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Das aktuelle Interview

Bachelor und Masterabschlüsse:
Chance für die Lehrerausbildung

Interview mit Ulrich Kattmann über die grundlegende Umstellung des Studiums

Im kommenden Jahr wird sich das Studienangebot an der Universität Oldenburg - wie auch an vielen anderen Hochschulen - grundlegend ändern. Anstelle der Diplom-, Magister- und Lehramtsstudiengänge treten modularisierte Studiengänge mit Bachelor- und Masterabschlüssen. Der Direktor des Didaktischen Zentrums (diz), Prof. Dr. Ulrich Kattmann, sieht für die Lehrerausbildung deutliche Vorteile.

UNI-INFO: Herr Kattmann, Sie haben sich an die vorderste Front der Befürworter der radikalen Umstellung des Lehramtsstudiums gestellt und das, obwohl Oldenburg in diesem Bereich besonders gut dasteht.

KATTMANN: Das Präsidium hat auf Vorschlag des diz beschlossen, dass die Universität am niedersächsischen Verbundprojekt zur Einführung gestufter Studiengänge in der Lehrerausbildung teilnimmt und mit dem Studienjahr 2004/05 alle Fächer der bisherigen Lehramtsstudiengänge umgestellt werden. Wir haben durch die Einführung von Bachelor- und Masterabschlüssen die Chance, das Lehramtsstudium besser in das gesamte Studienangebot zu integrieren. Wir müssen es aus der Randlage, in der es sich auch in unserer Universität befindet, herausholen. Die Aussage, dass die Lehrerbildung eine der beiden Säulen der Universität darstellt, muss auf diese Weise auch materiell umgesetzt werden und muss sich für diejenigen, die sich besonders engagieren, auch im Verfügen über die nötigen Ressourcen auszahlen. Ich war zunächst äußerst skeptisch, als die Frage des Bachelor- und Masterstudiums mit damals zum Teil abwegigen Vorstellungen zur Lehrerausbildung aufkam. Aber inzwischen sehe ich die Chancen, die sich für die Lehrerausbildung und die gesamte Universität bieten.

UNI-INFO: Was versprechen Sie sich vom Bachelor?

KATTMANN: Die bisherigen Fächer müssen sich bei Einführung des Bachelors unabdingbar der Anwendung ihrer Wissenschaften in nicht-wissenschaftliche Berufe öffnen und so tatsächlich berufsqualifizierend werden.

UNI-INFO: Diejenigen, die das Lehramt anstreben, müssen sich bei Studienbeginn entscheiden, weil sie zwei Fächer belegen müssen.

KATTMANN: Ja. Die Kultusministerkonferenz will das so. Und das wirft besonders in den Naturwissenschaften einige Probleme auf. Die Diplomausbildung war bisher auf ein Fach ausgerichtet. In Magisterstudiengängen wurden schon bisher mehrere Fächer studiert.

UNI-INFO: Läuft das Zweifächerstudium dann aber nicht doch wieder auf eine Trennung zwischen Lehramt- und Fachstudium hinaus - zumal das Studium der Erziehungswissenschaft und der Fachdidaktiken als Teil der Lehrerausbildung nicht erst nach dem Bachelor beginnen kann?

KATTMANN: Wir wollen diese Trennung möglichst vermeiden, indem die für die Lehrerausbildung unverzichtbaren Elemente als nützlich und berufsqualifizierend in allen Varianten des Bachelorstudiums zumindest optional vorgesehen werden. Vor allen Dingen gilt es, das Fachstudium berufsqualifizierend zu reformieren. Es ist eines unserer zentralen Anliegen, dass von vornherein Fachwissenschaft und Fachdidaktik miteinander verzahnt studiert werden, aber eben nicht nur mit Blick auf ein Lehramtsstudium. Die Fähigkeit, Wissen zu vermitteln, fördert nachhaltig zugleich das Lernen des Fachwissens. Das Fach selbst muss hinsichtlich seiner Aussagen und seiner Systematik reflektiert werden. Im Übrigen ist doch bekannt, dass man erst dann etwas richtig erfasst, wenn man auch lernt, es anderen verständlich mitzuteilen.

UNI-INFO: Wird der Bachelorabschluss im Rahmen des Lehramtsstudiums die gleiche Qualität haben wie die fachorientierten Bachelorabschlüsse? Wenn jemand erkennt, der Lehrerberuf ist doch nicht die richtige Wahl, was macht er mit dem Bachelor?

KATTMANN: Der Bachelorabschluss soll polyvalent sein. Das heißt: Es wird einen allgemeinen Bachelorabschluss geben und keinen „Lehramtsbachelor“: Dieser erste universitäre Abschluss wird für alle verbindlich - für diejenigen, die nur ein kurzes berufsqualifizierendes Studium wollen, für diejenigen, die ein fachwissenschaftliches Studium anstreben, für diejenigen, die sich für ein Lehramt entschieden haben genauso, wie für Unentschlossene. Der Bachelorabschluss qualifiziert also zum Einstieg in einen Beruf und ermöglicht bei entsprechender Fächerwahl und Studienleistung den Zugang zu einem Masterstudium entweder in einer Fachwissenschaft oder für ein Lehramt.

