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"Wenn die Verteidigung der Mittelmäßigkeit schwerer wird, ist die Forderung nach Exzellenz eher umzusetzen"

Wissenschaftsminister Lutz Stratmann in der Universität Oldenburg über die niedersächsische Hochschullandschaft im Bologna-Prozess

Eine Politik, die die Stärken stärken will und Bereiche zur Disposition stellt, deren Schwächen entweder offenkundig oder durch Gutachten belegt sind, war in Zeiten des finanziellen Überflusses nur schwer durchsetzbar, sonst hätten wir heute viele Probleme nicht. Ich sehe jetzt die Chance, Korrekturen da vorzunehmen, wo man in Zeiten des relativen Überflusses nicht die Kraft dazu hatte.

Die notwendigen Einschnitte sind damit keineswegs angenehmer oder für die Betroffenen weniger belastend. Wir werden auch Einrichtungen zur Disposition stellen müssen, die an sich ordentliche Arbeit leisten, aber bei einer Abwägung zwischen „nice to have“ und „urgently needed“ nicht bestehen.

Wenn die Verteidigung der Mittelmäßigkeit schwerer wird, ist die Forderung nach Exzellenz eher umzusetzen. Ich freue mich, dass die Universität Oldenburg sich mit einer von landesweit zehn Graduate Schools in der fachdidaktischen Lehr- und Lernforschung positionieren konnte, ein klarer Ausweis für Exzellenz in diesem so wichtigen Forschungsfeld.

Die Einrichtung der Graduate Schools an den niedersächsischen Universitäten ist Teil des Bolognaprozesses und zielt auf Bachelor-Master-Studienstrukturen. Sie sind klar an dem Ziel der Exzellenzförderung ausgerichtet, die von einem Prinzip beherrscht wird, nämlich dem des qualitätsgesteuerten Wettbewerbs. Dabei meine ich nicht den Wettbewerb zwischen Oldenburg und Bielefeld oder zwischen Bremen und Braunschweig, sondern vielmehr den Wettbewerb auf nationaler, europäischer und darüber hinaus gehend internationaler Ebene. Auf diesem Hintergrund gestatten Sie noch ein paar Bemerkungen zum Hochschuloptimierungskonzept der Landesregierung.
Was sind die Fakten? Wir müssen die Hochschulbudgets im Jahre 2004 um rd. 40,6 Mio. € gegenüber den Planansätzen zurückfahren. Die Summe erhöht sich in 2005 nochmals um rd. 10 Mio. €. Das Kabinett hat allerdings entschieden, dass damit der Hochschulbereich für den Zeitrahmen der Mittelfristigen Planung von weiteren Eingriffen ausgenommen bleibt ...
Zum Kern des Hochschuloptimierungskonzeptes gehört die zielstrebige Umsetzung des Bolognaprozesses an unseren Hochschulen. Hier habe ich den Ehrgeiz, dass wir uns weiterhin in der Spitzengruppe bewegen und nicht als Bremser am Ende des Zuges ...

Die Perspektive für 2010 ist in der Vergangenheit öfter verbunden worden mit der ärgerlichen Vorstellung einer europaweiten Vereinheitlichung der Studienangebote unserer Hochschulen, womöglich nach den Maßstäben einer Brüsseler Bürokratie, wie sie für den freien Warenverkehr mit landwirtschaftlichen Produkten oft genug Anlass zu Spott, gelegentlich auch zu massivem Ärger gibt. Aber: Es geht gerade nicht um Vereinheitlichung, sondern um eine Bewahrung der die Tradition unseres Kontinents prägenden Vielfalt. Dazu gehören allerdings klare Verabredungen über die Schnittstellen für Übergänge, Anschlüsse und Anrechnungsmöglichkeiten zwischen den europäischen Hochschulsystemen, klare Prinzipien für die Anerkennung von Hochschulabschlüssen auf den verschiedenen Ebenen auf der Grundlage des Vertrauensprinzips ...

