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"Schnelligkeit und Ausprobieren sind wichtig"
Nicolai: "Kultur der Selbstständigkeit" muss sich noch weiter entwickeln
Unterwegs zu einer Kultur der Selbstständigkeit: Die Oldenburger Stiftungsprofessur für Entrepreneurship fördert hochschulnahe Gründungen und forscht zu unternehmerischer Kreativität. Dazu ein Gespräch mit Prof. Dr. Alexander Nicolai (Foto).
UNI-INFO: „In Deutschland sind Gründer hoch angesehen, doch hapert es im internationalen Vergleich an einer ausgeprägten Gründungskultur“, heißt es in der „Initiative Gründerland Deutschland“, die Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle zusammen mit Wirtschaftsverbänden zu Beginn des Jahres ins Leben gerufen hat. Woran liegt es eigentlich, dass das Berufsbild des Gründers und Unternehmers so wenig präsent ist?
NICOLAI: In den 70er Jahren haben Unternehmer- und Gründertum noch ein Schattendasein geführt. In Deutschland gab es noch keine nennenswerte Entrepreneurship-Szene. Und wenn man sich Fernsehserien aus dieser Zeit anschaut, merkt man, dass ein positiver besetzter Unternehmertypus dort gar nicht vorkommt. Die BWL war auf Großunternehmen, aber bestimmt nicht auf Neugründungen ausgerichtet. Unternehmertum war nicht in der akademischen Kultur verankert.
UNI-INFO: Wann hat sich das geändert?
NICOLAI: Mit dem New Economy-Boom Ende der 90er Jahre. Gründung war plötzlich in aller Munde. In Oldenburg aber auch anderswo haben die Kooperationen mit Unternehmen stark zugenommen, und über Stiftungsprofessuren wurde schließlich das Thema von außen in die Hochschulen hineingetragen. Unterm Strich betrachtet hat sich also sehr viel getan. Und dennoch ist es noch ein weiter Weg, bis man sagen kann, wir haben wirklich eine Kultur der Selbstständigkeit in Deutschland.
UNI-INFO: Die meisten GründerInnen benötigen Risikokapital, um ihre Idee umzusetzen. Dem Entrepreneurshipforscher Scott Shane zufolge ist schon hier für die meisten Projekte Schluss. „Dass Jungunternehmer Risikokapital bekommen, ist unwahrscheinlicher, als bei einem Sturz in der Dusche zu sterben“, so sein ernüchterndes Fazit. Ist es tatsächlich so schwierig, an Risikokapital zu kommen?
NICOLAI: Mir sind viele Gründungen bekannt, die erfolgreich aus Risikokapital finanziert worden sind. Shane argumentiert – das ist ein Nachteil seines Ansatzes – auf Basis der gesamten Gründungen. Wenn ich jeden Blumenladen und jede Existenzgründung mit einbeziehe, dann ist es natürlich nur eine verschwindend kleine Fraktion, die risikokapitalfinanziert und im innovativen Bereich unterwegs ist.
UNI-INFO: Ein Bereich, den Sie mit der Stiftungsprofessur in der Oldenburger Region ausbauen möchten.
NICOLAI: Wir interessieren uns dabei für die hochschulnahen innovativen Gründungen, die wir von Anbeginn begleiten, coachen und fördern. In der Forschung haben wir noch einmal eine andere Perspektive: Jede Gründung, die aus der Wissenschaft entsteht, enthält im forscherischen Kern immer eine Innovation, einen Bruch mit dem, was bisher Stand des Wissens war. Wir fragen: Wie entstehen die neuen, Regel brechenden unternehmerischen Ansätze? Ist das tatsächlich Kreativität?
UNI-INFO: Der österreichische Sozialwissenschaftler Joseph Schumpeter sprach von „kreativer Zerstörung“ und hatte Kreativität und Unternehmertum in eine feste Verbindung gebracht.
