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29. Januar 2004 025/04
Neue Bakteriengruppe im Meer entdeckt
Oldenburger Biologen berichten in NATURE
Oldenburg. Meerwasser hat es in sich: In nur einem
Milliliter tummeln sich bis zu zwei Millionen winzige Bakterien. Da wundert
es nicht, dass das Wissen über die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaften
im freien Wasser der Weltmeere äußerst lückenhaft ist.
Einen großen Schritt nach vorne macht die Wissenschaft jetzt durch
die Forschungsergebnisse der Oldenburger Meeresmikrobiologen Prof. Dr.
Meinhard Simon, Dr. Natascha Selje und Dr. Thorsten Brinkhoff, die in
der heute erscheinenden Ausgabe des Wissenschaftsjournals NATURE (Volume
427, 29. Januar 2004*) vorgestellt werden. Den WissenschaftlerInnen des
Instituts für Chemie und Biologie des Meeres der Universität
Oldenburg gelang es, eine neue und sehr häufige Bakteriengruppe zu
identifizieren. Diese neue Gruppe, die RCA-Cluster genannt wurde, gehört
zur Familie der Roseobacteriaceen.
Die jetzt identifizierte Bakteriengruppe findet sich in vielen Meeresgebieten
der gemäßigten Zone sowie im Nord- und Südpolarmeer. Während
sie beispielsweise in der Nordsee und dem Nordpolarmeer 5 bis 10 Prozent
aller Bakterien in der oberflächennahen Wasserschicht ausmacht, bringt
sie es im Südpolarmeer sogar auf 20 Prozent. In tropischen und subtropischen
Regionen mit höheren Wassertemperaturen kommen Bakterien dieser Gruppe
nicht vor.
Bei ihren Untersuchungen im Südpolarmeer stellten die Oldenburger
Forscher fest, dass sich die Zusammensetzung der neu identifizierten Gruppe
nördlich und südlich der Polarfront unterscheidet (sog. Phylotypen).
Damit konnten sie erstmals belegen, dass die Verbreitung von marinen Bakteriengruppen
und -arten durch die Verteilung von Wassermassen reguliert wird und die
Temperatur dabei eine wichtige Rolle zu spielen scheint.
Um Bakterien sicher identifizieren zu können, müssen sie zuvor
im Labor kultiviert werden. Meeresbakterien verhalten sich dabei besonders
eigensinnig: Bei dem Versuch sie zu kultivieren, versagen oft die klassischen
mikrobiologischen Methoden, da sich das Wachstumsmilieu und die Wachstumsbedingungen
dieser Organismen fundamental von den Bedingungen unterscheiden, die im
Labor gewöhnlich hergestellt werden können. Den Oldenburger
WissenschaftlerInnen gelang es dennoch, die neue Bakteriengruppe zu identifizieren,
indem sie zwei Methoden kombinierten: Sie untersuchten die genetischen
Fingerabdrücke von Bakterien im Wasser und fanden so heraus, welche
Bakterien besonders häufig vorkamen. Durch schonende Versuchsbedingungen
regten sie selektiv das Wachstum dieser häufigen Bakterien an, so
dass eine Identifikation möglich wurde.
Bisherige Untersuchungen in offenen Meeresgebieten gaben lediglich Aufschluss
über das Vorkommen und die Häufigkeit von übergeordneten
Bakteriengruppen. Die Oldenburger Wissenschaftler haben nun dafür
gesorgt, dass für die neu identifizierte, sehr häufige Bakteriengruppe
RCA-Cluster eine wesentlich differenziertere Analyse des Vorkommens möglich
ist. Den großen Fortschritt, den dies bedeutet, kann man sich am
Beispiel von Landpflanzen vor Augen führen: Eine grobe Vorstellung
von der weltweiten Verbreitung der Familie der Kiefern (mit ihren Gattungen
Kiefer, Fichte, Lärche und Zeder) sagt noch nichts über ihr
reales Vorkommen an bestimmten Orten aus. Wenn aber dank neuer Untersuchungen
die exakte Verbreitung einer ihrer wichtigsten Gattungen, etwa der Fichte,
in bestimmten Klimazonen nachgewiesen werden kann, ist dies ein bahnbrechender
Erfolg für die Wissenschaft.
*Selje, N., Simon, M., Brinkhoff, T.: A newly discovered Roseobacter cluster in temperate and polar oceans. Nature, Vol. 427: pp. 445-448 (29 January 2004).
Kontakt: Prof. Dr. Meinhard Simon, Tel.: 0441/798-5361,
E-Mail:
Prof. Dr. Meinhard Simon
|
Dr. Natascha Selje
|
Dr. Thorsten Brinkhoff |