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Inhalt 9/2009

Forschung

Neuer Sonderforschungsbereich

Erstmals erhält die Universität Oldenburg in der Meeresforschung einen Sonderforschungsbereich (SFB). Im Mittelpunkt des SFB, der in den kommenden vier Jahren durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 8,2 Millionen € gefördert wird, stehen Meeresbakterien; der offizielle Titel lautet „Ökologie, Physiologie und Molekularbiologie der Roseobacter-Gruppe: Aufbruch zu einem systembiologischen Verständnis einer global wichtigen Gruppe mariner Bakterien“. An dem Großprojekt unter Leitung des Oldenburger Meeresforschers Prof. Dr. Meinhard Simon sind neben der Universität Oldenburg auch die Technische Universität Braunschweig (TU), das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), die Deutsche Sammlung für Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) sowie das Genomforschungslabor der Universität Göttingen beteiligt. „Die Bewilligung bestätigt gerade angesichts des harten Wettbewerbs um Sonderforschungsbereiche die hohe Qualität der Oldenburger Meeresforschung und stärkt weiterhin das Profil der Universität und ihre Wettbewerbsfähigkeit“, erklärte die Kommissarische Präsidentin, Dr. Heide Ahrens.

Der auf zwölf Jahre angelegte SFB wird eine der wichtigsten Gruppen von Meeresbakterien, die sogenannte Roseobacter-Gruppe, umfassend untersuchen. Ziel der Forschungen ist es, die evolutionären, genetischen und physiologischen Prinzipien und Anpassungen von Bakterien der Gruppe an ihre verschiedenen Lebensräume zu verstehen.

Die Forschungen erweiterten nicht nur die grundlegenden Erkenntnisse über die Roseobacter-Gruppe, so Simon. „Sie werden auch neue Einsichten über den gezielten Einsatz von Bakterien dieser Gruppe für Antifoulingprozesse an Oberflächen, z.B. von Schiffen, und für die optimierte Produktion von biologischen Wirkstoffen in der Aquakultur und möglicherweise auch der Medizin ergeben.“
Das Projekt schließt unmittelbar an ein von der niedersächsischen VolkwagenStiftung mit 1,8 Millionen € gefördertes Projekt an, in dem seit April 2007, ebenfalls unter der Leitung von Simon, die Genome von acht Bakterien aus der Roseobacter-Gruppe analysiert werden. Mit der Einrichtung des SFB werde nun die in Niedersachsen vorhandene Exzellenz auf dem Gebiet der Marinen Mikrobiologie auf modernstem Stand gebündelt. „Daraus kann sich ein in Deutschland einzigartiges niedersächsisches Zentrum für Marine Mikrobiologie entwickeln“, betonte Simon.

Geheimnis gelüftet: Vögel "sehen" Magnetfeld der Erde

Oldenburger Biologen berichten über spezielle Hirnregion in NATURE

Perfekte Navigation: Das „Cluster N“ weist den Rotkehlchen den Weg beim jährlichen Vogelzug. Foto: Henrik Mouritsen

Millionen von Zugvögeln machen sich Jahr für Jahr auf den Weg in wärmere bzw. kältere Gebiete der Erde. Ihr Navigationssystem funktioniert präzise. Die Orientierung am Magnetfeld der Erde spielt dabei die entscheidende Rolle. Bislang gehörte die Frage, welche sensorischen Mechanismen dies möglich machen, zu den großen Mysterien der Biologie. Manuela Zapka und neun weitere Mitglieder der Arbeitsgruppe „Neurosensorik – Animal Navigation“ unter Leitung des Oldenburger Biologen und Lichtenberg-Professors Prof. Dr. Henrik Mouritsen konnten dieses Geheimnis nun lüften. Die von der VolkswagenStiftung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Arbeitsgruppe hat nachgewiesen, dass sich die Vögel nicht nur am Magnetfeld orientieren, sondern dass sie seine Ausrichtung regelrecht „sehen“ können. Verantwortlich dafür ist eine als „Cluster N“ bezeichnete Hirnregion, die ein Teilbereich des Sehzentrums ist. Der magnetische Kompass der Vögel befindet sich demnach im Bereich der Augen. Ihre richtungsweisenden Forschungsergebnisse hat die Arbeitsgruppe kürzlich gemeinsam mit Prof. Martin Wild (University of Auckland, New Zealand) im Wissenschaftsjournal NATURE (Volume 461, 29. Oktober 2009) vorgestellt.

Bereits 2004 hatten die Arbeitsgruppen von Mouritsen und seinem Kollegen Prof. Dr. Erich Jarvis von der Duke University (USA) vermutet, dass mit dem „Cluster N“ die Hirnregion identifiziert wäre, die für die Orientierung am Magnetfeld von besonderer Bedeutung sein könnte. In ihren jüngsten Untersuchungen konnten die WissenschaftlerInnen nun nachweisen, dass Deaktivierungen des Clusters dazu führen, dass die Vögel ihren magnetischen Kompass nicht mehr nutzen können. Die Fähigkeit, sich an der Sonne oder den Sternen zu orientieren, bleibt davon unbeeinträchtigt. Das „Cluster N“ ist also empirisch nachweisbar in die Verarbeitung magnetischer Feldinformationen involviert.