NICOLAI: Worauf es aber keinen direkten Hinweis gibt. Wir untersuchen am Lehrstuhl mit aufwändigen psychologischen Instrumentarien, ob Unternehmer wirklich kreativer sind als der Durchschnitt. Man kann das messen, das hat noch niemand gemacht. Mein Impuls ist nach jetzigem Stand eher, dass in der ganzen Breite Kreativität gar nicht eine so große Rolle spielt, wohl aber bestimmte Problemlösungstechniken. Erst denken, dann handeln, lautet in der klassischen Betriebswirtschaftslehre die Devise. Der unternehmerische Ansatz der Problemlösung lautet ganz anders.
UNI-INFO: Erst handeln, dann denken?
NICOLAI: Der unternehmerische Modus geht davon aus, dass bestimmte Informationen erst nach dem Handeln zur Verfügung stehen, dass Ausprobieren und Schnelligkeit wichtig sind. Dieses schnelle Handeln ist dem Unternehmer eher eigen.
UNI-INFO: In der Wissenschaft gibt es hingegen auch starke retardierende, analytische Momente. Wie passen Forschung und Unternehmertum da zusammen?
NICOLAI: Eine gewisse Distanz zu den Dingen zu haben, das eint den Wissenschaftler und den Unternehmer. „Muss das denn so sein“, diese Frage zeigt, dass wir in einer Welt voller institutionalisierter Praktiken leben, und sowohl die Wissenschaft als auch das Unternehmertum setzt sich auf Distanz zu dem, was ist. Das kann im Unternehmertum schon bei dem Erlösmodell anfangen, wenn beispielsweise der Verkauf in Zehnerpacks ein Novum gegenüber der bisherigen Verkaufsweise ist. Oder wenn ein Oldenburger Start Up für den Handel von Brillen geradezu antizyklisch und moderesistent auf E-Commerce setzt - und damit sehr erfolgreich ist.
Prämierte GeschäftsideenDie Betonwüse lebtStudent Arne Hilbig will Innenstädte begrünenArne Hilbig kann kaum noch unbefangen durch eine Stadt gehen. Überall sieht der Oldenburger Student der Landschaftsökologie die Möglichkeit, Gutes zu tun und damit bares Geld zu verdienen. Betonwüsten, graue Industriegebiete, riesige Parkplätze, Innenstädte ohne Grün – für Hilbig muss das nicht sein, er möchte dies mit seinem Projekt „befreit!“ ändern. Mit seiner Geschäftsidee gewann er beim Ideenwettbewerb „Nordlicht“ den Publikums- und den 3. Jurypreis. „Meine Idee ist eigentlich ganz einfach“, stellt Hilbig sein Projekt vor. „Oftmals sind viele Areale in Städten sinnlos zubetoniert. Ein Großteil dieser Flächen könnte ganz einfach wieder begrünt werden.“ Mittlerweile sind in Deutschland 48.000 km² Siedlungs- und Verkehrsfläche – eine Fläche so groß wie Niedersachsen ist bebaut und erstickt unter einer dicken Beton- und Asphaltfläche. Nach einer Studie des Umweltbundesamts für Mensch und Umwelt (UBA) sind fünf Prozent davon unnötig versiegelt. An diesen fünf Prozent möchte Hilbig nun kratzen, frei nach seinem Motto „Sie betonieren, wir befreien“. „Warum kann man große Parkplätze nicht mit Rasen-Gitter-Steinen bebauen und mit Hecken umranden, anstatt sie stumpf zuzubetonieren? Und warum kann man nicht einfach Verkehrsinseln begrünen?“ fragt Hilbig energisch. Die Vorteile lägen auf der Hand: Die Kohlendioxid-Kompensation und die Grundwasserneubildung könnten durch mehr Grünflächen verbessert und die Lebensqualität in den Städten gesteigert werden. Das Vorbild für Hilbigs Geschäftsidee ist Kopenhagen. Die dänische Hauptstadt möchte bis 2025 die erste Kohlendioxid-neutrale Stadt werden. Zu diesem Vorhaben gehört auch ein ökologisch sinnvoller Bebauungsplan mit ausreichend Grünflächen. Bisher hat der Student, der in einem Umweltplanungsbüro arbeitet und klassische Umweltverträglichkeitsstudien