wenige hundert Meter weiter feierten an diesem Tag die Anwohner der Brick Lane im East End ein Straßenfest. Ihre Straße liegt im alten Zuwanderungsgebiet, in dem sich Hugenotten, Iren, Juden und jüngst Bangladeshis ansiedelten. Die Straßenschilder, sahen wir, sind auf Englisch und Bengali, und an den Straßenständen gab es Somosas und Bhaji.

Die Bengalis und andere communities leben miteinander und doch getrennt in diesem multiethnischen London. Zwei von ihnen konnten wir näher kennenlernen: Juden und Sikhs. Juden sind seit dem siebzehnten Jahrhundert nach Britannien eingewandert, in größerer Zahl aber erst in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Im East End errichteten sie fast ein shtetl wie in der Welt, aus der die zaristischen Pogrome sie vertrieben hatten, mit Synagogen, jiddischsprachigen Theatern und lebendigen Gemeinden. In ihrer Mehrzahl stiegen sie sozial auf, verließen diese Gegend und wohnen heute in andern Stadtteilen. Ihre Nachfolger sind die Bangladeshis, sie bewohnen dieselben Straßen und benutzen dieselben Läden; aus der Synagoge in der Fourier street, die einst eine Kirche der Hugenotten war, ist inzwischen eine Moschee geworden. Wir wiederum hatten das Glück, zwei Tempel der Sikhs (sie stammen ursprünglich aus dem Punjab) - sie heißen gurudwaras - besuchen zu dürfen. Unterschiede in Lebensauffassung, Zielsetzung, Verständnis von Gemeinde und Staat wurden uns dargestellt, die Unterschiede zu uns in Kleidung und Gottesdienst konnten wir selbst sehen. Mind the gap, aber auch: seht, was uns verbindet.

 Einen anderen Blick eröffnete uns die Frage nach dem sichtbaren Verhältnis von Geschichte und Gegenwart. Einige von uns gingen den Spuren der Römer nach, der Kelten, der Normannen. Wie werden sie erinnert? Was bedeutet es, wenn an der Westminster Bridge ein Denkmal der keltischen Königin Boudicca steht? Was bedeutet es, daß die Houses of Parliament vor hundertundfünfzig Jahren in neogothischem Stil neu errichtet wurden? Welche Wirkung haben heute Tower oder St.Paul's ? Wie nimmt sich das Neue der Docklands und des Millennium Dome bei Greenwich aus im Verhältnis zum Alten?

Soziale und kulturelle Abstände und schmerzliche Unterschiede lernten die von uns kennen, die sich die Erkundung der squatters and homeless zur Aufgabe gemacht hatten, der Hausbesetzer und Obdachlosen. Ungeliebt von den städtischen Verwaltungen, zum Teil verdrängt aus dem inneren Bezirk Londons, in den es die Touristen zieht, kämpfen sie um ein menschenwürdiges Leben. Die Zeitschrift Big Issue hat in diesem Jahr siebenjähriges Jubiläum.

 Von all diesem und anderem berichtet in Bildern und (kurzen) Texten (und, das muß erwähnt werden, in Tonaufnahmen von öffentlichen Räumen!) die Ausstellung, die vom 16. bis zum 27. November in der Galerie (das ist die Alte Kegelbahn, hinterm Minikum am Rande der Haarenniederung) zu besichtigen ist.

Jens-Ulrich Davids

Entstaubung des Gehörs

Techno-Konzert-Party jenseits des Gewohnten

Techno-Museum heißt ein Projekt des Faches Musik, das am 14. Oktober mit einer Konzert-Party in der "Alten Mensa" an die Öffentlichkeit trat. Aber von museal-verstaubt konnte dabei keine Rede sein, im Gegenteil: Entstaubung des Gehörs war angesagt. Wer dabei an Lautstärke pur denkt, liegt falsch. Ein Risiko nicht für die Ohren, aber für eingefahrene Hörgewohnheiten.