War am Beginn des Bologna-Prozesses zwischen den europäischen Bildungsministern von einem zweistufigen System die Rede, mit den Ebenen Bachelor und Master, haben wir uns inzwischen auf ein dreistufiges System einzurichten, das die Ebene des Doktorandemstudiums (die PhD-Phase, insbesondere im Rahmen der Graduate Schools) einschließt. Die Berliner Ministerkonferenz hat auch zur Promotionsphase klare Perspektiven eröffnet, die Europa zusammenführen und im internationalen Wettbewerb der Systeme stärken werden.

Die Diskussion um den Bologna-Prozess wird von drei Leitbegriffen geprägt:

- Stärkung des internationalen Wettbewerbs

- Qualitätssicherung nach internationalen Maßstäben und

- Sicherstellung der Anerkennung von Hochschulabschlüssen nach vergleichbaren Standards.

Lassen Sie mich zuerst auf den Leitbegriff Wettbewerb eingehen ...

Das ist eine dramatische Entwicklung, zumal wenn man dabei den Wettbewerb um die Graduate Schools, der graduierten Studenten um die Promotionsstudiengänge, der Graduate Schools um die interessantesten Nachwuchskräfte, ins Auge fasst.

Der Gesichtspunkt der Qualitätssicherung gehört zum Kontext der Neujustierung der Beziehungen zwischen Hochschule und Staat. In der Vergangenheit hat sich der Staat mit dem der Bürokratie innewohnenden Vereinheitlichungsdruck mit der Vorstellung begnügt, eine Ausrichtung aller Studiengänge nach einheitlichen Maßstäben gewährleiste auch einheitlich (hohe) Qualität; dabei wissen wir, dass die Logik dieses System bestenfalls zur Durchschnittlichkeit tendiert. Im Rahmen des Bologna-Prozesses soll die staatsferne Akkreditierung für eine Qualitätssicherung nach international ausgerichteten Maßstäben sorgen. Diese gehört nicht in die Hände der Bürokratie, sondern in die Hände unabhängiger Experten. Unabhängigkeit heißt hier übrigens nicht nur Unabhängigkeit vom Staat, sondern auch von der antragstellenden Hochschule. Damit vollziehen wir in Deutschland eine Entwicklung nach, die in anderen, leistungsfähigen Hochschulsystemen längst vollzogen ist und leiten zugleich eine Entbürokratisierung und Entstaatlichung der Beziehungen zwischen Hochschule und Staat ein.

Akkreditierung nach international akzeptierten Maßstäben ist Voraussetzung für die internationale Akzeptanz unserer Abschlüsse wie für die Feststellung der Gleichwertigkeit von Hochschulabschlüssen nach dem Vertrauensprinzip der Europäischen Hochschuldiplomrichtlinie von 1989.
Der Bologna-Prozess soll sicherstellen, dass Qualitätssicherung nach Maßstäben und Verfahren praktiziert wird, die international anerkannt und transparent sind. Zwischenstaatliche Äquivalenzabkommen werden dadurch mehr und mehr entbehrlich, in dem Maße, wie Akkreditierung und Evaluation grenzüberschreitend zur Routine werden. Niedersachsen hat sich seit Jahren zusammen mit einer Reihe von nord-, west- und mitteleuropäischen Partnern in der Joint Quality Initiative zusammengeschlossen, um diesen Prozess voranzubringen.

