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"Menschlichen Geist kann man nicht kontrollieren"

Interview mit Werner Brinker, Vorsitzender des Hochschulrats und Vorstandsvorsitzender der EWE AG, über die Universtität Oldenburg

UNI-INFO: Herr Brinker, seit zwei Jahren gibt es den Hochschulrat. Hat sich das Instrument aus Ihrer Sicht schon bewährt?

BRINKER: Ja. Aber zunächst einmal mussten sich die Mitglieder des Hochschulrats über Diskussionen und den Austausch mit dem Präsidium und mit anderen Mitgliedern der Hochschule einen Einblick in die internen Strukturen und Entscheidungsabläufe verschaffen. Die Universität ist ja ein sehr komplexes Gebilde. Und wir mussten uns untereinander kennen lernen. Dabei haben wir festgestellt, dass wir uns sehr gut ergänzen. Wir kommen alle aus verschiedenen Bereichen, haben unterschiedliche Lebenserfahrungen, haben unterschiedliches Wissen im Laufe der Jahre angesammelt. Der intensive Gedankenaustausch bringt nicht nur den Hochschulrat weiter nach vorne, sondern insbesondere auch die Universität. Und darum geht es ja.

UNI-INFO: Verstehen Sie sich eher als Vorsitzender eines Kontrollgremiums oder als Akteur und Ideengeber?

BRINKER: Controlling im klassischen kaufmännischen Sinne darf in einem Hochschulrat gar nicht stattfinden. Zumindest nicht dann, wenn es um die geistige Ausrichtung einer Universität geht. Einen menschlichen Geist kann man nicht kontrollieren, darf man auch nicht kontrollieren. Es geht darum, dass wir auf der Basis unserer Erfahrungen aus unterschiedlichen Branchen versuchen, Rat zu geben, wie man die Strukturen in einer Universitätslandschaft anders und damit auch hoffentlich besser aufbauen könnte - bis hin zu einem effizienteren Umgang mit den finanziellen und auch mit den zeitlichen Ressourcen.

UNI-INFO: Man sollte eine Universität also nicht wie einen großen Betrieb führen?

BRINKER: In einem großen Unternehmen wird klar nach den Regeln des Wettbewerbs geführt. Und dieser Wettbewerb drückt sich unterm Strich irgendwann in Zahlen aus, nämlich in der Bilanz eines Unternehmens. Natürlich kann man den Begriff Bilanz auch auf eine Universität anwenden, aber nicht im kaufmännisch- betriebswirtschaftlichen Sinne. Die Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit sind hier die Bilanz. Das Arbeiten nach wissenschaftlichen Kriterien unterliegt völlig anderen Mechanismen als in einem Konzern, wo nach ganz bestimmten Strategien gehandelt wird. Die Mitarbeiter müssen sich danach verhalten. Eine solche Strategie, die klar formuliert ist und in engen Grenzen abläuft, gibt es natürlich in einer Universität nicht, weil dort die Freiheit der Wissenschaft an erster Stelle steht.

UNI-INFO: Und doch ist es so, dass die Universität durch die tiefgreifenden Umstrukturierungen und durch die Notwendigkeit, selbst mehr Mittel einzuwerben, zunehmend in stärkere Konkurrenz gerät.

BRINKER: Ich sehe das zuerst einmal als eine Riesenchance für die Universität Oldenburg, sich im Rahmen begrenzt verfügbarer ökonomischer Ressourcen neu aufzustellen und damit die eigenen Stärken weiter herauszuarbeiten und sich ein neues Profil zu geben. Wenn man zum Beispiel Drittmittel verstärkt einwerben will, steht man natürlich in Konkurrenz mit anderen Antragsstellern - sei es bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder bei großen Stiftungen wie der VW-Stiftung, die Geld für Forschungsarbeiten zur Verfügung stellen. Damit tritt automatisch ein gewisser Selektionsprozess ein, der unterm Strich aufgrund dieses harten Wettbewerbs um Ressourcen auch zu mehr Qualität der Wissenschaft führen müsste. Erfahrungen in anderen, vielfach privat finanzierten Universitäten und Hochschuleinrichtungen - z. B. in den USA oder auch hier in Deutschland - zeigen uns das. Also nochmals: Der Wettbewerb um finanzielle Ressourcen wird nach meiner Einschätzung auch zu einer deutlich verbesserten Qualität in der Forschung führen, und das wird sich auch in der Universität Oldenburg auswirken.

