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"Mit dem Boot über die Rocky Mountains"
Studierende konzipieren und realisieren eine Ausstellung über die amerikanischen Pioniere Lewis und Clark für das Landesmuseum
Studierende der Universität
Oldenburg sind den Spuren der in den USA jedem Kind bekannten Entdecker Meriwether
Lewis und William Clark im Rahmen eines Projekts gefolgt und haben dazu eine Ausstellung
unter Anleitung des Anglisten Dr. Richard Stinshoff, des Kunsthistorikers Prof.
Dr. Detlef Hoffmann und des Dozenten für Bildende Kunst, Dr. Hartmut Wiesner,
konzipiert. Sie wird am 10. Dezember 2005 im Oldenburger Landesmuseum Natur und
Mensch unter dem Titel Mit dem Boot über die Rocky Mountains - Unter
Wölfen, Büffeln, Bären und Indianern eröffnet. Initiator
Richard Stinshoff beschreibt den historischen Hintergrund und wie es zu der Ausstellung
kam.
Seit ihrer Gründung vor mehr als 200 Jahren ist das politische
Handeln der USA von einer imperialen Perspektive geprägt. Die Entstehung
dieser Mentalität, die aus europäischer Perspektive oft kritisiert wird,
ist am ehesten vor dem Hintergrund der Ausdehnung der jungen Republik nach Westen
nachvollziehbar.
Deren Ausgangspunkt war der Louisiana Purchase im Jahre
1803: dieses riesige, das mittlere Drittel der heutigen USA umfassende Louisiana
Territory wurde dem damaligen amerikanischen Präsidenten Thomas Jefferson
(1743-1826) von Napoleon zum Kauf angeboten, als der sich entschlossen hatte,
angesichts der Kriegslage in Europa seine Pläne zur Erneuerung des französischen
Kolonialimperiums in Nordamerika aufzugeben. Mit der Erkundung des Gebiets und
gleichzeitig einer schiffbaren Verbindung in die als Oregon Country bekannte pelztierreiche
Region an der nördlichen Pazifikküste, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts
von Spaniern, Briten, Russen und Amerikanern beansprucht wurde, beauftragte Jefferson
zwei Armeeoffiziere, Meriwether Lewis (1774-1809) und William Clark (1770 -1838).
Sie stellten dafür ein mehr als 40 Freiwillige umfassendes Corps of Discovery
zusammen. Den Kern ihres Auftrags formulierte Jefferson so:
The
object of your mission is to explore the Missouri River, & such principal
streams of it, as, by its course & communication with the water of the Pacific
ocean may offer the most direct and practicable water communication across this
continent, for the purposes of commerce
In all your intercourse with the
natives treat them in the most friendly & conciliatory manner which their
own conduct will admit
Alles sollte genauestens aufgezeichnet,
kartiert und dokumentiert werden. Die mehr als zwei Jahre dauernde Expedition
begann am 21. Mai 1804 und führte von St. Louis aus per Boot den Missouri
aufwärts durch das Gebiet der Sioux Indianer bis zu den Mandan-Indianern
im Gebiet des heutigen North Dakota. Dort baute das Corps mit tatkräftiger
Unterstützung der Indianer ein Lager, Fort Mandan, in der Nähe des heutigen
Ortes Washburn, N.D., in dem sie bei bis zu minus 40 Grad Celsius überwinterten.
Im Frühjahr 1805 wurde die Reise in Booten den Missouri und den westlichen
seiner drei Quellflüsse hinauf fortgesetzt; dann ging es mit Pferden über
die Bitterroot Range in der Hauptkette der Rocky Mountains; dann wieder per Boot
den Clearwater, den Snake und den Columbia River hinab, dessen Mündung in
den Pazifik im November 1805 erreicht wurde. Nach einem weiteren Winter im eigens
dafür angelegten Fort Clatsop in der Nähe des heutigen Astoria traf
das Corps of Discovery am 23. September 1806 nach über 8.000 Meilen wohlbehalten
wieder in St. Louis ein.
Was
hatten Lewis und Clark nach ihrer Rückkehr vorzuweisen? Zunächst einmal
keine schiffbare Verbindung zum Pazifik. Vielleicht hätten sie nicht einmal
das Land der Shoshone Indianer, die im Quellgebiet des Missouri lebten, erreicht,
geschweige denn wieder verlassen, wäre da nicht Sacagawea (1788-1812) gewesen,
jene junge Shoshone-Indianerin, die durch Raub zu den Mandan verschlagen wurde.
Von dort aus begleitete sie Lewis und Clark. Ohne Sacagawea und ihre Fähigkeit,
in der glutheißen Trockensteppe der High Plains zu überleben, wäre
die Expedition vielleicht schon dort gescheitert. Als die Entdecker dann auf die
Shoshone stießen, war es das eher zufällige Zusammentreffen mit Sacagaweas
Bruder und seinem Stamm, das die Weiterreise ermöglichte. Stellvertretend
für die Offenheit, Friedfertigkeit und Hilfsbereitschaft nahezu aller indianischen
Ureinwohner, denen Lewis und Clark auf ihrer Reise begegneten, ist Sacagawea zweifellos
eine der spannendsten Gestalten der gesamten Expedition.