Erlauben Sie mir noch einen kleinen historischen Exkurs. Die Gegner des Bologna-Prozesses bemühen gerne das „gute alte deutsche Diplom“. Dem muss ich entgegenhalten, dass die meisten Diplome ausserhalb des Ingenieurwesens an den deutschen Universitäten, zumal in den Naturwissenschaften, aus dem Jahre 1941 stammen, also letztlich ein Produkt der Kriegswirtschaft sind. Man hatte nämlich festgestellt, dass manch ein Student seinen Universitätsabschluss durch eine längere Promotion hinauszögerte, um dem Kriegsdienst zu entgehen. Die staatliche Reaktion war die allgemeine Einführung vierjähriger Diplomstudiengänge in allen Fachrichtungen, die nicht bereits ein Diplom oder ein Staatsexamen obligatorisch vorsahen. Diese Tradition ist weder besonders rühmlich noch rechtfertigt sie eine Abwertung der im Bologna-Prozess angelegten mehrstufigen Studienstruktur.

Und noch eine Beobachtung: Das Ministerium wird immer wieder um Bescheinigungen ersucht, dass das Universitätsdiplom einem Master entspricht und nicht etwa dem National Higher Diploma, das eine zweijährige Ausbildung bescheinigt oder einem vierjährigen Bachelor of Honours. Ebenfalls wird immer wieder die Frage gestellt, ob denn das Universitätsdiplom zur Promotion berechtigt. Fazit: Das Diplom hat seinen - unbestritten - guten Ruf dort, wo es konkrete Hochschulkooperationen gibt und man das „Produkt“ kennt, überall sonst kann es Probleme mit dieser deutschen Besonderheit geben.

Die Kultusministerkonferenz hat am 9. Oktober endlich die Strukturvorgaben für die Akkreditierung der Bachelor-/Master-Studiengänge verabschiedet. Grundlage waren die im Juni beschlossenen 10 Thesen:

1. Bachelor- und Masterabschlüsse sind eigenständige berufsqualifizierende Hochschulabschlüsse, eine Vermischung mit dem traditionellen Abschluss- System ist ausdrücklich ausgeschlossen.

2. Der Bachelor-Abschluss wird künftig der Regelabschluss eines Hochschulstudiums und soll für die Mehrzahl der Studierenden auch zu einer Berufseinmündung führen. Der Zugang zum Masterstudium richtet sich nach der besonderen Eignung für diese weiterführende Phase des Studiums.

3. Der Bachelor-Studiengang setzt ein eigenständiges berufsqualifizierendes Profil voraus, das eine inhaltliche Neuordnung des Studienangebots erfordert.

4. Für Masterstudiengänge ist zwingend eine Ausrichtung auf ein bestimmtes Profil vorgegeben, wir un-terscheiden stärker anwendungsorientierte von stärker forschungsorientier-ten Profilen. Die Festlegung des Profils ist Gegenstand der Akkreditierung.

5. Masterstudiengänge können sowohl Teil eines konsekutiven Systems mit Bachelor- und darauf aufbauendem Masterabschluss sein, als auch selbstständige Angebote im Rahmen der berufsbezogenen wissenschaftlichen Weiterbildung. Der Weiterbildungs-Master setzt Berufserfahrung voraus und soll die im Beruf gewonnenen Erfahrungen aufgreifen und vertiefen.

6. Die Regelstudienzeiten für den Bachelor betragen mindestens drei Jahre und höchstens vier Jahre, für den Master komplementär zwei Jahre bzw. ein Jahr. Zusammengefasst ergeben sich bis zu 5 Jahre Regelstudienzeit. Der Bachelor umfasst mindestens 180 Leistungspunkte nach dem ECTS-System, für den konsekutiven Masterabschluss sind insgesamt 300 ECTS-Punkte erforderlich.

7. Zur Etablierung der neuen Abschlüsse gehört ein transparentes System der Abschlussbezeichnungen: Zu den Bachelor- und Master-Abschlüssen treten lediglich die Bezeichnungen of Arts, of Science, of Engineering und of Laws hinzu. Alle anderen relevanten Informationen sollen in dem obligatorischen Diploma Supplement dargestellt werden, sind also nicht Bestandteil des Hochschulgrades.