UNI-INFO: Für welche Bereiche sehen Sie da gute Chancen?

BRINKER: Die Diskussionen, die wir im Hochschulrat geführt haben, und meine Kenntnisse, die ich in den vielen Jahren meiner Tätigkeit in Oldenburg gesammelt habe, lassen den Schluss zu, dass die Schwerpunkte in den Wirtschaftswissenschaften und den Naturwissenschaften und ihren angegliederten Bereichen liegen. Die erneuerbaren Energiequellen gehören natürlich dazu. Die Universität hat hier die Chance, ihre Stärken in den Vordergrund zu stellen - vor allem angesicht des notwendigen des Klimaschutzes.

UNI-INFO: Immer stärker wird die Notwendigkeit gesehen, nicht nur bei staatlichen Forschungsorganisationen und Stiftungen Mittel zu beschaffen, sondern auch bei der Wirtschaft selbst. In ihrem eher strukturschwachen Umfeld sind die Möglichkeiten der Universität Oldenburg begrenzt. Ist das ein großer Wettbewerbsnachteil?

BRINKER: Jein. Wir haben in der Tat in der Region nicht die großen Konzerne, die stark anwendungsorientiert forschen - wie z. B. Siemens oder Phillips, oder auch große Anlagen- und Automobilbauer. Aber die Universität Oldenburg zeigt ja an ganz bestimmten Stellen - z.B. im OFFIS, dass man durchaus mit den Automobilherstellern VW, BMW, Mercedes und Daimler Chrysler im Bereich der Informationstechnik zusammenarbeiten kann. Prof. Damm ist da mit seiner Forschung über Sicherheitskritische Systeme ein gutes Beispiel. Gleichzeitig gibt es sehr hoffnungsvolle Ansätze, ich sagte es schon, im Bereich der regenerativen Energien. Auch dort ist man nicht unmittelbar an Firmen gebunden, die in Oldenburg ihren Haupt-sitz haben. Wichtig ist, dass die Qualität der Forschung stimmt. Forschung und Forschungsergebnisse sind nicht an einen Standort gebunden. Ganz im Gegenteil: Wir leben in einer Wissensgesellschaft, wo wir über die modernen Kommunikationseinrichtungen jederzeit an jedem Ort über die neuesten Forschungsergebnisse informiert sein können. Internationale Zusammenarbeit ist auf diesem Wege jederzeit möglich. Für Forschung gibt es zum Glück keine Grenzen mehr.

UNI-INFO: Welche Rolle spielen die Geisteswissenschaften in der Universität?

BRINKER: Sie müssten eine große Rolle spielen. Man kann Naturwissenschaften und auch Technik nicht einfach von den Geisteswissenschaften trennen. Das eine bedingt das andere. Auch Techniker, Ingenieure, Naturwissenschaftler müssen sich mit philosophischen und psychologischen Fragen auseinandersetzen, um zu verstehen, was in der Gesellschaft passiert. Das ist die Voraussetzung, um technische Möglichkeiten auch real umsetzen zu können und ihre Akzeptanz zu erreichen. Von daher haben gerade auch diese Wissenschaften eine hohe Bedeutung.

UNI-INFO: Die Universität Oldenburg ist die erste in Niedersachsen, die alle Studiengänge auf Bachelor und Master umgestellt hat. In zwei Jahren gehen die ersten Bachelorabsolventen auf den Markt. Haben sie Chancen in der Wirtschaft?

