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Forschung


COAST - ein Signal der "Küstenuni"

Neues interdisziplinäres Zentrum gegründet

In Sachen Nachhaltigkeit hat die Universität Oldenburg ein neues Signal gesetzt: Am 20. Juni 2006 nahm das neu gegründete Wissenschaftliche Zentrum COAST mit einer Auftaktveranstaltung die Arbeit auf. Das Zentrum bündelt die Umwelt- und Nachhaltigkeitskompetenzen verschiedener Einrichtungen. Zu den COAST-Partnern gehören das Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM), das sich mit Küsten- und Flachmeerforschung befasst, das Zentrum für Windenergieforschung (ForWind), das im Bereich Physik angesiedelt ist, das Oldenburg Center für Sustainability Economics and Management (CENTOS) mit Schwerpunkten in den Bereichen Wirtschaftswissenschaften sowie das Interdisziplinäre Zentrum für Umweltmodellierung (CEM). 20 ProfessorInnen mit über 100 wissenschaftlichen MitarbeiterInnen haben sich unter dem Dach von COAST versammelt.

„Mit COAST wollen wir an neue Grenzen vordringen“, sagte der Direktor des Zentrums Prof. Dr. Joachim Peinke, „denn für die Nachhaltigkeitsforschung ist gerade die Arbeit im Grenzbereich zwischen den Disziplinen von Interesse und besonderer Bedeutung.“ Der Name COAST sei eine Anlehnung an die Küstennähe des Standorts Oldenburg. „Wir setzen so einen regionalen Schwerpunkt. Auf der anderen Seite aber ist unsere Forschung global, da die Küstenzonen überall von entscheidender Bedeutung sind und durch Klimaänderung stark beeinflusst werden.“ Heute leben 80 Prozent aller Menschen in Küstenräumen. Die Meeres- und insbesondere Flachmeerforschung, aber auch regenerative Energien wie Windenergie sowie landschaftsökologische Aspekte der Küstenräume werden somit künftig von großer Bedeutung sein.

Zu den Aufgaben des neuen Zentrums gehört u.a. die Koordination und Gestaltung der Lehre in einem neuen Mastercluster. Studierende lernen dort, Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte nicht nur von einer Seite anzugehen - beispielsweise der naturwissenschaftlich-technischen oder ökonomischen, sondern sich umfassend mit einem Thema zu befassen. So gehören zu einem Studium der Windenergietechnik nicht allein technische, sondern auch wirtschaftliche und rechtliche Aspekte.

Studieninteressierte werden künftig zwischen den folgenden sieben Masterstudiengängen wählen können:

• Postgraduate Programme Renewable Energy
• European Renewable Energy Centres
• Sustainability Economics and Ma- nagement
• Landschaftsökologie
• Marine Umweltwissenschaften
• Umweltmodellierung
• Coastal Zone Management

Damit steht den BewerberInnen eine breite Palette an forschungs- und anwendungsbezogenen Studiengängen mit ausgeprägtem internationalen Zuschnitt zur Auswahl. Je nach Interessensschwerpunkt können Studierende diverse Module aus den unterschiedlichen Fächern belegen. „Mit dem Forschungszentrum COAST und dem neuen Mastercluster setzen wir die Tradition einer umweltorientierten Universität fort und schaffen eine neue Qualität“, betonte Universitätspräsident Prof. Dr. Uwe Schneidewind. „Die Universität Oldenburg hat früher als die meisten anderen diesen Bereich zu dem ihren gemacht. An keinem anderen Hochschulstandort kann man diese Thematik, deren Bedeutung für die Zukunft der Gesellschaft nicht hoch genug veranschlagt werden kann, derart umfassend studieren.“ COAST helfe die Querbezüge zwischen den Disziplinen nochmals zu stärken. Oldenburg sei zudem als „Küstenuniversität“ ein hervorragender Standort für diese Forschung.

Für das ICBM bietet COAST nach Auffassung von Prof. Dr. Meinhard Simon eine sehr sinnvolle Chance, seine auf den Flachmeer und Küstenraum gerichteten Forschungs- und Lehraktivitäten mit komplementären Aktivitäten der Umweltforschung in anderen Bereichen der Universität zu verbinden und zu intensivieren. Mittelfristig werde das sicherlich zu interessanten neuen Anstößen und Ideen für eine erweiterte Forschungsperspektive für das ICBM führen.