8. Grundsätzlich verleihen Bachelorabschlüsse dieselben Berechtigungen wie Diplomabschlüsse der Fachhochschulen, konsekutive Masterabschlüsse dieselben Berechtigungen wie Diplom- und Magisterabschlüsse der Universitäten. Wer einen Masterabschluss nachweist, hat grundsätzlich die Zugangsberechtigung für eine Promotion, unbeschadet der individuellen Eignung.

9. Für die neuen Studiengänge ist die Qualitätssicherung im Zuge der Akkreditierung zwingend. Grundlage für die Akkreditierung sind die Maßstäbe, die zwischen Hochschulrektorenkonferenz und Kultusministerkonferenz abgestimmt sind. Zu diesen gehört zwingend die Modularisierung des Angebots sowie ein Leistungspunktsystem nach dem ECTS.

10. Die gestufte Studienstruktur mit Bachelor- und Masterabschlüssen und daran anschließenden Promotionsstudiengänge ist wesentlich für das Zustandekommen des europäischen Hochschulraums; dieser soll bis zum Jahre 2010 (im Wesentlichen) aufgebaut sein.

Die Berliner Konferenz hat alle Teilnehmerstaaten auf einen tatsächlichen Beginn mit Berichtspflicht für 2005 festgelegt; wir haben uns für Niedersachsen vorgenommen, bis 2007 mindestens zwei Drittel der Fächer umzustellen, neue Diplom- oder Magisterstudiengänge werden schon jetzt nicht mehr aufgenommen. Nach dem Gesetz erlischt die fiktive Akkreditierung der „alten“ Studiengänge Ende 2009.

Niedersachsen kann insofern eine Pionierrolle beanspruchen, als wir als erstes der Länder mit flächendeckender Evaluation und der Akkreditierung begonnen haben. Ein besonders ehrgeiziges Projekt ist das der Umstellung der Lehramtsausbildung auf die Ziele des Bologna-Pro-zesses; auch da-bei ist Nieder-sachsen vorn. Hier möchte ich ausdrücklich das gute Zusammenspiel von Kultus- und Wissenschaftsministerium unterstreichen, ohne das wir nicht so weit gekommen wären. Die Universität Oldenburg hat sich hier ehrgeizige Ziele vorgenommen, in denen ich Sie nachdrücklich bestärken möchte. Die umfassende Strukturreform in Verbindung mit der Graduate School unterstreicht das starke Profil der Universiät Oldenburg in der Lehramtsausbildung.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch zwei Komplexe ansprechen, die für den Bologna-Prozess wichtige Randbedingungen bedeuten:

- Zum einen die leidigen Kapazitätsfragen, zum andern

- die Verknüpfungen mit dem öffentlichen Dienstrecht.

Ich setze bei den Kapazitätsfragen an: Durch die neue Studienstruktur wollen wir auch Gestaltungsspielraum für eine Neubemessung der Curricularnormwerte gewinnen. Wir wollen es ermöglichen, die Betreuungsfaktoren für die Bachelorphase aufzubessern, um die Professionalisierung auf dieser Ebene mit Leben zu füllen, auf der Master-Ebene soll ein forschungsnahes Studium gefördert werden. Beides erfordert unter Umständen eine intensivere Betreuung. Der Spielraum ergibt sich aus der Aufteilung der Ressourcen auf die beiden Abschnitte des Studiums.

Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung zu dem trockenen Thema Dienstrecht, das auch dann für die Absolventen Ihrer Studiengänge wichtig ist ... Bachelor-Absolventen von Universitäten wie Fachhochschulen haben schon nach dem heute geltenden Gesetz den Zugang zum gehobenen Dienst in der jeweils geeigneten Laufbahn. Für die Masterabschlüsse gilt die Vereinbarung zwischen Innenministerkonferenz und KMK, wonach der Zugang zum höheren Dienst auch für Fachhochschulabsolventen mit Masterabschluss offensteht. Für den universitären Master gilt die Gleichstellung mit Diplom bzw. erstem Staatsexamen ...


(Stand: 19.01.2024)  | 
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