durchführt, nur die Geschäftsidee entwickelt. Nach dem Studium kann sich Hilbig den Schritt in die Selbständigkeit allerdings gut vorstellen. Vielleicht nicht unbedingt in Oldenburg, da die Stadt schon viele Grünflächen habe. Aber letztendlich gebe es überall Handlungsbedarf, ist sich der Student sicher. Hilbig würde dann für Kommunen und Städte die Betonwüsten evaluieren, die rechtlichen Voraussetzungen für die Begrünung klären sowie Gelder einwerben. „Mein Problem ist, dass ich eher grün als wirtschaftlich denke“, erörtert Hilbig. „Ich bin mir auch bewusst, dass so eine Geschäftsidee einen langen Atem benötigt. Aber letztlich könnten alle von ,befreit!’ profitieren. Städte, Kommunen, Immobilienbesitzer und natürlich die Umwelt.“ Strom automatisch einsparenIntelligente Haussteuerung für FertighäuserDen Wunsch, sich selbstständig zu machen hegt Stefan Gode schon ziemlich lange: „Ich habe kein Problem damit, 50 bis 60 Stunden in der Woche zu arbeiten. Am liebsten würde ich diese Zeit allerdings in eine eigene Idee investieren!“ So wählte der Student der Wirtschaftswissenschaften für sein Studium in Oldenburg den Schwerpunkt Gründungsmanagement
Gemeinsam mit dem Informatikstudenten Gerrit Karnbach und dem Elektrotechniker Arne Stasch, die er noch aus Schulzeiten kennt, entwickelte Gode die Geschäftsidee „DC Systems“. Damit setzten sie sich gegen neun FinalistInnen durch und gewannen den Ideenwettbewerb „Nordlicht“. „Mehr als ein halbes Jahr haben wir uns regelmäßig getroffen und überlegt, womit wir uns selbstständig machen wollen“, so Karnbach. Sein Kollege Stasch ergänzt: „Uns war klar, dass Ressourcenersparnis der Zukunftsmarkt ist und unser Projekt auf jeden Fall für diesen Markt interessant sein soll.“ Die angehenden Unternehmer haben mit „DC Systems“ eine intelligente Haussteuerung für Fertighäuser entwickelt. Sie enthält eine Steuerungssoftware zur Hausautomation sowie ein Elektro-Automationskonzept. Damit soll das automatische An- und Abschalten von Elektrogeräten ermöglicht und Strom eingespart werden. In jede Wand eines Fertighauses wird dazu eine intelligente Einheit eingebaut. Diese Einheiten sind mit einfachen Leitungen per Bussystem verbunden, über welches sie miteinander kommunizieren können. Die Bedienung erfolgt z.B. über einen Tablet-PC. Um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, haben sich die „Nordlicht“-Gewinner auch für das Exist-Gründerstipendium beworben. Mit dem Stipendium werden GründerInnen unterstützt, die ihre Idee in einen Businessplan umsetzen möchten. Für Gode, Karnbach und Stasch wäre dies eine große Hilfe: „Als Student hat man nicht die Möglichkeit, viel Geld auf die hohe Kante zu legen. Und bei unserem Vorhaben kommen nicht nur Personal- sondern auch hohe Entwicklungs- und Materialkosten dazu Wenn wir das Stipendium bekommen würden, wäre dies schon mal ein Schritt in die richtige Richtung!“ Beste GeschätsideePrämierungen im Ideenwettbewerb "Nordlicht"Die besten Geschäftsideen der Region wollen der Stiftungslehrstuhl Entrepreneurship der Universität und die Stadt Oldenburg mit dem 1. Ideenwettbewerb „Nordlicht“ fördern. Nun stehen die Sieger fest: Bei der Endausscheidung im Technologie- und Gründerzentrum Oldenburg (TGO) haben sich Stefan Gode (Student der Wirtschaftswissenschaften), Gerrit Karnbach (Informatikstudent) und Arne Stasch (E-Techniker) gegen neun weitere FinalistInnen durchgesetzt. Sie erhielten den 1. Jury-Preis in Höhe von 2.000 € für ihre Gründungsidee „DC Systems“ (s. oben). |