Forschergruppe: Die Kunst der Netzhaut

DFG bewilligt 1,75 Millionen € für Retina-Forschung

Die Universität Oldenburg erhält eine weitere Forschergruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Sie beschäftigt sich mit der „Dynamik und Stabilisierung retinaler Verarbeitung“ und wurde von dem Neurobiologen und Vizepräsidenten für Forschung, Prof. Dr. Reto Weiler, initiiert. Er ist auch ihr Sprecher und sieht in der jetzigen Förderung von 1,75 Millionen € für zunächst drei Jahre eine Bestätigung der Spitzenstellung auf diesem Gebiet an der Universität Oldenburg.

Die Universität verfügt damit zurzeit über zwei DFG-Sonderforschungsbereiche - „Automatische Verifikation und Analyse komplexer Systeme“ AVACS und „Das aktive Gehör“- sowie über zwei Forschergruppen - neben der neuen die im Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) angesiedelte Forschergruppe „BioGeoChemie des Watts“. Die Retina-Forschergruppe verstärkt das Forschungszentrum Neurosensorik an der Fakultät V Mathematik und Naturwissenschaften. Neben fünf Oldenburger Arbeitsgruppen ist je eine Arbeitsgruppe aus den Max-Planck-Instituten für Hirnforschung in Frankfurt und experimentelle Medizin in Heidelberg beteiligt.

Sehen ist für den Menschen in der Regel so mühelos und selbstverständlich, dass er dazu neigt, die Komplexität der neuronalen Vorgänge zu unterschätzen, die aus dem in das Auge fallenden Licht ein zuverlässiges Bild unserer Umwelt generieren. Physikalisch ändert sich die visuelle Umwelt ständig, unter anderem durch wechselnde Beleuchtung und Kontrastverteilungen sowie durch Eigen- und Objektbewegung. Die Retina trägt entscheidend dazu bei, die erstaunliche Aufgabe zu bewältigen, trotz dynamischer Umweltbedingungen die visuelle Wahrnehmung in weiten Bereichen stabil zu halten und dabei den Anforderungen nach hoher räumlicher Auflösung und präziser zeitlicher Verarbeitung nachzukommen. Welche retinalen Verarbeitungsmechanismen gewährleisten die hohe Stabilität der Wahrnehmung unter dynamischen Umweltbedingungen, ist deshalb eine wichtige Frage der ForscherInnen.

Die Retina ist insofern ein besonderer Teil des Nervensystems, als sie eine in sich abgeschlossene Einheit der Informationsverarbeitung bildet. Die aus der Umgebung eintreffenden Lichtquanten werden zunächst in den Photorezeptoren in graduierte Änderungen des Membranpotenzials umgesetzt. Das Resultat dieses ersten Schritts in der visuellen Informationsverarbeitung wird nachfolgend in den retinalen Schichten intensiv weiterverarbeitet und schließlich von den retinalen Ganglienzellen in Form von Aktionspotenzialen über den optischen Nerv an die verschiedenen Zentren im Gehirn geleitet. Da die gesamte visuelle Information den optischen Nerv passieren muss, dieser aber nur eine durch die Anzahl der Fasern und maximalen Feuerrate beschränkte Bandbreite besitzt, stellt er den Flaschenhals bei der Informationsübertragung im visuellen System dar. Deshalb findet bereits in der Retina eine intensive Verarbeitung, Filterung und Komprimierung der visuellen Information statt, so dass vorwiegend wichtige und neue Aspekte in kodierter Form an das Gehirn weitergeleitet werden.

