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Forschung

Vom Reagenzglas zur Chemieanlage

Internationales Interesse an AG Technische Chemie

Die Forschungsevaluationen über die Arbeitsgruppe Technische Chemie an der Oldenburger Universität lassen keine Zweifel: Der Bereich Technische Chemie unter Leitung von Prof. Dr. Jürgen Gmehling genießt weltweit hohes Ansehen und ist führend auf dem Gebiet der Modellierung thermischer Trennprozesse. In den Räumen der Arbeitsgruppe trifft man viele auswärtige Gäste: Doktoren und Professoren aus China, Japan, Korea und Südafrika. Am Ende dieses Jahres werden zwölf ausländische Wissenschaftler in der Technischen Chemie grenzübergreifend geforscht haben.

Gmehling kam vor 13 Jahren von Dortmund als Professor für Technische Chemie nach Oldenburg. Laborarbeit steht für ihn nicht mehr auf dem Tagesplan. Und sowieso wird inzwischen in der Technischen Chemie viel mehr mit dem Computer als im Labor gearbeitet. Fragestellungen wie die Wahl des richtigen Reaktortyps, des besten Katalysators, der optimalen Reaktionsbedingungen sowie die Entwicklung und Optimierung von Trennverfahren können heute fast vollständig mit Modellen simuliert werden. Dass die virtuelle Chemie recht gut mit den Ergebnissen realer Experimente übereinstimmt, ist auch Gmehling und seiner internationalen Arbeitsgruppe zu verdanken.

Prof. Dr. Jürgen Gmehling (Mitte) mit Gastwissen-schaftlern (v.l.): Dr. Ryo Kato (Japan), Prof. Dr. Jiding Li (China), Kyu-Yin Hans (Südkorea), Prof. Dr. Tomohiko
Yamaguchi (Japan).

„Man muss wissen“, und schon beginnt der Professor seinen Crashkurs, „dass in einer typischen Chemieanlage - bestehend aus den drei Stufen Vorbereitung der Reaktanten, Reaktion und Aufarbeitung - bis zu 80 Prozent der Kosten für die Aufarbeitung der Produkte durch thermische Trennverfahren benötigt werden.“ Das wichtigste Trennverfahren ist die Rektifikation, gut bekannt als Destillation aus der Schnapsbrennerei. Um solche Verfahren zu entwickeln, muss man die sogenannten Phasengleichgewichte kennen. Doch deren Messung kann sehr zeitaufwändig sein. Für manche Systeme müsste ein Chemiker Jahrzehnte im Labor stehen. Ein mathematisches Modell hingegen erledigt solche Aufgaben in Sekundenschnelle.

Gmehling erklärt weiter: „Für die Entwicklung dieser Modelle sind zuverlässige Stoffdaten erforderlich. 1973 begannen wir an der Universität Dortmund mit der Erfassung experimenteller Daten in einer computergestützten Datensammlung, der Dortmunder Datenbank.“ Die Datenbank wird seit 1989 von der ausgegründeten Firma DDBST gepflegt. In dieser weltweit größten Sammlung wurden Daten aus 50.000 Artikeln erfasst und in über 20 Sprachen publiziert. 10.000 Datensätze kommen jährlich neu hinzu.

Für diesen enormen Informationsgehalt bedarf es schließlich doch wieder der Messung im Labor. Daher wurden an der Oldenburger Universität computergesteuerte Messtechniken für Stoffdaten entwickelt. „Damit können wir so gut wie alles bestimmen“, so Gmehling. Um die industriellen Messungen ausreichend betreuen zu können, wurde 1999 das An-Institut LTP GmbH gegründet. Dem einen oder anderen Basketballfreund mag die LTP bekannt vorkommen - sie ist Sponsor der EWE-Baskets.

So entstehen Modelle, die täglich von tausenden Ingenieuren weltweit eingesetzt werden. Selbstbewusst berichtet Gmehling über UNIFAC, „ein Konsortium aus 40 renommierten Chemiefirmen, wie DuPont, Mitsubishi, BASF und Bayer, die uns bei der Weiterentwicklung der Modelle finanziell unterstützen“. Die Bestätigung kommt auch aus der Forschung. Mit rund 300 Publikationen und etwa 50 Büchern kann Gmehlings Arbeitsgruppe aufwarten. Entsprechend begehrt sind die Forschungsaufenthalte in der Technischen Chemie. „Leider“, so Gmehling, „haben wir nur Platz für vier bis fünf Gäste gleichzeitig. Und dabei müssen wir schon zusammenrücken.“ Im nächsten Jahr soll das besser werden. Dann steht ein Umzug der hauseigenen Firmen in das Technologie-Zentrum am Küpkersweg an.