Lewis und Clark
hatten den Indianern vor allem eines mitzuteilen: Sie sollten künftig Schutzmachtrolle
und Herrschaftsanspruch des großen weißen Vaters in Washington
anerkennen. Die Folgen: Bereits wenige Jahrzehnte später waren die westlich
des Mississippi lebenden Indianer soweit dezimiert, dass man sie dann in Reservaten
konzentrieren und der jungen Republik einverleiben konnte.
Für Lewis
und Clark selbst bestand die wesentliche Ausbeute der im Geist europäisch-amerikanischen
Aufklärung geplanten Expedition zunächst in einem unschätzbaren
Zuwachs an Wissen über Natur und Kultur. So finden sich in den Tagebüchern
der beiden Entdecker erstaunlich genaue Beschreibungen von Hunderten bislang unbekannter
Pflanzen, Vögel, Fische und Landtiere sowie zahllose topographische und geographische
Beobachtungen, Informationen, Daten, Skizzen und Karten. Aber auch Informationen
über Sprachen und Lebensgewohnheiten von Dutzenden indianischer Stämme
wie den Sioux, Hidatsa, Arikara, Mandan, Blackfeet, Gros Ventre, Shoshone, Flathead,
Nez Perce, Yakima, Chinook, Clatsop, Salish, Walla Walla u.a. notierten die Entdecker
jenes Gebiets, das später in unseren Sprachgebrauch als Wilder Westen
einging.
Die Ausstellung
Logo der Ausstellung. |
Titel und Logo unserer Ausstellung
beschreiben Unmögliches. Die wilde Mannschaft auf dem von Hartmut Wiesner
entworfenen Logo demonstriert: so geht es nicht. Diese trial and error Strategie
spielte oft eine zentrale Rolle bei jener legendären Expedition in den frühen
Jahren des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten, über die unsere Ausstellung
berichtet. Probieren und immer wieder probieren, sich trotz vieler Misserfolge
nicht entmutigen und von der Suche nach gangbaren Alternativen nicht abbringen
lassen.
Hast Du eigentlich schon einmal etwas von Lewis und Clark
gehört? fragte ich meinen Freund und Kollegen Detlef Hoffmann im April
2004, als wir unsere Veranstaltungsplanung für das Graduiertenprogramm Museum
und Ausstellung zum Wintersemester 2004/05 besprachen. Nein
sagte er, und muss man die kennen? Darauf ich: In den USA kennt
sie jedes Kind, besonders heute, denn seit 2003 wird in allen Medien von den beiden
Offizieren berichtet, die im Mai 1804 mit einem Corps of Discovery von St. Louis
aufbrachen, um die Nordwestpassage zu finden. Detlef Hoffmann wurde allmählich
neugierig: Da könnten wir ja ein Seminar, eine Exkursion und eine Ausstellung
planen, und vielleicht kriegen wir Hartmut Wiesner dazu, die künstlerische
Leitung zu übernehmen. Auch Museumsdirektor Prof. Mamoun Fansa zeigte
sich sehr interessiert. Das war vor mehr als anderthalb Jahren. Seminar und Exkursion
liegen hinter uns. Nach intensiver Vorbereitung tauchten dreizehn begeisterte
TeilnehmerInnen im Frühjahr 2005 auf den Spuren von Lewis und Clark in die
damals wie heute faszinierenden Landschaften des amerikanischen Westens von der
Pazifikküste den Columbia hinauf über die Rocky Mountains bis nach Fort
Benton in den endlosen Great Plains am Oberlauf des Missouri ein. Gleichzeitig
gestaltete sich die Reise als ein crash course in Sachen Musealisierung der Lewis
und Clark Expedition. Mehr als ein Dutzend Museen und Gedenkstätten besuchten
wir in den 12 Tagen. Nach anschließender monatelanger harter Detailarbeit
mit den hochmotivierten Studierenden wird unsere Ausstellung, die einzige in einem
deutschen Museum im Rahmen der 200-Jahr-Feiern, am 10. Dezember im Landesmuseum
Natur und Mensch Oldenburg eröffnet.
Eines
von vielen: Lewis-und Clark-Denkmal in Fort Benton mit der Oldenburger Projektgruppe. |
Der Weg dahin war allerdings streckenweise
ähnlich mühselig wie der unserer beiden Entdecker. Vor allem Geld zu
bekommen für ein Projekt, dessen Protagonisten hierzulande nahezu unbekannt
sind, erwies sich innerhalb und außerhalb der Universität als überaus
kompliziert. Obwohl die USA und Europa politisch, wissenschaftlich und künstlerisch
eng verbunden sind, wissen die BürgerInnen beider Kontinente wenig von ihrer
Geschichte. Von Amerika kritisch-konstruktiv nicht zuletzt über uns selbst
lernen, wen interessiert das zur Zeit noch? Daher liegen Projekte wie unsere derzeit
nicht im Trend. Letztlich fanden wir dennoch Förderer: die Gertrud und Hellmuth
Barthel Stiftung in Varel, die Landessparkasse zu Oldenburg und die Kulturabteilung
der US-Botschaft in Berlin: Sie ermöglichen mit ihren Geldern, dass es uns
hoffentlich gelingt, etwas von dem zu vermitteln, was mich - frei nach Jack London
- seit mehr als zwanzig Jahren Reisen und Aufenthalten in den USA umtreibt: the
call of the West.