Im Zentrum der geplanten Forschergruppe steht deshalb die Frage, wie diese Verarbeitungsmechanismen im retinalen Netzwerk realisiert sind, um die bemerkenswerte Stabilität visueller Wahrnehmung unter dynamischen Umweltbedingungen zu ermöglichen. Die ForscherInnen gehen davon aus, dass die in den Antwortmustern von Ganglienzellen enthaltene visuelle Information trotz variabler Umweltbedingungen in weiten Bereichen konstant gehalten wird und so durch Signalstabilität eine wesentliche Grundlage für Konstanzphänomene der Wahrnehmung bildet. Diese Leistung der Retina wird einerseits durch Verschaltungskonstanz ermöglicht, also durch einen während der Entwicklung weitgehend außenreizunabhängig generierten Bauplan retinaler Schaltkreise, der auch phylogenetisch hochkonserviert ist und implizites Wissen über die physikalische Welt enthält. Andererseits führt lokale Dynamik in Form von Rückkopplungsmechanismen, dendritischer Verarbeitung, synaptischer Plastizität und Modulation elektrischer Koppelung auch unter verschiedensten Umweltbedingungen zu einer optimalen Abbildung der wichtigen visuellen Informationen auf den verfügbaren neuronalen Dynamikbereich. Diese wohl einmalige Kombination von Verschaltungskonstanz und lokaler Dynamik hat das Dilemma der limitierten Übertragungsfunktion über den optischen Nerv erfolgreich aufgelöst.

Die Retina als ein gut zugänglicher Teil des Gehirns eröffnet auch die Perspektive, einem Verständnis der Verarbeitungsmechanismen in neuronalen Netzwerken näher zu kommen. Während die ForscherInnen über zunehmend bessere Daten zum molekularen Aufbau des Nervensystems und zur Lokalisation von Aktivität im Gehirn verfügen, sind sie von einer Erklärung der neuronalen Verarbeitung noch weit entfernt. Diese bildet aber den Kern aller bewussten und unbewussten Gehirnaktivitäten.

Die in der Forschergruppe vorhandene experimentelle Expertise schließt alle aktuellen Techniken der Neurobiologie ein und reicht von der Molekularbiologie bis zur elektrophysiolgischen Multielektrodenableitung. In sieben eng vernetzten Teilprojekten werden damit Aspekte der retinalen Verarbeitung analysiert, die von Adaptationsmechanismen in den Photorezeptoren über die Analyse spezieller Schaltkreise für das Farben- und Bewegungssehen bis hin zu den Kodierungsmechanismen von Ganglienzellen reichen.


EWE-An-Institut für Energietechnologie

EWE und Universität Oldenburg wollen gemeinsam Energiefroschung betreiben

Die Gründung eines An-Instituts für Energietechnologie hat der Vorstandsvorsitzende der EWE AG, Dr. Werner Brinker, beim OFFIS-Tag am 19. Juni 2006 angekündigt. Es soll den Namen „EWE Institut für Energietechnologie“ tragen und voraussichtlich 2007 seine Arbeit aufnehmen. Eine Professur (W 3) soll für die Leitung bereit gestellt werden. In der neuen Einrichtung werden WissenschaftlerInnen aus den Bereichen Physik, Informatik und Ökonomie tätig sein.

Präsident Prof. Dr. Uwe Schneidewind begrüßte die Ankündigung Brinkers und sagte, in den Vorgesprächen sei großes Einvernehmen erzielt worden. Er freue sich, dass Universität und Wirtschaft immer besser zum Nutzen beider Bereiche zusammenfänden.

Die Verhandlungen über das neue Institut führten der Vizepräsident für Forschung, Prof. Dr. Reto Weiler, der Physiker Prof. Dr. Jürgen Parisi und der Informatiker Prof. Dr. Hans-Jürgen Appelrath. Weiler sagte dazu vor dem Senat, Ziel sei es, dass sich die neue Einrichtung mittelfristig als Fraunhofer-Institut etablieren könne.

„Die Frage der Energieversorgung ist eine der zentralen Fragen der Zukunft. Nur mit umfangreicher Forschung können wir die Basis für eine umweltverträgliche und sichere Energieversorgung in den kommenden Jahrzehnten legen“, erklärte Brinker (Foto) vor den OFFIS-Gästen. Die EWE AG wolle mit der Gründung einer Forschungsabteilung im eigenen Haus die zahlreichen Forschungsprojekte des Unternehmens zusammenfassen und weiter vorantreiben. Das neue Institut an der Universität solle in enger Zusammenarbeit mit der EWE AG praxisorientierte Grundlagenforschung zur Energieversorgung betreiben.