Susanne Adam

Beim Liebesquaken große Unterschiede

Wer denkt, dass Europäischer Laubfrosch gleich Europäischer Laubfrosch ist, täuscht sich. Wenn auch äußerlich sehr ähnlich, unterscheiden sich die Tiere doch erheblich in ihren Paarungsrufen. Dies stellte der Oldenburger Biologe Dr. Thomas Friedl bei einer detaillierten Analyse der Rufe von über 60 Laubfroschmännchen fest. Wie alle Frösche und Kröten kommunizieren Laubfrösche untereinander hauptsächlich auf akustischem Wege. So versammeln sich zum Beispiel die Männchen während der Paarungszeit nachts an den Laichgewässern, um die Weibchen mit ihren Rufen anzulocken. Bei vielen Arten wählen die Weibchen ihren Favoriten anhand bestimmter Merkmale seines Rufes. Die nordamerikanischen Verwandten der hiesigen Laubfrösche bevorzugen beispielsweise Männchen mit einer hohen Rufrate und langer Rufdauer. „Rufen ist für Frösche sehr energieaufwändig, und nur ein Männchen, das wirklich fit ist, kann sich ein anstrengendes Ruf-verhalten leisten“, so Friedl über dieses Wahlverhalten. Welche Rufeigenschaften Europäische Laubfroschweibchen attraktiv finden, wollen die Oldenburger Biologen mit Hilfe von Weibchenwahlversuchen testen. Dabei wird jeweils ein Weibchen mittig zwischen zwei Lautsprecher platziert, aus denen ihm unterschiedliche Testrufe präsentiert werden, deren Merkmale die Forscher systematisch variieren. Das Tier zeigt seine Präferenz, indem es sich dem „anziehenderen“ der beiden Paarungsrufe nähert und so verrät, worauf es ihm bei der Partnerwahl ankommt.

Die akustische Kommunikation zwischen den Männchen spielt eine wichtige Rolle bei der Sicherstellung des Individualabstandes. Europäische Laubfrösche zeigen zwar kein territoriales Verhalten, sie verteidigen jedoch ihren Platz im Chor der werbenden Männchen, wobei sie ihre Distanz zum nächsten Tier in Dezibel „messen“: Erreicht der Ruf eines anderen Frosches eine bestimmte Lautstärke, werden die Paarungsrufe unterbrochen, um den Eindringling mit schnarrenden Aggressionsrufen zu vertreiben. Die Höhe dieser Aggressionsschwelle sowie die Abhängigkeit vom sozialen Kontext wollen die Biologen durch Playback-Versuche bestimmen.

Darüber hinaus soll untersucht werden, ob ein Laubfrosch seine direkten Nachbarn über ihre Rufe identifizieren kann. Eine solche akustische Individual-erkennung, wie sie von Ochsenfröschen bekannt ist, spielt die entscheidende Rolle beim „Dear-Enemy“-Phänomen: Die Aggressionsschwelle gegenüber den Rufen etablierter Nachbarn sinkt, wodurch die Männchen Zeit und Energie für Aggressionsrufe sparen, solange sich kein echter Eindringling durch einen unbekannten Ruf verrät.

Julia Stalleicken

nach oben Spin-Off VI: Gefahrfeuer als Standbein

Unser Ehrgeiz ist es, eine lebendige Firma zu bleiben, in der wir aus Lust an der Arbeit immer wieder ganz neue Dinge bewegen!“ Anne Higgen und Jens Krieger haben außer Ehrgeiz noch eine Menge mehr zu bieten. Seit drei Jahren entwickeln und vermarkten sie in ihrer Firma Thales Instruments GmbH Steuerungen für Gefahrfeuer und Messsysteme im Windenergiebereich. Bei einem Anruf in der Firma ist geschäftiger Lärm im Hintergrund zu hören: Da ist richtig was los bei Thales. „Nein, nein, wir sind auf einem Betriebsausflug. Mit einem Segelschiff auf der Hunte. Schön ist es hier...“