BRINKER: Es gab in der Wirtschaft heftige Diskussionen um diese Abschlüsse. Diese Diskussionen kann ich im Einzelnen nicht nachvollziehen. Lehrinhalte orientieren sich doch an dem, was die Wissenschaft produziert, und davon profitiert natürlich wieder die Wirtschaft. In welcher Form die Vermittlung an Studierende letztlich geschieht, ist prinzipiell von sekundärer Bedeutung. Entscheidend an der Bachelor- und Master-Struktur ist, dass man zwei Schritte eingebaut hat: Mit dem Bachelorabschluss hat man schon eine gewisse Prequalifikation für den Berufseinstieg erreicht. Das gibt es in den angelsächsischen Ländern schon seit vielen Jahren, und das hat sich bewährt. Und wer dann Lust hat weiter zu machen, einen Master dran zu hängen und sich damit mehr wissenschaftliche Grundlagen anzueignen - bitte sehr, das ist das Angebot der Universität. Die neuen Abschlüsse werden im europäischen Raum vergleichbar sein und verbessern die Einstiegschancen international, d.h. Absolventen werden flexibler sein. Die Wirtschaft tut gut daran, ein solches System zu akzeptieren und keine Schranken aufzubauen. Ich würde eine negative Haltung nicht verstehen.

UNI-INFO: Zurück zur Arbeit des Hochschulrats. In manchen Universitäten hat es schon heftige Konflikte zwischen diesem Gremium und Hochschulangehörigen gegeben. Sehen Sie die Gefahr auch in Oldenburg?

BRINKER: Konflikte entstehen immer dann, wenn harte Positionen aufeinander prallen und man nicht bereit ist, die Welt des anderen zu verstehen. Das gilt für beide Seiten. Das sehe ich zum jetzigen Zeitpunkt hier in Oldenburg überhaupt nicht. Jeder muss bereit sein, von dem anderen erst einmal zu lernen, die Welt des anderen zu verstehen. Und wenn man das geschafft hat, gibt es auch keine harten Konflikte mehr.

UNI-INFO: Die Novelle des Niedersächsischen Hochschulgesetzes sieht die Stärkung des Hochschulrats vor - insbesondere bei der Wahl der Präsidiumsmitglieder soll er die entscheidende Rolle spielen, die bisher der Senat hat. Halten Sie das für einen richtigen Weg?

BRINKER: Die Politik hat entschieden, dass die Autonomie und damit der Selbstbestimmungsgrad der Hochschulen deutlich gestärkt werden soll. Sie ist damit nicht mehr so stark an den Staat gebunden. Trotzdem muss es einen Kontrollmechanismus von Außen geben. Das ist der Hochschulrat. Dass dieser bei der Wahl des Präsidiums, das ja sehr umfassende Kompetenzen hat, stärkeren Einfluss bekommt, macht Sinn.

UNI-INFO: Sind Sie ein Optimist, wenn Sie an die Zukunft der Universität Oldenburg denken?

BRINKER: Absolut. Ich habe in den letzten Jahren so viele positive Erfahrungen in den vielen Gesprächen und Projekten sammeln können, dass für Pessimismus kein Platz ist. Ich muss aufpassen, dass ich nicht ins Schwärmen gerate und damit den Boden der Sachlichkeit verlasse.

Foto: Peter Duddek

Werner Brinker

Dr. Werner Brinker (53), Diplom-Ingenieur und Vorstandsvorsitzender der EWE AG, ist seit zwei Jahren Vorsitzender des ersten Hochschulrats der Universität Oldenburg. Das Gremium berät laut Gesetz das Präsidium und den Senat der Universität und nimmt Stellung zu den Entwicklungs- und Wirtschaftsplänen. Seine Stellung soll im Rahmen der Novellierung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) weiter gestärkt werden.
Brinker wurde in Lingen geboren. Er studierte und promovierte an der Technischen Universität Braunschweig. Seit über 25 Jahren ist er in der Energiewirtschaft tätig. 1998 wurde er in seine jetzige Funktion berufen, 2002 zum Präsidenten des Verbands der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) gewählt.

Um Forschung und Wissenschaft, Bildung und Kultur in der Region zu fördern, wurde auf seine Initiative hin die EWE Stiftung gegründet, die zahlreiche Projekte auch der Universität fördert. Die gemeinsame Vergabe des Klaus-von-Klitzing-Preises an naturwissenschaftliche LehrerInnen, die sich durch besonderes Engagement auszeichnen, ist das jüngste Projekt der beiden Einrichtungen.


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Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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