Die EWE AG engagiert sich derzeit vor allem bei der Erprobung von Brennstoffzellen, der Einbindung von Windkraftanlagen in die bestehenden Stromnetze und der Entwicklung eines dezentralen Energiemanagementsystems, DEMS genannt.

Das „EWE Institut für Energietechnologie“ soll im nächsten Jahr mit drei Abteilungen in den Bereichen Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energieeinsparung aufgebaut werden. „Mit der Gründung des Institutes holen wir weitere Kompetenz zur Energieforschung in die Region und stärken den Wissenschaftsstandort Oldenburg“, so Brinker und Weiler. Um sich am Markt behaupten zu können, sei es für EWE von großer Bedeutung, einen intensiven Kontakt zur Wissenschaft zu pflegen und die Forschung voranzutreiben. Zudem hoffe man, durch die enge Verbindung zur Universität auch qualifizierte Mitarbeiter für EWE gewinnen zu können, betonte Brinker.

Ein An-Institut ist eine Forschungseinrichtung, die als private und eigenständig wirtschaftende Gesellschaft an eine Universität angegliedert ist. Geleitet wird ein An-Institut in der Regel von ProfessorInnen, die an der Universität beschäftigt sind.


Kein Arbeitsplatzmotor

Wirtschaftswissenschaftliche Studie über "Grüne Gentechnik"

Trotz mancher Prognosen: Von der so genannten „Grünen Gentechnik“ sind keine nennenswerten Impulse für den Arbeitsmarkt zu erwarten - auch nicht im Fall einer Liberalisierung des Gentechnikgesetzes. Zu diesem Ergebnis gelangt eine Studie, die am Lehrstuhl für Unternehmensführung (Prof. Dr. Reinhard Pfriem, Institut für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik) im Auftrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) entstanden ist.

In der Studie der Diplomanden Thorsten Helmerichs und Daniel Grundke („Grüne Gentechnik als Arbeitsplatzmotor? Genaues Hinsehen lohnt sich“) wurden privatwirtschaftlich finanzierte Arbeitsplätze im Bereich der „Grünen Gentechnik“ erfasst, die sich mit der Entwicklung und Produktion gentechnisch veränderter Pflanzen befassen. Nicht berücksichtigt wurden aus Steuermitteln finanzierte Stellen an Universitäten und Forschungseinrichtungen. Die Autoren nutzten Daten aus Fremdstudien, Branchenberichten, eigenen Erhebungen sowie Interviews.

In dieser Form ist die Expertise einmalig. Bisher standen kaum aussagekräftige Daten zur Zahl der Arbeitsplätze im Bereich der „Grünen Gentechnik“ zur Verfügung. Die wenigen vorhandenen Untersuchungen differenzieren im Regelfall weder zwischen Gentechnik und Biotechnologie noch zwischen „roter“, „grüner“ und „weißer“ Biotechnologie.

In der öffentlichen Auseinandersetzung“ ist häufig zu hören, das strenge deutsche Gentechnikgesetz verhindere, dass zehntausende neue Arbeitsplätze durch die „Grüne Gentechnik“ geschaffen würden. Doch die von Helmerichs und Grundke ermittelten Zahlen und Größenordnungen sind ernüchternd. Derzeit seien deutlich weniger als 500 Arbeitsplätze in diesem Bereich zu verzeichnen. Von einem nennenswerten Anstieg sei schon aufgrund der Größe und Struktur der gesamten Saatgutbranche nicht auszugehen - auch nicht bei einer Liberalisierung des Gesetzes. „Die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland“, so resümieren die Autoren, „hängt mit Sicherheit nicht von der ‚Grünen Gentechnik’ ab.“


Hörgarten für Bevölkerung

Experimente ermöglichen sinnlichen Zugang zum Thema Hören

Hauten kräftig auf die Mittelohrpauke: Birger Kollmeier, der "Vater" der Oldenburger Hörforschung, Stephan Albani, Geschäftsführer des Hörzentrums und Niedersachsens Wissenschaftsminister Lutz Stratmann.
Foto: Wilfried Gollletz

Einen Themenpark rund um das Hören hat das Kompetenzzentrum HörTech gemeinsam mit der Universität und dem Oldenburger Hörzentrum für die Oldenburger Bevölkerung eingerichtet. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen des Hörzentrums, das in kurzer Zeit einen herausragenden internationalen Ruf erworben hat, wurde der Hörgarten von Wissenschaftsminister Lutz Stratmann am 30. Mai 2006 der Öffentlichkeit übergeben. „Wir wollen zur Entwicklung des Hörbewusstseins beitragen, unsere Aufklärungsarbeit in Sachen gutes Hören kontinuierlich fortsetzen,“ sagte dazu der Initiator der Oldenburger Hörforschung, Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier.

