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- Transdisziplinäre Forschungsuniversität
mit forschungsorientiertem Studium
Leitbild-Diskussionsvorlage für den Strategieprozess an der Uni Oldenburg *
- Wider
die Zukunftsangst
Gedanken beim Abschied / Von Eberhard Schmidt *
Transdisziplinäre Forschungsuniversität mit forschungsorientiertem
Studium
Leitbild-Diskussionsvorlage für den Strategieprozess
an der Uni Oldenburg *
Transdisziplinarität, Forschungsexzellenz
in interdisziplinärer Forschung, exzellente forschungsorientierte (Lehrer)bildung
und moderne Managementstrukturen haben sich als Eckpunkte der Ausrichtung der
Universität Oldenburg in den Diskussionen der letzten Monate herauskristallisiert
und sich in den Programmen des mit großen Mehrheiten in der Universität
bestätigten neuen Präsidiums niedergeschlagen.
Der vorliegende
Diskussionsentwurf ist ein erster Baustein für den bis zum Sommer 2005 angelegten
Leitbild- und Strategieprozess der Universität.
Eckdaten der
Universität 2010
Die langfristige Existenz als mittelgroße,
eigenständige Forschungsuniversität wird die Universität Oldenburg
- angesichts bestehender Rahmenbedingungen und Ausgangssituationen - nur behaupten,
wenn sie:
- ein für ihre Größe überzeugendes Maß
an Spitzenforschung und damit verbundener Nachwuchsförderung aufweist;
- eine in Quantität und Qualität überzeugende Ausbildungsleistung
erbringt;
- ein ausreichendes Maß an Drittmitteln einwirbt, um
die knappe Ressourcenausstattung zu kompensieren;
- ein von anderen Universitäten
hinreichend differenzierendes Profil besitzt.
Die Bedeutung der ersten
drei Punkte findet ihren Niederschlag auch in den Indikatoren der von der Landesregierung
geplanten leistungsorientierten Mittelvergabe ab dem Jahr 2006. Vor diesem Hintergrund
sind folgende Kennzahlen wichtige Eckdaten für eine Universität Oldenburg
im Jahr 2010:
- Zahl der Studierenden: 10.000 (d.h. rund 1.800 AbsolventInnen
p.a.);
- Drittmittelvolumen: 20 Mio. € (Stand heute: 15 Mio. €);
l- Sonderforschungsbereiche: 4,
DFG-Forschergruppen: 8;
' - Drittmittelfinanzierte Graduiertenkollegs (DFG und andere): 10.
Diese quantitativen Eckdaten sind nur Hülle für die qualitative
Profilbildung, aber wichtige Eckpunkte für eine Übersetzung eines Leitbilds
in konkrete Strategien auf Universitäts-, Fakultäts- und Institutsebene.
Spitzenforschung durch Interdisziplinarität
Im Jahr
2010 hat sich die Universität Oldenburg als mittelgroße Forschungsuniversität
etabliert. Sie ist in mehrere Sonderforschungsbereiche (gemeinsam mit den Nachbaruniversitäten
beantragte SFBs, insbesondere Transregios) sowie immer mehr in europäische
Exzellenzcluster eingebunden und verfügt über ein halbes Dutzend eigener
Forschergruppen sowie mehr als zehn (zunehmend internationale) Graduiertenkollegs
und viele erfolgreich arbeitende Forschernachwuchsgruppen. Durch ihre hohe Attraktivität
insbesondere bei NachwuchswissenschaftlerInnen und JungforscherInnen nehmen viele
herausragende Karrieren ihren Ausgangspunkt in Oldenburg. Aufgrund des Forschungsklimas
an der Universität, eines professionell gehandhabten Berufungsmanagements
und der familiengerechten Hochschul- und Lebensbedingungen gelingt es immer wieder,
SpitzenforscherInnen mit hoher Identifikation für den Standort langfristig
an Oldenburg zu binden.
Inhaltlich zeichnet sich die Spitzenforschung
in Oldenburg durch ihre überproportional hohe Interdisziplinarität aus.