Dass sie irgendwann als Projektmanagerin mit einer Crew von sieben Mitarbeitern auf der Hunte segeln würde, hätte sich Higgen vor ein paar Jahren nicht träumen lassen. Als sie ihr Diplom in Physik an der Oldenburger Universität erhielt, sah es auf dem Arbeitsmarkt sehr schlecht aus. „Ich hatte nur die Möglichkeit, nach München zu gehen. Aber ich wollte lieber in der Region bleiben. Doch an der Uni selbst bekam man bestenfalls eine halbe Stelle.“ Ähnlich sah es auch Jens Krieger, ebenfalls Diplomphysiker aus Oldenburg. So beschlossen sie, eine eigene Firma zu gründen.
Ihre Idee setzten sie 1996 mit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in die Tat um. Die ersten Büroräume konnte man kaum als solche bezeichnen - eine billige Souterrain-Klause in der Donnerschweer Straße. „Zum Teil habe ich Briefe ausgetragen und EDV-Unterricht gegeben, um uns irgendwie über Wasser zu halten.“ Aber sie war lange Zeit bei der EFA, einer Existenzgründungsagentur für Frauen sowie der Wissens- und Technologietransferstelle „Dialog“ der Universität Oldenburg aktiv und kannte die Risiken. Zudem mussten die Physiker ohne eine Anschubfinanzierung auskommen. „Das ist eher ungewöhnlich und enorm schwierig“, erzählt Higgen. „Das Geld, das wir verdienten, steckten wir gleich in nächste Projekte.“ Nach drei Jahren endlich wurden sie von der Bremer Firma REETEC, einem Dienstleistungsunternehmen in der Windenergiebranche, entdeckt. Thales sollte die Steuerungen für Gefahrfeuer an Windanlagen entwickeln. Den Erfolg kann sehen, wer nachts auf der Autobahn von Oldenburg nach Bremen fährt. Zwischen Hatten und Hude blinken auf zehn Mühlen Gefahrfeuer, die die Anlagen auch bei Dunkelheit weithin sichtbar machen.

Es war das Sprungbrett zur Karriere. Aus der GbR wurde im Jahr 2000 eine GmbH. Aus den Souterrain-Räumen ein hübsches Büro auf dem Gelände der ehemaligen Brandt-Werft im Oldenburger Osten. Und die Blinklichter sorgten für ein stetiges Einkommen. Natürlich kann man auf einem Bein nicht stehen. Thales entwickelte also Geräte zur Datenerfassung bei Windmessungen, sogenannte Datenlogger. Datenlogger helfen bei der Entscheidung für oder gegen einen Standort für Wind-energieanlagen. Außerdem werden die Geräte zur Überwachung schon vorhandener Anlagen eingesetzt.
Neue Perspektiven für das Geschäft bietet vor allem die Offshore-Windenergie. Ein Thales-Datenlogger wird z.B. seit Dezember 2002 auf einem Messpfahl in der Mecklenburger Bucht 20 km vor der Küste für Windmessungen eingesetzt. Hier soll in einigen Jahren der Offshore-Windpark Sky2000 aus dem Wasser ragen. Ein anderer Datenlogger sammelt auf dem Leuchtturm „Tegeler Plate“ in der Weser-Mündung Daten für den geplanten Offshore-Park Nordergründe.

Inzwischen arbeiten für die Firma Thales insgesamt acht Personen: Con-troller, Netzwerkverwalter, Geräte- und Software-Entwickler. Ihre Zukunft ist durch den Boom der Windbranche vorerst gesichert, der Ehrgeiz jedoch nicht erschöpft. Das neue Kompetenzzentrum Windenergie der Universität Oldenburg kommt da gerade recht.

Susanne Adam

http://www.thales-instruments.de

nach oben UGO-Preis für Chemikerin

Gewinnung neuartiger Stoffe aus Pflanzenölen

Der Gerhard-Wachsmann-Preis 2004 der Universitätsgesellschaft Oldenburg (UGO), der mit 3.000 € dotiert ist, geht an die Chemikerin Dr. Sandra Fürmeier. Ihre herausragende Dissertation sei ein „wichtiger Beitrag zur Entwicklung neuer Nutzungsmöglichkeiten von Pflanzenölen, die als nachwachsende Rohstoffe in der Chemie dienen“, heißt es in der Begründung der Jury. Die Preisverleihung findet am 18. November, 16.00 Uhr, im Vortragssaal der Bibliothek statt.

