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Das aktuelle Interview
"Individuelle und strukturelle Gründe"
Vizepräsident Prof. Dr. Wolfgang Nebel zur Problematik der Forschungsförderung
UNI-INFO:
Ist universitäre Forschung grundsätzlich an die Einwerbung von
Drittmitteln geknüpft?
NEBEL: Forschung, zumindest wenn sie eine überregionale Bedeutung
erlangen soll, muss sich der internationalen Konkurrenz stellen. Um hier
zu bestehen, ist eine intensive und breite Auseinandersetzung mit der
jeweiligen Fragestellung notwendig. Hierzu ist eine kritische Masse an
Forschungsressourcen notwendig, die die Universität leider keinem
ihrer Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler aus dem Landeshaushalt
zur Verfügung stellen kann. Dieser Bedarf kann derzeit nur durch
Drittmittel gedeckt werden, die von privaten oder öffentlichen Geldgebern
eingeworben werden. Aus diesem Grunde hat sich das Drittmittelvolumen
einer Universität, eines Fachbereichs oder einer Forscherin oder
eines Forschers als indirekter Indikator der Forschungsleistung etabliert.
Drittmittel sind nicht Ziel, sondern häufig Vorraussetzung der Forschung!
UNI-INFO: Viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unserer Universität
verfügen über keine Drittmittel. Wollen sie nicht oder können
sie nicht, d.h. sind dafür individuelle oder strukturelle Gründe
maßgebend?
NEBEL: Die meisten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unserer Universität
haben erfolgreich Drittmittel eingeworben. Auffallend sind jedoch die
starken Schwankungen in der Höhe. Nur etwa ein Drittel verfügt
über mehr als 100.000 Mark jährlicher Drittmittel. Die Gründe
hierfür sind meines Erachtens in einer unglücklichen Verquickung
individueller und struktureller Ursachen zu suchen. 54 Prozent unserer
Professuren werden in den nächsten zehn Jahren vakant. Dies folgt
aus der geringen Fluktuation auf C3- und C4-Stellen seit der Universitätsgründung
1974. Seinerzeit hatten Drittmittel strukturell und ideologisch eine andere
Bedeutung als heute. In der Zwischenzeit hat die Universität wenig
personelle Erneuerung erfahren. Es fehlte an Impulsen, die sowohl inhaltlich
als auch bezüglich des Forschungsmanagements motivierend in die Universität
gestrahlt hätten.
UNI-INFO: Die Universität Oldenburg schneidet im niedersächsischen
Vergleich bei der Bewilligungen von DFG-Mitteln je WissenschaftlerInnen
nicht gut ab. Woran liegt das? Haben wir schlechtere Wissenschaftler und
Wissenschaftlerinnen als andere Hochschulen?
NEBEL: In der Tat liegt unsere Universität hier auf einem abgeschlagenen
Platz. Dies ist um so bedauerlicher, als die DFG-Rangliste publiziert
wird und häufig als Leistungsindikator für Forschungsqualität
herangezogen wird. Vergleichbare Statistiken stärker anwendungsbezogener
Drittmittelgeber, z.B. der EU und des BMBF, liegen nicht vor. Hierbei
würden wir sicherlich besser abschneiden. Nun besitzen DFG-Mittel
auch deshalb ein großes Ansehen, weil es Erfahrung, exzellenter
Vorarbeiten und detaillierter Kenntnisse der Entscheidungskriterien bedarf,
um DFG-Anträge erfolgreich durch das qualitativ sehr anspruchsvolle
Begutachtungsverfahren zu bringen. Hierbei tun sich sicherlich große
Traditionsuniversitäten leichter, die Professuren doppelt und Fächer
breiter besetzen können. Besonders deutlich wird dies bei Großprojekten,
wie z.B. Sonderforschungsbereichen. Um auch hier erfolgreich zu sein,
müssten unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stärker
miteinander und teilweise auch mit der Nachbaruniversität Bremen
kooperieren.
UNI-INFO: Welche Maßnahme zur Verbesserung der Forschungsförderung
ist am wichtigsten?
NEBEL: Der Ruf nach Mitteln vom Land wird wirkungslos verhallen oder bestenfalls
als Echo mit der Forderung nach Vorleistungen zurückkommen. Mit der
Ausstattung und der Masse älterer und größerer Universitäten
können wir nicht mithalten. Wir sollten uns auf unsere Stärken
besinnen, die in der überschaubaren Größe, der Flexibilität,
Innovationsfreudigkeit und - so hoffe ich - in der Kollegialität
beruhen. Wenn es uns gelingt, insbesondere die jungen Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler zur Antragstellung zu ermuntern und ihnen die notwendige
Hilfestellung, Erfahrung und Beratung anzubieten, die zur Steigerung der
Erfolgschancen notwendig sind, können wir aufholen. Hierzu hat der
Senat die Einführung eines Beratungssystems beschlossen. Die Umsetzung
erfordert nun die Bereitschaft erfahrener und erfolgreicher Forscherinnen
und Forscher, ihr Know-how weiterzugeben und Zeit für die Beratung
in der Antragstellung weniger erfahrener Kolleginnen und Kollegen zur
Verfügung zu stellen. Sie erfordert aber auch die Bereitschaft, dieses
Angebot anzunehmen und das notwendige Vertrauen aufzubringen, das eigene
Werk, bevor es einem anonymen Gutachter zur Bewertung vorgelegt wird,
der konstruktiven Kritik einer Kollegin oder eines Kollegen der eigenen
Universität zu stellen. Ich selbst habe zu Beginn meiner Drittmittelkarriere
solche Beratungsgespräche gerne gesucht und hierbei viel gelernt.
Als zweiter Hinderungsgrund zur erfolgreichen Antragstellung ist sicherlich
die mangelhafte Ausstattung unserer Universität mit Nachwuchsstellen
zu sehen. Diese Stellen dienen u.a. natürlich ganz maßgeblich
der Vorbereitung von Anträgen. Literaturrecherche und andere wichtige
Vorarbeiten können rein zeitlich häufig nicht vom Antragsteller
allein durchgeführt werden. Hier zieht die zweite Komponente des
Forschungsförderungskonzepts, die die befristete Beantragung von
Personalkapazität ermöglicht.
UNI-INFO: Auffällig ist beim Drittmittelaufkommen die Schieflage
zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Haben Sie da besondere Ideen
und Vorschläge?
NEBEL: Auch nach der DFG-Statistik ist das durchschnittliche Drittmittelvolumen
je Professur in den Geisteswissenschaften deutlich niedriger als in den
Naturwissenschaften, wo typischerweise neben Mitarbeiterstellen auch teure
Geräte beantragt werden. Allerdings fällt das Verhältnis
bei uns noch ungünstiger zu Lasten der Geisteswissenschaften aus
als im Bundesdurchschnitt. Dies liegt sicherlich auch daran, dass in den
Geisteswissenschaften eine koordinierte Forschung mehrerer Professuren
eher die Ausnahme ist. Eine weitere Verbesserung erhoffe ich mir von einer
verstärkten transdisziplinären Forschung unter Beteiligung von
Geistes- und Natur- oder Ingenieurwissenschaftlern. Der Sonderforschungsbereich
Neurokognition und die Hörforschung sind mittlerweile etablierte
weithin sichtbare transdisziplinäre Forschungsschwerpunkte unserer
Universität. Neue Initiativen zur Umweltmodellierung, die Verbindung
von Lehr-Lernforschung mit neuen Medien, die Frauen- und Geschlechterforschung,
der Promotionsstudiengang Didaktische Rekonstruktion sowie das Coastal
Zone Management sind weitere vielversprechende Ansätze.