Der ursprünglich in den Naturwissenschaften liegende Schwerpunkt - der sich
seit 2004 auch dort immer weiter vernetzte - hat sich in Richtung Sozialwissenschaften,
Kultur-/Geisteswissenschaften und didaktische Forschung erweitert. Alle Fächer
haben transparente, ihren Fachkulturen entsprechende Exzellenzkriterien entwickelt,
die sich an den vom Wissenschaftsrat formulierten Eckpunkten (Qualität, Effektivität,
Effizienz) ausrichten und die Fachentwicklung bestimmen.
Motor hierfür
waren die traditionell interdisziplinär stark in Oldenburg ausgeprägten
Forschungsbereiche wie die Umweltforschung, die Lehr-/Lern/Kognitionsforschung
sowie die (kulturwissenschaftliche) Geschlechterforschung. Neben großen
interdisziplinären Forschungsverbünden sowie kultur- und sozialwissenschaftlichen
Diskussionszusammenhängen in Form von Schulen schafft die Universität
Raum für Einzelexzellenz, die ein hohes Vernetzungspotenzial in Oldenburg
erkennen lässt. Transdisziplinarität, d.h. gesellschaftliche
Relevanz und Ausrichtung an relevanten Problemlagen der interdisziplinären
Forschung, ist dabei identitätsstiftendes Merkmal der Oldenburger Forschung
und schlägt sich auch in der Weiterentwicklung der für diese Forschung
notwendigen Methoden nieder.
Eckpunkte
Aus dem Zukunftsbild
ergeben sich folgende Eckpunkte für die Forschung 2010 an der Universität:
- Stabilisierung und Vernetzung bestehender Forschungskerne;
- Aufbau
insbesondere von Graduiertenkollegs, Forschergruppen (später SFBs) gerade
im kultur- und sozialwissenschaftlichen Bereich sowie im natur-/sozialwissenschaftlichen
Brückenschlag;
- Stärkung brückenschlagender Fächer/Fachbezüge
jenseits von Naturwissenschaften und Informatik, um die Exzellenzausweitung interdisziplinär
zu realisieren.
Forschungsnahe BA/MA-Ausbildung
Die
Universität Oldenburg ist 2010 ein national und zunehmend international attraktiver
Studienstandort. Dazu beigetragen haben die frühe Nutzung der Möglichkeiten
der flexiblen BA-/MA-Strukturen (auch um die unterschiedlichen quantitativen Zyklen
in der Lehrerbildung abzufangen), ihre interdisziplinäre Ausrichtung und
Forschungsnähe, die sich in den neuen Studienstrukturen niederschlägt,
sowie ihre Verpflichtung zu gesellschaftlicher Verantwortung. Die Universität
bietet grundsätzlich forschungsorientierte Bachelor- und daran anknüpfende
Masterstudiengänge an. Dabei definiert sich die Forschungsorientierung am
Leitbild einer Ausbildung von Menschen, die in der Lage sind, Probleme zu
definieren (und nicht lediglich vorgegebene Probleme zu lösen). Der
Weiterentwicklung der didaktischen Qualifikation gilt eine besondere Aufmerksamkeit.
Die Universität zieht aufgrund ihres Lehr- und Forschungsprofils überproportional
engagierte Studierende an, die sich mit ihrem Engagement aktiv in den Universitäts-
und Lehrbetrieb einbringen und den Studienstandort trotz Mittelknappheit in seiner
Ausbildungsfunktion auch quantitativ (Studierendenzahl von 10.000) attraktiv halten.
In der Lehreraus- und -weiterbildung hat die Universität Oldenburg
eine nationale Spitzenstellung erreicht, weil sie ihre Ausbildung mit hoch ausgewiesener
Forschung im Feld verbindet. Die Universität Oldenburg gilt hier als forschungsintensive
Ausbildungsstätte. Ihre AbsolventInnen werden von (den inzwischen autonom
auswählenden) Schulen stark nachgefragt.