Die Studie hat auch andere mögliche Formen der Magnetfeldwahrnehmung untersucht. So konnten die WissenschaftlerInnen zeigen, dass die als Magnetsensoren in Verdacht stehenden Eisenmineral-Kristalle in der oberen Schnabelhaut keine entscheidende Rolle für den Magnetkompass spielen. Obwohl sie den Trigeminus-Nerv, die einzige Nervenverbindung zwischen den Eisenmineralkristallen im Schnabel und dem Gehirn, deaktivierten, konnten die Vögel immer noch ihren magnetischen Kompass nutzen.

Die jetzt vorgelegten Ergebnisse sind ein wichtiger Meilenstein in der sensorischen Biologie. „Unsere Erkenntnisse können genutzt werden, um Zugvögel und andere seltene Tierarten besser schützen zu können“, sagte Mouritsen. So bestehe nur durch ein umfassendes Verständnis ihrer Orientierungsmechanismen künftig die Chance, gefährdete Vogelpopulationen erfolgreich umzusiedeln. Auch für Menschen, die täglich großen Mengen elektromagnetischer Strahlung – etwa durch Mobiltelefone, Radiowellen oder magnetbasierte Bildgebungsverfahren im klinischen Kontext – ausgesetzt sind, könnten die Forschungserkenntnisse wichtig sein. Die Identifikation der neuronalen Bahnen bei Vögeln, die durch Magnetfelder beeinflusst werden, könnte, so Mouritsen, ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einem präziseren Verständnis der Veränderungen sein, die Magnetfelder in Molekülen, Proteinen und Zellen in Organismen hervorrufen können.

„Dass wir unsere Untersuchungen so erfolgreich durchführen konnten, verdanken wir auch den ungewöhnlich guten und professionell arbeitenden Werkstätten der Universität“, resümierte Mouritsen. Wissenschaftliche Ideen seien eine Sache, ihre Umsetzung aber eine andere. Alle Versuchsapparaturen seinen speziell aus nicht magnetischen Materialien angefertigt worden. „50 Prozent des Erfolgs ist also unseren Werkstätten zuzuschreiben.“

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Hilfe für kranke Netzhaut

BMBF fördert Entwicklung von Implantat

Allein in Deutschland leben nach Angaben des Deutschen Blinden- und Sehbehinderten Verbands rund 145.00 Blinde und 500.000 sehbehinderte Menschen. In den kommenden Jahren werden diese Zahlen noch deutlich steigen. Bei vielen Augenerkrankungen handelt es sich um nicht therapierbare degenerative Erkrankungen der Netzhaut, die durch die Schädigung oder den Verlust von Photorezeptoren zu einer teilweisen oder vollständigen Erblindung führen. Allein ein „autonomes neurochemisches Implantat“, das die degenerierten Photorezeptoren ersetzt, könnte helfen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert seine Entwicklung jetzt mit
1,4 Mio. €. Beteiligt an dem Forschungsverbund sind die Universität Oldenburg mit der Abteilung Neurobiologie am Institut für Biologie und Umweltwissenschaften (Prof. Dr. Reto Weiler) und der Abteilung Energie- und Halbleiterforschung am Institut für Physik (Prof. Dr. Jürgen Parisi) sowie das Universitätsklinikum Tübingen (Prof. Dr. Eberhart Zrenner), das Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut an der Universität Tübingen in Reutlingen (Prof. Dr. Elke Guenther) und das Helmholz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (Prof. Dr. Martha Ch. Lux-Steiner).

Photorezeptoren sind hoch spezialisierte Zellen, die das ins Auge einfallende Licht in elektrische Impulse umwandeln. Durch Freisetzung von Glutamat aus den Nervenendigungen (Synapsen) der Photorezeptoren werden diese Impulse an die nachgeschalteten Nervenzellen der Netzhaut und des Gehirns weitergeleitet und erzeugen so einen Seheindruck. Der Forschungs- und Entwicklungsverbund von Biologen, Medizinern, Physikern und Ingenieuren setzt hier an. Er will ein Implantat entwickeln, das durch eine gezielte und steuerbare Freisetzung des Botenstoffs Glutamat die Funktion einer „künstlichen Synapse“ im Nervensystem übernimmt. Als eine Art „Glutamatschalter“ soll es die degenerierten Photorezeptoren des erkrankten Auges ersetzen.

Langfristig wollen die WissenschaftlerInnen durch eine Kombination des Schaltprinzips mit verschiedenen Botenstoffen gezielt geschädigte Schaltkreise im gesamten Nervensystem steuern. Damit könnte das Implantat, so der Neurobiologe Weiler und der Physiker Parisi, in Zukunft nicht nur zur Behandlung von Netzhauterkrankungen, sondern auch von verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen des Gehirns, wie z.B. Parkinson, dienen.

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Presse & Kommunikation (Stand: 06.09.2024)  | 
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