Hochschulzeitung UNI-INFO

Inhalt 7/2010

Thema

Die integrative Kraft des Fussballs

An-Institut „Integration durch Sport und Bildung“ eröffnet / Internationale Forschungsprojekte geplant

Integration als Schlüsselaufgabe: (v.l.n.r.) Niedersachsens Wissenschaftsministerin Johanna Wanka, DFB-Präsident Theo Zwanziger, Universitätspräsidentin Babette Simon, Leiter des An-Instituts Ulf Gebken Foto: Markus Hibbeler


Die Integration benachteiligter Kinder und Jugendlicher mit Migrationsgeschichte durch Bewegung, Sport und Bildung vorantreiben, das ist das Ziel eines neuen An-Instituts der Universität Oldenburg. Unter dem Namen „Integration durch Sport und Bildung (INS)“ ist das von den Oldenburger Wissenschaftlern Dr. Ulf Gebken und Prof. Dr. Rudolf Leiprecht geleitete Institut im August offiziell an den Start gegangen. Zu den Gästen der Gründungsfeier gehörten Niedersachsens Wissenschaftsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Dr. Theo Zwanziger, und Oldenburgs Oberbürgermeister Prof. Dr. Gerd Schwandner.

Ihren Ursprung haben die Forschungsarbeiten im Oldenburger Stadtteil Ohmstede. Vor zehn Jahren startete hier das Projekt „Soziale Integration von Mädchen durch Fußball“. Um Mädchen mit Migrationshintergrund für den Sport zu begeistern, initiierte der Sportpädagoge Gebken Mädchenfußball-AGs an Grundschulen, Schulturniere und in Kooperation mit Schule und Sportverein die Qualifizierung weiblicher Jugendlicher zu Fußball-Assistentinnen. Inzwischen läuft das Modellprojekt unter dem Namen „Fußball ohne Abseits“ in ganz Deutschland. Für die Aktion konnten nach Niedersachsen sechs weitere Landesregierungen gewonnen werden, die durch Fußball in sozialen Brennpunkten die Integration zugewanderter Mädchen fördern. Heute spielen bundesweit mehr als 1.200 Mädchen mit Migrationshintergrund regelmäßig Fußball. Sieben Migrantenvereine haben Mädchenfußballmannschaften aufgebaut.

„Über die Integrationswirkungen des Sports wissen wir noch zu wenig. Deshalb ist es sinnvoll, die Forschungen in diesem Bereich zu intensivieren. Integration ist für das Land Niedersachsen zu einer Schlüsselaufgabe geworden“, betonte Wanka. „Wir freuen uns, dass eine niedersächsische Initiative ein derartiges Echo für die Sportentwicklung in Deutschland findet.“ Das Land fördert den Aufbau des Instituts mit 400.000 €.

Simon betonte, es sei höchst erfreulich, dass das Engagement der Oldenburger Wissenschaftler nun auch einen institutionalisierten Rahmen erhielte: „Die zahlreichen eingeworbenen Drittmittelprojekte zeigen, welche Entwicklung die Oldenburger Idee genommen hat und wie sehr die Arbeit in der Region verankert ist.“ Das neue Institut passe ideal zur Universität Oldenburg und bereichere den universitären Forschungsschwerpunkt „Interkulturelle Bildung“. DFB-Präsident Zwanziger ist vom wissenschaftlichen und praktischen Ansatz des Projekts überzeugt: „Wir haben die Idee von Dr. Gebken vor vier Jahren aufgegriffen, weil wir unsere gesellschaftliche Verantwortung annehmen und wissen, welch integrative Kraft der Fußball haben kann.“ Kooperationspartner des INS, das internationale Forschungsprojekte plant, sind neben Universität und Stadt die Laureus Sport for Good Stiftung Deutschland, der Niedersächsische Fußball-Verband (NFV), der Deutsche Fußball-Bund (DFB), die Niedersächsischen Ministerien für Wissenschaft und Kultur sowie für Inneres und Sport und das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen. (mr)


Interviews zum Thema

"Mädchen sind stark im Kommen"

Theo Zwanziger, Präsident des DFB

UNI-INFO: Was meinen Sie, wie sieht der Mädchenfußball in Deutschland 2011 nach der Weltmeisterschaft aus?

ZWANZIGER: Natürlich wünschen wir uns, dass der Mädchen- und Frauenfußball in Deutschland durch die WM 2011 einen weiteren Schub bekommt. Der DFB hat parallel zu den WM-Vorbereitungen auch das Programm „Team 2011“ für Schulen und Vereine entwickelt, um die Begeisterung für den Fußball insbesondere auch bei den Mädchen zu schüren.

UNI-INFO: Werden wir bald einem weiblichen Pendant von Mesut Özil beim Fußballspielen zusehen
können?

ZWANZIGER: Die Nationalmannschaft der Männer ist derzeit ein Musterbeispiel für geglückte Integration. Bei der WM in Südafrika hatte fast die Hälfte aller Spieler im Kader von Joachim Löw einen Migrationshintergrund. Da hat der Fußball wirklich Großartiges geleistet. Bei den Frauen sind wir leider noch nicht so weit. Dort ist Lira Bajramaj noch eine Ausnahme. Türkische Eltern ermutigen oftmals ihre Söhne nachdrücklich dazu, Fußball zu spielen. Bei den Töchtern ist das nicht der Fall. Oftmals werden sie sogar daran gehindert. Deshalb müssen wir gerade in diesem Bereich verstärkt arbeiten, um viel mehr Mädchen mit Migrationshintergrund zum Fußball zu bringen.
Die Fragen stellte Kim Friedrichs

"Sie geben, was sie können"

Ulf Gebken, Leiter des An-Instituts

UNI-INFO: Integration durch Sport: Warum gerade Fußball?

GEBKEN: Das Gute am Fußball ist, dass die Mädchen zügig zum Spielen kommen und sich mit anderen Mannschaften messen können. Sobald sie wissen, dass sie bei einem Turnier spielen, geben sie, was sie können. Außerdem ist Fußball ein Spiel, das man überall spielen kann. Fast jeder kennt die Regeln. Wenn dann noch eine geschulte Übungsleiterin mit von der Partie ist, kann man gleich loslegen.

UNI-INFO: Wie wird das Integrationsprojekt in der Region angenommen?

GEBKEN: In Oldenburg, Delmenhorst und Bremen sehr gut. Werder Bremen ist als Kooperationspartner dabei und möchte noch intensiver mit uns zusammen arbeiten – nicht zuletzt, weil fünf Werder-Spielerinnen in Oldenburg studieren und von dem Projekt sehr angetan sind. Auf Partner wie Werder sind wir angewiesen, damit sich für uns weitere Türen öffnen.

UNI-INFO: Wie sehen Ihre weiteren Projekte aus?

GEBKEN: Ein erstes internationales Turnier in Oldenburg plane ich mit den Kollegen aus Bremen und Groningen für Mitte nächsten Jahres. Langfristig streben wir eine Zusammenarbeit mit Bremen und Groningen an. Außerdem ist es mir ein Anliegen, schon in der Kindertagesstätte mit den Mädchen und ihren Familien in Kontakt zu treten, denn die meisten von ihnen sind beim Erstkontakt bereits acht Jahre alt. Aber dafür benötigen wir qualifizierte Leute, die Bewegungsangebote anbieten. Momentan sind wir fünf Vollzeitkräfte. Das wird auf Dauer kaum reichen.
Die Fragen stellte Kim Friedrichs


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