UNI-INFO: Im Lehramt Grund- und Hauptschulstudium galt bisher eine kürzere Regelstudienzeit. Bleibt das so?

KATTMANN: Leider ja. Die kürzere Studienzeit wird nicht sachlich oder fachlich begründet, sondern mit Besoldungsargumenten. In Niedersachsen hat man vorläufig beschlossen, dass der Master für Grund-, Haupt- und Realschule (GHR-Bereich) einjährig sein soll. Bremen hat nur ein Lehramt für alle öffentlichen Schulen. Dort wird es auch für den Primarbereich ein zweijähriges Masterstudium geben. Ein nur einjähriges Masterstudium ist schon wegen der nötigen schulpraktischen Studien nicht sinnvoll zu organisieren. Keine der Universitäten akzeptiert das. In Oldenburg planen wir daher im GHR-Bereich mindestens ein dreisemestriges Master-Studium.

UNI-INFO: Mit dem Bachelor- und Masterstudium kommt die Modularisierung - die Abstimmung von mehreren Veranstaltungen zu einer Lerneinheit. Das Wort Modularisierung war in der Bildungspolitik bis vor wenigen Jahren kaum bekannt. Werden die WissenschaftlerInnen bereit sein, sich darauf umzustellen?

KATTMANN: Es gibt zum Teil Widerstand. Aber die Modularisierung ist auch ohne gestufte Studiengänge zwingend gefordert, da ohne sie keine Zulassung von neuen Studiengängen erfolgen wird und die alten nach Niedersächsischem Hochschulgesetz nur noch bis zum Jahr 2009 als zugelassen gelten. Auch die Internationalisierung des Studienbetriebes zwingt dazu. Die Modularisierung ist eine wichtige Voraussetzung für das gestufte System, in dem die Lerneinheiten abprüfbar sein müssen. Aber das ist nur die eine Seite. Modularisierung birgt inhaltlich große Chancen. Das Studium wird zu größeren Lerneinheiten zusammengefasst. Für jedes Modul sind die Kompetenzen zu formulieren, die von den Studierenden erworben werden sollen. Dies alles erfordert eine zum Teil interdisziplinäre Abstimmung zwischen den Lehrenden.

UNI-INFO: Was sagen Sie denen, die von einer Verschulung des Studiums sprechen, das wenig Raum zur Wahl und Reflexion lässt?

KATTMANN: Das ist nicht richtig. Die Reflexion des Faches sollte u. a. durch die Beteiligung von Fachdidaktiken und Philosophie ein zentraler Aspekt bereits des Bachelorstudiums an Universitäten sein. Mit der Modularisierung werden die Studierenden mehr Wahlmöglichkeiten bekommen, weil bestimmte Module gegeneinander austauschbar sind und als gleichwertige Lernleistung anerkannt werden. Dadurch wird zugleich eine beliebige Wahl oder ein beliebiges Angebot von Veranstaltungen ausgeschlossen. Wir haben aber dabei nicht die Vorstellung, dass das Studium für alle gleich nach einem bestimmten Schema verlaufen müsse. Das entspricht nicht der Realität des Lernens. Das Studium soll durch die Modularisierung für die Studierenden durchschaubar und damit persönlich gestaltbar werden, indem aus dem Angebot der Module gezielt ausgewählt wird. Der für alle verpflichtende Teil soll durch Kerncurricula sehr eng begrenzt werden.

UNI-INFO: Es gibt Wissenschaftler, die sich in ihrer Freiheit beschränkt fühlen, weil sie sich in ihrem Lehrangebot mit anderen abstimmen müssen?

KATTMANN: Die Freiheit von Forschung und Lehre ist nicht die Freiheit zu der individuellen Entfaltung eines eigenen Hobbys.

UNI-INFO: Dennoch: wird es für manche schwer werden, sich dem neuen System anzupassen?

KATTMANN: Es wird für alle nicht leicht sein. Die Umstellung ist ein Kraftakt, der aufgrund politischer Vorgaben in kürzester Zeit zu leisten ist. Auch diejenigen, die in den nächsten Jahren pensioniert werden, sollten sich klarmachen, dass sie den Nachfolgenden nicht alle Arbeit aufhalsen dürfen. Und das Alter sagt ja nicht immer etwas über die Bereitschaft aus, Neues zu beginnen. Manchmal sind es gerade die Älteren, die die Notwendigkeit des Neuen sehen. Die Umstellung wird kommen und wir müssen uns anstrengen, damit sie überlegt vorbereitet und effektiv durchgeführt wird. Das sind wir der Zukunft dieser Universität schuldig.

UNI-INFO: Sie gehören zu denen, die bald in den Ruhestand gehen. Fühlen Sie sich als Wegbereiter für die neuen Professoren und Professorinnen?

KATTMANN: Ich freue mich, dass ich an dieser wichtigen Aufgabe mitwirken kann.

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Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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