Im Hörgarten rund um das Haus des Hörens in der Marie-Curie-Straße 2 sind akustische Experimente und Exponate zu finden, die Kindern und Erwachsenen den sinnlichen Zugang zum Thema Hören ermöglichen sollen. Bereits vor Jahren errichteten die Hörforscher vor ihrem Domizil einen „Hörthron“ - eine physikalische Apparatur, mit der das akustisch verstärkte Richtungshören mit beiden Ohren ausprobiert werden kann.

Zu erleben sind im Hörgarten Helmholtz-Resonatoren, die die Frequenz-aufspaltung im Innenohr hörbar machen, und eine Flüstergalerie, die die gezielte Wahrnehmung von Schall über weite Entfernungen hinweg ermöglicht. Ein weiteres Highlight ist eine akustische Kanone, mit deren Hilfe man Schall scheinbar unsichtbar an fast jeder beliebigen Stelle entstehen lassen kann. Auch eine Windharfe, eine Mittelohrpauke und ein binauraler Teich gehören zum Inventar des Oldenburger Hörgartens, ebenso ein Info-Point zum Thema und ein mechanisches Ohr-Modell.

Die meisten akustischen Apparaturen wurden in der feinmechanischen Werkstatt der Universität gebaut. Bei der Realisation des Hörgartens hat der Oldenburger Architekt Hans-Jürgen Bethge eng mit den Forschern der international renommierten Oldenburger Hörforschung zusammengearbeitet. Der Garten, dessen Exponate zukünftig auch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen sein werden, wurde mit Unterstützung zahlreicher Sponsoren geschaffen, u. a. der EWE Stiftung, der Niedersächsischen Lottostiftung „Bingo“ sowie der Oticon Foundation. Die Investitionen beliefen sich insgesamt auf 125.000 €.

Der Hörgarten wurde auch in die bundesweite Initiative „Deutschland - Land der Ideen“ als einer von 365 Orten aufgenommen. Bereits im Januar hatte das Hannah-Arendt-Zentrum der Universität die gleiche Ehrung durch die Initiative erfahren, die unter der Schirmherrschaft von Bundespräsidenten Horst Köhler steht.


Regenwald unter Glas

Neues Tropenhaus im Botanischen Garten

Es war ein nicht genannter privater Sponsor, der den Stein ins Rollen brachte: Mit seiner Spende legte er den Grundstein für die Finanzierung des neuen Tropenhauses im Botanischen Garten der Universität Oldenburg am Philosophenweg. Der Förderverein des Botanischen Gartens Ilex legte nach, warb weitere Sponsoren wie die EWE, die LzO, die Öffentliche Versicherung, die OLB etc. und brachte insgesamt 80.000 € zusammen. Die restlichen Mittel für den 250.000 € teuren Glasbau steuerte die Universität bei. Und so konnte nach nicht einmal einem Jahr Bauzeit und der Einrichtung im Winter das Tropenhaus seiner Bestimmung übergeben werden. Seit Anfang Juni 2006 steht das 250 Quadratmeter große und acht Meter hohe Glashaus mit seinem Mikrokosmos tropischer Lebensräume der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Über 250 verschiedene exotische Pflanzen gibt es im neuen Tropenhaus zu sehen.
Foto: Wilfried Golletz