Eckpunkte
-
Perfektionierung der Möglichkeiten des BA/MA-Systems. Anspruch, eine BA/MA-Best-Practice-Universität
mit einem Profil forschungsorientierter Bachelor- und Master-Studiengänge
in Deutschland zu werden;
- Integration forschungsnaher und interdisziplinärer
Ausbildungsinhalte auf Bachelor-, Master- und Doktorandenebene;
- Ausbau
der (fach)didaktischen Forschung und Integration der Ergebnisse in die konkrete
Ausbildungsgestaltung;
- Innovative Lehrformen und Formen der Studienorganisation,
um Anspruch der Forschungsorientierung auch bei 10.000 Studierenden einlösen
zu können;
- Stärkung des gesellschaftsorientierten Image als
Anziehungspunkt für engagierte Studierende.
Modernes Uni-Management
Durch ein modernes Universitätsmanagement ist es der Universität
Oldenburg 2010 gelungen, trotz enger materieller Rahmenbedingungen eine hohe Motivation
und Zufriedenheit der MitarbeiterInnen, einen effizienten Mitteleinsatz sowie
eine Verbindung von hoher Transparenz, breiter Beteiligung und effizienten Entscheidungsprozessen
zu erreichen. Durch diese Führungsstrukturen ist die Universität für
leistungswillige Nachwuchskräfte in Forschung und Verwaltung sowie für
die Beteiligung aktiver Studierender besonders attraktiv. Die Universität
Oldenburg gilt diesbezüglich als eine Best Practice-Hochschule in Deutschland.
Eckpunkte
Identifizierung der Schlüsselansätze
für ein modernes Universitätsmanagement sowie Diskussion der konkreten
Ausgestaltung u.a. in den Bereichen:
- Personalentwicklung;
- Visions-/Strategieentwicklung;
effiziente Controlling-Strukturen (Balanced
Scorecard, verbindliches Zielvereinbarungsmanagement);
- Prozessmanagement
(insb. bei Berufungsprozessen);
- strategisches Projektmanagement;
- Gender Mainstreaming.
*Dieses Papier verfasste Präsident
Prof. Dr. Uwe Schneidewind zur Eröffnung der Diskussion über das neue
Leitbild der Universität.
Wider die Zukunftsangst
Gedanken beim
Abschied / Von Eberhard Schmidt *
Als ich vor dreißig Jahren
von der Universität Marburg nach Oldenburg auf eine Professur für Politikwissenschaft
berufen wurde, hatten wir gerade die alte Ordinarien-Universität beerdigt
(mindestens in den geisteswissenschaftlichen Fakultäten), und wir schickten
uns an, eine Reform-Universität zu gestalten. Jetzt verlasse ich diese Anstalt,
und ein Umbruch findet statt, der Neues verheißt. Im Rückblick sehe
ich: Ich habe an einem Generationsprojekt mitgearbeitet. Und das scheint jetzt
beendet zu sein.
Das Wort Reform hatte damals noch keine so negativen
Konnotationen wie heute. Im Gegenteil: Reform war für unsere Generation junger
Hochschullehrer eher ein Versprechen auf Zukunft und Partizipation, es hatte einen
positiven Klang. Den Marsch durch die Institutionen sahen wir als eine hoffnungsvolle
Aufgabe. Und wir gingen die Sache ziemlich forsch an, immer in heftiger Auseinandersetzung
mit der Kultus- und Schulbürokratie, aber auch mit Teilen der uns gegenüber
oft misstrauischen Stadtbürgerschaft - doch zumeist getragen von großer
Zustimmung der Studierenden.