In ihrer Arbeit, die bei Prof. Dr. Jürgen O. Metzger (Organische Chemie, Fakultät V) entstanden ist, befasst sich die Nachwuchswissenschaftlerin mit der Synthese neuartiger Fettstoffe mit sog. heterocyclischen Funktionen als biologisch aktive Wirkstoffe. Fernziel ist es, Stoffe zu gewinnen, die z.B. das Wachstum von Tumoren stoppen können oder schädliche Mikroorganismen abtöten. Während der Arbeit bestand eine intensive Kooperation mit Prof. M. S. F. Lie Ken Jie, University of Hong Kong.
www.uni-oldenburg.de/ugo/foerderung/index.html

nach oben Alles im Lot

Auf einem Bein balancieren und gleichzeitig geistige Höchstleistungen vollbringen - geht das? Zur Frage, wie unser Gleichgewichtssinn und die Wahrnehmungsfähigkeit verknüpft sind, haben sich in der Fachwelt der Psychomotorik zwei konkurrierende Expertenmeinungen herausgebildet: Der Ansatz der „zentralen Kompetenz“ des Berliner Altersforschers Paul R. Baltes geht davon aus, dass uns nur eine beschränkte Leistungsfähigkeit, also ein limitiertes „Intelligenzkonto“, für unsere motorischen Fähigkeiten zur Verfügung steht. Älteren Menschen, die eine erhöhte Konzentration für sichere Bewegungsabläufe aufbringen müssen, stände demnach eine verminderte Wahrnehmungsfähigkeit für gleichzeitige Zusatzaufgaben zur Verfügung. Gleichgewicht und geistige Leistung schöpfen zwar aus dem selben „Topf“, sind aber nicht verknüpft. Ganz anders beurteilt der Ansatz der „funktionalen Integration“ unsere Leistungsfähigkeit in Bezug auf den Gleichgewichtssinn. Verfechter dieser These, wie der Bewegungsforscher Thomas A. Stoffregen, stellten fest, dass visuelle Zusatzaufgaben für das Gehirn die motorische Gleichgewichtsleistung nicht verschlechtern. Sie gehen davon aus, dass beide Systeme miteinander verknüpft sind.

Der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Volker Lippens, der an der Universität Oldenburg eine Professur für Bewegungslehre vertritt, hat sich mit einer Reihe von Experimenten diesem Expertendiskurs gewidmet. Erste Unterstützung für die These der funktionalen Integration lieferte Lippens mit Versuchen, in denen Sportstudierende die Aufgabe hatten, auf einem Turnkreisel die Balance zu halten und gleichzeitig Buchstaben auf Texttafeln aufzuspüren. Ein speziell dafür entwickeltes Instrument maß indes, wie sehr die Studierenden kippelten, während sie sich auf die Textzeilen konzentrierten.

In weiteren Untersuchungen konnte Lippens zeigen, dass sich auch bei Senioren die Bewegungskoordination verbessert, wenn das Nebeneinander von Bewegung und Zusatzaufgaben, wie z. B. Lesen, untersucht wird. Bemüht sich der Proband beispielsweise, Buchstaben zu erkennen, während er gleichzeitig die Balance halten muss, verbessert sich automatisch seine Bewegungskoordination, um das Suchen zu erleichtern.

Besondere Bedeutung kommen Lippens Ergebnissen in der psychomotorischen Förderung von Schulkindern zu. So lösten Oldenburger Schulkinder in den Versuchen Balance-Aufgaben auf dem kippeligen Turnkreisel auch bei gleichzeitigen Rechenaufgaben nicht schlechter als ohne Zusatzaufgaben. Das Theorie-Praxis-Projekt „Alles im Lot“ will nun in weiteren Experimenten mit einer 1. und einer 4. Klasse klären, ob sich auch die Lese- und Rechenleistungen der Schüler steigern lassen, wenn sie gezielt in ihrer Bewegungsfähigkeit gefördert werden.

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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