Im Treibhausklima des Tropenhauses gedeihen bei 24 Grad Celsius die exotischen Pflanzen der tropischen Regenwälder: auf Bäumen wachsende Orchideen und Farne, fleischfressende Pflanzen, Epiphythen, Seerosen etc. - insgesamt etwa 250 verschiedene Pflanzen. Tropische Regenwälder, die eine zentrale Funktion für das Erdklima haben, sind Zentren der Artenvielfalt. Viele unserer Nutzpflanzen wie Kaffee, Kakao, Reis und Zuckerrohr entstammen den Tropen, die fast zwei Drittel aller höheren Pflanzenarten beherbergen. Unter dem Sicherheitsisoglas führt ein Dschungelpfad die Besucher mitten durch den Regenwald. Ein zwei Meter hoher Wasserfall und ein 25 Quadratmeter großes tropisches Gewässer erhöhen die Attraktivität und sorgen zugleich dafür, dass die Pflanzen ohne Berieselung auskommen.

Die Biodiversität und Evolutionsbiologie wird in den neuen Bachelor- und Master-Studiengängen der Biologie einen neuen Schwerpunkt bilden. Dazu sollen im Wintersemester vier neue Lehrstühle (zwei in Botanik und zwei in Zoologie) neu besetzt werden. Der Botanische Garten dient der Lehre und der Forschung in diesem Fachgebiet und soll auch durch seine Öffentlichkeitsarbeit die Einstellung zur modernen Biologie beeinflussen, wie der Direktor des Botanischen Gartens, Prof. Dr. Peter Janiesch, betonte. Gewächshäuser seien Kernstück vieler Botanischer Gärten, dem Botanischen Garten der Universität habe bisher ein öffentlich zugängliches Schauhaus gefehlt.

Das Tropenhaus des Botanischen Gartens ist sonntags von 11.00 bis 17.00 Uhr und montags bis freitags von 10.00 bis 15.30 Uhr und nach Vereinbarung geöffnet. Führungen nach Anmeldung.


"Alles Nazigegner?"

Historiker befassen sich mit NS-Vergangenheit des Staatsorchesters

Als besonders eifriger Nazi-Parteigänger im Oldenburgischen Landesorchesters (links ein Foto, das zwischen 1933 und 1936 entstanden ist) galt der Trompeter Dietrich Entelmann, der hier in einer "Kohlzeitung" (1930) karikiert wird.

Am 1. September 1944 ließ Joseph Goebbels alle Theater und Musikhäuser im Deutschen Reich schließen. Von nun an sollten alle Kräfte für den Krieg bereitstehen. Dies betraf auch das Theater Oldenburg. Die Orchestermitglieder, die nicht bereits eingezogen worden waren, mussten nun entweder zur Wehrmacht oder aber, wenn sie bereits über 60 Jahre alt waren, in der Rüstungsindustrie arbeiten. Dies betraf rund 20 Musiker, die nun im Fliegerhorst des Rüstungswerks Weser-Flug aus vielen zerstörten Flugzeugen wieder funktionsfähige fabrizieren sollten.

„Furchtbar viel geschafft haben die nicht!“, berichteten die Zeitzeuginnen Charlotte Schomerus und Trude Meyer. Als „Halbjüdinnen“ waren sie damals als junge Frauen zur Arbeit in den Oldenburger Rüstungsbetrieben zwangsverpflichtet. Dort lernten sie im Herbst 1944 auch einige Musiker des Orchesters Oldenburg kennen. Ausnehmend freundlich seien sie alle gewesen, von der antisemitischen Propaganda der Nationalsozialisten offenbar unbeeinflusst: „Sie waren alle Nazigegner!“ Sollte das Orchester tatsächlich so geschlossen immun gegenüber der nationalsozialistischen Ideologie gewesen sein? Noch dazu in dem nazifreundlichen Oldenburger Umfeld?

Wie das Orchester während der zwölf Jahre des Nationalsozialismus wirklich gehandelt hat, was einzelne Orchestermitglieder erlebt und erlitten haben, welche Einflüsse politische Entwicklungen auf den Orchesteralltag hatten, wie man miteinander umging, wem man vertraute und wem man zunehmend misstraute: Dies sind einige der Fragen, denen Prof. Dr. Gunilla Budde und Mareike Witkowski nachgehen.