Denn aufgeführt wurde ein Techno jenseits des Mainstreams. Man muß es gesehen und gehört haben: ein Dutzend Musiker in einem großen Kreis an Tischen mit Computern, Synthesizern und Stroboskopen, Platz fürs Publikum ist in der Mitte. Viele Kabel, viel undurchschaubare Elektronik, der Begriff "Experiment" drängt sich nicht nur musikalisch, sondern auch durch den Aufwand an Elektronik auf.

Die elf verwendeten Analoggeräte aus der Gründungszeit der Uni, die heute in der Szene Kultcharakter besitzen, hatte der Leiter des Projekts, der Musikwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Martin Stroh, aus dem Fundes des Faches geholt und reaktiviert: mittels eines technischen Tricks konnten sich die "analogen" Improvisateure in den computergezeugten Groove einklinken und wenn sie wollten, auch frei darüber schweben.

Aber ist das eigentlich Musik? Wer bei Musik nur an Klassik, Jazz, Pop, oder Volksmusik denkt, hört nur rhythmisches Chaos und Lärm. Tatata, tatata, tatatatata, tatata, tatata, tatatatata. Die zwölf MusikerInnen drehen an Knöpfen, Stöpseln Steckern, klicken Mäuse. Manchmal hört es sich an wie ein Hubschrauber, manchmal wie eine Alarmanlage, und plötzlich hört man R2D2 zwitschern. Oder klingt es wie Raumschiff Orion? Das Ganze ist eigentlich eher Aktionskunst für die Ohren als ein Konzert, ausgestellt werden Klanginstallationen, Rhythmus, den man abtanzen kann und, je später es wird, sogar muß.

Keine Zweifel: das ist Musik, und was für welche! Techno-Museum ist stark. Tip: Nächstes Jahr gibt's – hoffentlich - wieder eine Chance, Techno-Museum zu erleben. (www.uni-oldenburg.de/musik/techno/ museum.html.)

"Stille Wasser" von OUT

Tod als letzte Möglichkeit, Leben neu zu definieren

Stille Wasser", die neueste Produktion des Oldenburger Universitäts Theaters (OUT), hat am 10. November, 20.00 Uhr im Unikum Premiere. Weitere Vorstellungen finden am 13., 16., 18. und 19. November statt (jeweils 20.00 Uhr im Unikum).

"Der Tod einer schönen Frau ist zweifellos das poetischste Thema der Weit", behauptete Edgar Allen Poe. - Sechs Frauen treffen sich an einem Ort reiner Poesie. Der Tod hat sie zusammengeführt. Aber ist ihr Tod wirklich so ästhetisch, wie Poe und die vielen Künstler, die dieses Thema behandelten, es empfanden? Ophella, Desdemona, Undine - sie alle haben für die Liebe gelebt, und ihre "Erfinder" haben sie dafür in den Werken und Mythen der Weitliteratur sterben lassen. Was hätten diese Frauen "ihren" Lesern in Anbetracht des Todes zu sagen? Christiane Bachmann, Christine Brückner und andere Frauen haben sich darüber Gedanken gemacht. "Undine geht", "Wir sind quitt, Messieurs!" oder "Wenn du geredet hättest, Desdemona" heißen ihre Texte. Die MacherInnen des OUT haben sie zusammengetragen und werden die Frauen in unserer Collagearbeit aufeinandertreffen lassen, um den Tod als letzte Möglichkeit zu untersuchen, das Leben neu zu definieren. Karten gibt es beim OUT im Kulturbüro des Studentenwerks Oldenburg, Tel.: 04411798-2658.

... im Dreierpack

Studentisches Kabarett im Dreierpack: das UNIKUM präsentiert "Das Ensemble für deutliche Musik" aus Köln (14.11.), Spunk aus Oldenburg (21.11.) und Störfall aus Hannover (27.11.). Beginn ist jeweils 20.00 Uhr (Eintritt 14/10 DM).


Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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