Die Experimentalphysikerin Ana Predojević aus Stockholm ist derzeit als Helene-Lange-Gastprofessorin an der Universität tätig. Sie ist eine von wenigen Frauen in einem der angesagtesten Forschungsgebiete der Physik.
Sie ist in der Welt des Allerkleinsten zu Hause – dem extrem seltsamen Kosmos der Quantenphysik: Prof. Dr. Ana Predojević befasst sich mit Lichtteilchen, die auf wundersame Weise miteinander verbunden sind. Mit ihrer Arbeitsgruppe „Quantenphotonik“ an der Universität Stockholm in Schweden stellt sie Lichtquellen her, mit denen sich solche „verschränkten“ Teilchen oder auch einzelne Photonen besonders effektiv erzeugen lassen. „Derartige Lichtquellen werden für die Quantenkommunikation benötigt oder auch für photonische Quantenrechner“, berichtet die Experimentalphysikerin.
Die Leidenschaft für Quantenlicht teilt Predojević mit dem Oldenburger Physiker Prof. Dr. Christian Schneider. Die beiden arbeiten seit Jahren zusammen, und im Augenblick ist ihre Kooperation besonders intensiv: Predojević ist derzeit Helene-Lange-Gastprofessorin an der Universität Oldenburg. Neben der gemeinsamen Forschung mit Schneider und seiner Arbeitsgruppe steht während ihres Aufenthalts auch die „Karriereförderung des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses“ auf dem Programm. Die Universität holt mit dem Helene-Lange-Programm herausragende Forscherinnen aus Fachgebieten nach Oldenburg, in denen Frauen stark unterrepräsentiert sind. Sie sollen als Rollenvorbilder dienen und während ihres Aufenthalts Ansprechpartnerinnen für Studentinnen, Doktorandinnen und Postdoktorandinnen sein. Predojević will sich im Sommersemester etwa im Mentoring-Programm der Universität engagieren, das sich speziell an Nachwuchswissenschaftlerinnen richtet.
Im Vergleich zu anderen Naturwissenschaften ist die Physik – ähnlich wie Informatik und Ingenieurwissenschaften – nach wie vor eine Männerdomäne. Statistiken zeigen, dass in vielen westlichen Ländern der Anteil der Studentinnen seit Jahren zwischen 20 und 30 Prozent stagniert, nur etwa jede zehnte Professur besetzt eine Frau. In Oldenburg ist die Lage ähnlich: 2021 waren 23 Prozent der Physik-Studierenden weiblich, bei den Abschlüssen und Promotionen haben Frauen immerhin einen Anteil von rund 30 Prozent. Bei den Professuren sind es 18 Prozent: Es gibt drei Professorinnen am Institut – sowie 14 Professoren.
„Physik war für mich immer am interessantesten“
Dass es auch anders geht, hat Ana Predojević während ihres Physikstudiums an der Universität Novi Sad in Serbien erlebt: „In meinem Jahrgang waren wir nur Frauen“, erinnert sie sich. Mittlerweile hat sie in Spanien, Österreich, Deutschland und Schweden geforscht – und festgestellt, dass unter diesen Ländern Spanien die besten Bedingungen für Frauen bietet. „Dort gibt es viele Physik-Studentinnen und auch viele Professorinnen“, berichtet sie. „Es ist dort offenbar selbstverständlicher und gesellschaftlich akzeptiert, dass Physik ein Thema für Frauen ist.“
Auch für sie selbst war es selbstverständlich, Physik zu studieren. „Ich wollte schon immer Wissenschaftlerin werden, und Physik fand ich einfach am interessantesten“, sagt sie. Sie ist fasziniert davon, vollkommen neue Phänomene zu untersuchen, mit denen sich vorher noch niemand beschäftigt hat. Der Reiz dabei: „Wenn man auf ein Problem stößt, kann man niemanden fragen, sondern muss es selbst lösen.“
Das gilt besonders in ihrem Fachgebiet, der Quantenphotonik – einem der derzeit angesagtesten Forschungsfelder der Physik. Quantenlicht – also Licht mit speziellen Eigenschaften, die sich durch die klassische Physik nicht beschreiben lassen – bildet die Grundlage für neue Technologien der Informationsverarbeitung. Anwendungen wie Quantencomputer oder Quantenkryptographie haben sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. „Als ich vor rund 20 Jahren mit meiner Doktorarbeit begonnen habe, waren Quantenlichtquellen noch ein relativ spezielles Gebiet“, erzählt Predojević.
Die Physikerin war von Anfang an dabei. In ihren Arbeiten hat sie sich nicht nur mit verschränkten Lichtteilchen befasst, sondern mit allerlei weiteren seltsam anmutenden Phänomenen der Nanowelt. Viele Stunden ihrer Forschung verbringt sie im Labor, um Experimente aufzubauen, neue Lichtquellen zu charakterisieren und zu testen. Ihre Arbeit wurde unter anderem vom Österreichischen Wissenschaftsfonds in den renommierten Lise-Meitner- und Elise-Richter-Programmen gefördert. „Ana Predojević ist zweifelsfrei eine der führenden Persönlichkeiten im Feld der Halbleiter-Quantenoptik“, sagt Christian Schneider, der stolz darauf ist, die Forscherin nach Oldenburg geholt zu haben.
Auch die aktuelle Zusammenarbeit war bereits fruchtbar: „Wir haben in den letzten Wochen interessante Ergebnisse erzielt und wollen demnächst eine weitere gemeinsame Veröffentlichung und einen Projektantrag einreichen“, berichtet der Forscher. Predojević ist von den Ergebnissen ihres Aufenthalts ebenfalls angetan – und davon, dass es in Oldenburg bereits im Februar deutlich frühlingshafter sei als in Stockholm. Dass zur Arbeitsgruppe derzeit keine weitere Frau gehört, tue ihrer Aufgabe als weibliches Vorbild keinen Abbruch, findet sie: „Ich kann auch für die Kollegen ein Rollenmodell sein.“