Der Anstoß kam aus dem Orchester selbst. Im November 2007 feiert das Staatsorchester Oldenburg sein 175-jähriges Bestehen. Das näher rückende Jubiläum ließ einige Musiker zu alten Festschriften greifen. Beim Durchblättern fiel auf, dass die Zeit des Nationalsozialismus bislang nur am Rande oder gar nicht behandelt worden war. Diese Lücke sollte nun geschlossen werden. Man wandte sich an Budde, die am Institut für Geschichte den Lehrstuhl für Deutsche und Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts innehat. Gemeinsam mit ihrer Doktorandin Mareike Witkowski machte sie sich auf die Suche nach Zeitzeugen und Aktenbeständen.

Nach einer ersten Durchsicht der Akten stand schnell fest, dass es seit 1933 keine jüdischen Musiker im Orchester Oldenburg gab. Da Oldenburg bereits ab Juni 1932 von den Nationalsozialisten regiert wurde, stellte sich die Frage, ob jüdische Musiker schon früher aus dem Orchester entlassen worden waren. In den Akten lassen sich keine entsprechenden Hinweise finden, und auch die interviewten Zeitzeugen, bei denen es sich zum größten Teil um Töchter und Söhne der damaligen Musiker handelt, können sich nicht an jüdische Orchestermitglieder erinnern. Alle berichteten jedoch vom „Fall Heun“.

Der Trompeter Fridolin Heun hatte eine jüdische Ehefrau. Am 25. Februar 1937 schrieb der Vorstand des Oldenburgischen Landesorchesters auf Anfrage dem Oldenburgischen Staatsministerium zurück: „Auf das Rundschreiben ... teile ich ... mit, daß der Trompeter Fridolin H e u n, Mitglied des Landesorchesters, jüdisch versippt ist. Die Ehefrau des Musikers Heun hat 3 volljüdische Großelternteile.“ Obwohl sein Verbleib in der Reichsmusikkammer abgelehnt wurde, was einem Berufsverbot gleichkam, setzte sich der Orchestervorstand für seine Weiterbeschäftigung ein. Man versuchte darzulegen, dass Heuns Ehefrau nur „Dreivierteljüdin“ und nicht „Volljüdin“ sei, da nur so überhaupt eine Weiterbeschäftigung möglich war: Mit Erfolg. Noch bis zum 30. März 1942 war er als Musiker fest angestellt. Aber auch nachdem sein Vertrag auf Grund seiner Ehe mit einer Jüdin nicht mehr verlängert wurde, spielte er weiter als Aushilfsmusiker im Oldenburger Orchester, jedoch mit deutlich geringeren Bezügen.

Sich für einen angegriffenen Orchesterkollegen einzusetzen, fiel vermutlich nicht allen Orchestermitgliedern leicht. Zu ihnen dürfte auch Heuns Kollege Dietrich Entelmann gehört haben. Fast alle interviewten Kinder damaliger Orchestermusiker konnten sich an den ehemaligen Trompeter erinnern: „Der marschierte immer vorne weg in seiner SA-Uniform.“

Entelmann war bereits am 1. Dezember 1927 in die NSDAP eingetreten und leitete die SA-Kapelle Oldenburg. Diese zog schon früh über die Dörfer, um für die Nationalsozialisten zu werben. Auch andere Orchestermitglieder spielten in ihrer Freizeit in der SA-Kapelle. Neben Entelmann gab es noch zahlreiche weitere NSDAP-Mitglieder unter den Musikern. Von einer allgemeinen Gegnerschaft zum Regime kann demnach kaum die Rede sein.

Wie verträgt sich dieser Befund jedoch mit den Aussagen der beiden Zeitzeuginnen, die eingangs zitiert wurden? Er macht zunächst wieder einmal deutlich, wie sensibel HistorikerInnen „Oral History“ betreiben müssen. Im Fall der „halbjüdischen“ Schwestern stand die verständliche Dankbarkeit für freundliche Worte und Gesten in der für sie schrecklichen Zeit im Vordergrund, die zur Aussage geführt hatte, dass alle Nazigegner gewesen seien. Ein genaues Aktenstudium kombiniert mit Interviews ist für die Erforschung der Geschichte des Orchesters nötig. Die Ergebnisse dieser Forschungen sollen zum Jubiläum des Orchesters im Herbst 2007 als Buch erscheinen.

Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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