Während in früheren Untersuchungen bereits gezeigt werden konnte, dass atmosphärische Turbulenz zu intermittenter Statistik der Leistungsabgabe von Windenergieanlagen führt, wird durch neueste Ergebnisse deutlich, dass die Windturbulenz ihre Eigenschaften den elektrischen Netzen noch tiefgreifender aufprägt als bisher bekannt war. Die Mitarbeiter Patrick Milan und Matthias Wächter von Prof. Dr. Joachim Peinke, Physiker an der Universität Oldenburg, konnte durch Analyse von Windpark-Messdaten die Dynamik der Leistungswandlung von der Windgeschwindigkeit zur elektrischen Leistung charakterisieren. Als zentrales Ergebnis zeigte sich, dass die typische Intermittenz des Windes in der elektrischen Leistungsabgabe auch auf großen Skalen wie der eines ganzen Windparks erhalten bleibt. Durch die nichtlinearen Eigenschaften der Windenergiewandlung wird diese Intermittenz dabei sogar noch verstärkt. Dadurch wird die Notwendigkeit deutlich, die Physik und Dynamik der Windturbulenz besser zu verstehen, um die Stabilität zukünftiger Elektrizitätsnetze zu gewährleisten. In ihrem Artikel in der Fachzeitschrift Physical Review Letters beschreiben die Forscher, dass auf kleinen Zeitskalen im Sekundenbereich der Energiewandlungsprozess komplexen Mustern mit multi-fraktalen Skalengesetzen folgt, welche der Theorie zur Turbulenz von A. N. Kolmogorov aus dem Jahre 1962 entsprechen. "Beim Anblick einer drehenden Windturbine erhält man den Eindruck einer ruhigen Bewegung. Die Leistungsabgabe hingegen als Ergebnis der Kräfte und Drehmomente innerhalb der Maschine zeigt sehr turbulente Fluktuationen", erklärt Peinke. "Unterschiede von Megawatt (mehr als tausend PS) innerhalb von Sekunden werden sehr häufig beobachtet. Man kann daher eine Windenergieanlage mit einem Flugzeug im Landeanflug unter sehr turbulenten Windbedingungen vergleichen. Von außen sieht die Bewegung des Flugzeugs ruhig aus, doch innen entsteht durch die turbulente Dynamik ein ganz anderer Eindruck. Zusätzlich ist zu bedenken, dass eine Windturbine permanent solchen 'turbulenten Landebedingungen' ausgesetzt ist."
Darstellung der Sekundendynamik der Leistungsabgabe einer modernen Windenergieanlage. Hintergrunddas deterministische Driftfeld einer rekonstruierten Langevin Gleichung für die Dynamik der Leistungswandlung.
Darüber hinaus zeigen die aktuellen Ergebnisse erstmalig, dass die Intermittenz der elektrischen Leistungsabgabe auch auf der Größenordnung von ganzen Windparks erhalten bleibt. Diese Windpark-Intermittenz widerspricht zunächst der Intuition, da man erwarten würde, dass sich die Fluktuationen verschiedener Turbinen gegenseitig ausgleichen. Erklären lässt sich der Effekt durch die weitreichenden Korrelationen, welche typischerweise in Winddaten beobachtet werden, und die Reichweiten von hunderten von Kilometern erreichen. Es wird daher vermutet, dass sich auch die Intermittenzen der Windenergie über diese Größenordnungen erstrecken. Die Physiker folgern aus diesen Ergebnissen, dass der intermittente und multifraktale Charakter der Windenergie von großer Bedeutung für die Auslegung von Windenergiesystemen und für ihre Netzintegration ist. "Für alle diese Themen ist ein tiefgehendes und umfassendes Verständnis der Komplexität der Turbulenz unverzichtbar," betont Peinke.
[25.04.2013]
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