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"Keine Blockadestelle mehr"
Interview mit der Frauenbeauftragten Marion Rieken über ihre Arbeit an der Uni
UNI-INFO: Frau Rieken, wenn man sich in der Universität umhört, erhalten Sie nur Lob: Vom Präsidenten, von den Dekanen, von den Dezernenten, aber auch von engagierten Frauen. Fühlen Sie sich da bestätigt oder beunruhigt Sie das eher?RIEKEN: Das ist eine interessante Frage. Wenn wirklich von allen Seiten Lob kommt, dann müßte man das tatsächlich hinterfragen. Aber ich denke, daß maßgeblich das Arbeitsklima dafür verantwortlich ist. In der Universität werden die Probleme der Gleichstellung der Frauen ernst genommen. Insofern sind konstruktive Gespräche fast überall möglich.
UNI-INFO: Aber es muß ja auch an Ihnen liegen, denn früher waren da durchaus andere Stimmungen bekannt.
RIEKEN: Vielleicht kommt dazu, daß ich mich nicht so leicht frustrieren lasse. Wenn mich jemand fragt 'Sind Sie schon sehr frustriert?', dann sage ich Nein'. Und ich meine das auch so.
UNI-INFO: Gibt es schon konkrete Erfolge in Ihrer Arbeit?
RIEKEN: Ja. Für meine Arbeit empfinde ich es als erfolgreich, daß die Gleichstellungsstelle nicht mehr als Blockadestelle wie allgemein üblich angesehen wird. Dies war mein Ziel, und das haben wir hier gemeinsam geschafft. Wir haben hier eine umfangreiche Querschnittsaufgabe zu leisten mit vielen Details, die der Gesetzgeber und die Frauenrichtlinien der Universität vorschreiben. Und das tun wir. Unser Hauptaugenmerk richtet sich derzeit sowohl innerhalb als auch auf Landesebene auf die Hochschulreform. Dabei geht es unter anderem um die neue Mittelverteilung, Personalentwicklung und wichtig auch: die Arbeits- und Studienbedingungen. Das bisher Erreichte in der Frauenpolitik darf nicht gefährdet werden.
UNI-INFO: Wenden sich eigentlich viele Frauen an Sie?
RIEKEN: Ja, das würde ich schon sagen. Man kann das schon an den vielen Telefongesprächen festmachen. Das sind soviel, daß wir oft den Wünschen gar nicht nachkommen können.
UNI-INFO: Was sind die Hauptbeschwerden?
RIEKEN: Das sind nicht nur Beschwerden. Das ist vor allem Informationsbedarf unterschiedlichster Art. Dabei geht es um Stellen, Studienbedingungen, Studieninhalte. Aber es gibt natürlich auch Beschwerden.
UNI-INFO: Wie agieren Sie bei einer Beschwerde?
RIEKEN: Wir bieten erst einmal eine individuelle Erstberatung an. Das heißt: wir sehen uns an, wie das Problem im Einzelnen geartet ist und suchen mit der Betroffenen nach Lösungswegen.
UNI-INFO: Wenn Sie sich mit Vorgesetzten von Beschwerdeführerinnen in Verbindung setzen müssen, auf welche Reaktion treffen Sie?
RIEKEN: Das ist schwierig zu beantworten, weil es natürlich auch darauf ankommt, in welchem Bereich diese Beschwerde liegt. Aber meine Erfahrung ist bisher, daß solche Gespräche eher positiv verlaufen. Vorgesetzte sind mitunter sogar froh, daß man auf solcher Ebene miteinander sprechen kann, um Probleme aus der Welt zu schaffen. Ich habe bisher keine völlig ablehnenden Reaktionen erlebt.
UNI-INFO: Stimmen Sie der These 'Seit es die gesetzliche Institutionlisierung der Frauenbeauftragten gibt, geht die Frauenbewegung zurück' zu?
RIEKEN: Die Gleichstellungspolitik wird hier in der Universität von vergleichsweise sehr vielen Frauen getragen, durchaus aber auch von Männern. Das ist hier nicht nur eine Arbeit der Gleichstellungsstelle und der Frauenbeauftragten. Ich habe den Vergleich auf Landesebene. Wir haben hier ein relativ großes Fundament und viele Aktivitäten. Schauen Sie doch mal unsere Zeitung "Rosalinde" durch.
UNI-INFO: Anders gefragt: Hat die Institutionalisierung die Frauenbewegung aufgefangen?
RIEKEN: Ich glaube, daß die Institutionalisierung wichtig ist, weil damit auch die Professionalisierung gegeben ist. Dieses Amt ist so facettenreich. Man muß sich in sehr vielen Bereichen kundig machen. Und das kann man nicht so nebenbei. Insofern ist die Institutionalisierung ein großer Fortschritt.
UNI-INFO: Im Vorfeld der Verabschiedung der Frauenrichtlinien hat es viele Diskussionen gegeben, auch sehr exponiert vorgetragene Vorbehalte. Wirken sie sich in Ihrem Alltag aus?
RIEKEN: Nein. Die Vorbehalte, die es gegeben hat, haben wir versucht auszuräumen. Das ist uns nicht in allen Fällen gelungen. Aber ich glaube, daß die Praxis der Arbeit mit den Frauenförderrichtlinien bisher so verlaufen ist, daß die Sorgen derjenigen, die sich skeptisch gezeigt haben, oder das sogar als Bedrohung empfunden haben, nicht berechtigt sind.
UNI-INFO: Vor einem Jahr hat der Senat beschlossen, eine Arbeitsstelle gegen sexuelle Diskriminierung einzurichten. Wird sie eingerichtet?
RIEKEN: Es gibt eine Arbeitsgruppe, die die Errichtung einer Arbeitsstelle gegen sexuelle Diskriminierung und Gewalt auf kommunaler Ebene plant. D.h. wir hoffen auf eine Einrichtung, an der nicht nur die Universität, sondern auch die Stadt und andere Behörden, aber auch Betriebe beteiligt sind. Diese Arbeitsstelle ist notwendig. Das sehen wir gerade auch an den jüngsten Fällen. Wir müssen eine Anlaufstelle für solche Situationen schaffen und Verfahrensregelungen erarbeiten, wie man Fälle von sexueller Diskriminierung handhabt.
UNI-INFO: Können Sie die Fälle sexueller Diskriminierung quantifizieren?
RIEKEN: Wir könnten das, aber wir machen das ganz bewußt nicht, weil Statistiken mitunter beliebig interpretierbar sind - je nachdem, welchen Fokus man drauflegt, und da besteht eine gewisse Gefahr. Und: Jeder Fall ist einer zuviel. Wir sind aber wie gesagt dabei, Verfahrensregelungen zu erarbeiten, die die Informierung der Dienststelle erlauben.
UNI-INFO: Haben Sie eine Ahnung, wann Ihre Stelle überflüssig wird?
RIEKEN: Von der Hoffnung her relativ schnell, aber die Gleichstellung von Frauen ist keine Frage von einigen Jahren, sondern mindestens einer Generation.