Auch wenn uns bei weitem nicht alles gelang,
was wir uns zum Ziel gesetzt hatten, etablierten wir doch in den Sozialwissenschaften
ein Studienangebot und eine Studienstruktur, die vielen - auch solchen, die nicht
den normalen Zugang zur Universität hatten - die Möglichkeit gab, ihre
Talente, ihre Potenziale, ihre Vorstellungen von einem erfolgreichen Studium zu
entfalten. Vieles von dem, was wir initiiert hatten, verkümmerte im Lauf
der Zeit. Ich will hier nichts übermäßig idealisieren, aber über
weite Strecken gelang es doch, einiges von den ursprünglichen Ideen, die
wir von selbstbestimmter Lehre, Forschung und Studium hatten, zu bewahren. Dazu
gehörte auch ein Umgang mit Studierenden, mit wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen
Mitarbeitern wie Mitarbeiterinnen, der weniger als anderswo von hierarchischen
Formen geprägt war.
Dieses Generationsprojekt eines vergleichsweise
freien und unreglementierten Studiums geht, wie gesagt, nun dem Ende zu. Die Anpassung
der Studienstruktur an anglo-amerikanische Vorbilder scheint derzeit unaufhaltsam.
Was es an Output qualitativ bringen wird, ist offen. Aber es wird sich Entscheidendes
im Verhältnis zu den Studierenden verändern, die nun in den ersten drei
Jahren ihres Studiums eher in eine schülerähnliche Rolle gedrängt
werden und erst in der Masterphase vielleicht eine größere Selbständigkeit
entfalten können.
(...) Was mir aber am meisten Sorge macht, ist
etwas, das nicht auf die Universität beschränkt ist. Ich finde es inzwischen
auch in den Schulen - und hoffentlich strahlt es nicht schon auf die Kindergärten
aus: die Angst der jetzt aufwachsenden Generation vor der Zukunft. Eine Angst,
vorrangig nicht vor Bedrohungen durch Terrorismus, Krieg oder Umweltzerstörung,
obwohl das unterschwellig noch verstärkend wirken mag, sondern die Angst
um die eigene berufliche Zukunft, um die Chancen, die man in der Gesellschaft
hat. Diese Angst äußert sich heute schon sehr früh als Sorge,
ob man überhaupt eine zureichende Ausbildung, einen einigermaßen sicheren
Arbeitsplatz und eine angemessene Rente erhält. Sie erzeugt einen Druck,
der ein ängstliches Sicherheitsstreben zur Norm zu machen droht und bei vielen
eine Absage an das unbeschwerte Genießen der Studienzeit, an Experimentierphasen,
an Ausprobieren alternativer Lebensformen einschließt. Das hat die Gefahr
einer sehr angepassten Generation zur Folge mit allem, was das an Konsequenzen
für eine auf aktive Teilhabe der Bürger angewiesene demokratische Gesellschaft
bedeuten kann.
Man kann zunehmend beobachten, dass Schüler darüber
diskutieren, ob sie unterhalb der gymnasialen Schwelle überhaupt Chancen
auf Arbeit und Autonomie haben, Studenten sich schon in den Anfangssemestern erkundigen,
wie sie ihr Studium möglichst an beruflicher Verwertbarkeit orientieren können
und junge Wissenschaftler vornehmlich an soziale Absicherung denken und weniger
an interessante Forschungsperspektiven, die mit Risiken verbunden sein könnten.
Natürlich sind diese Ängste angesichts wirtschaftlicher Stagnationsperioden
und einer gewissen Angleichung der Lebensverhältnisse (...) nicht völlig
unberechtigt. Aber sie ist doch in einem hohen Maße übersteigert, vergegenwärtigt
man sich, dass 80 bis 90 Prozent der Menschen in Deutschland in auskömmlichen
ökonomischen Verhältnissen leben, dass die weit überwiegende Mehrzahl
unserer Absolventinnen und Absolventen angemessene Arbeitsplätze findet,
dass die von den vorhergehenden Generationen erarbeiteten Vermögenswerte
übertragen werden und die Globalisierung auch große Chancen für
viele - vor allem besser Ausgebildete - bedeutet.
Es sollte auch eine
Aufgabe der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer sein, dieser in Deutschland
so verbreiteten Angst und Missstimmung entgegenzusteuern.
* Der Politologe
Prof. Dr. Eberhard Schmidt wurde im Wintersemester emeritiert.