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Anna Wilsch

Toralf Neuling

16. März 2018   071/18    Forschung

Elektrische Hirnstimulation verbessert Sprachverstehen

Oldenburger Forscher meldet Patent an

Oldenburg. Eine neuartige Anwendung der elektrischen Hirnstimulation könnte Menschen mit Hörproblemen künftig helfen, Sprache auch bei starken Hintergrundgeräuschen besser zu verstehen. Ein Forscherteam um den Oldenburger Psychologen Prof. Dr. Christoph Herrmann setzte die sogenannte transkranielle elektrische Hirnstimulation so ein, dass einfache Sätze trotz Rauschens für Testpersonen verständlicher waren. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler aus Oldenburg, Lübeck und Salzburg in der Fachzeitschrift „Neuroimage“ veröffentlicht. Herrmann hat zudem für dieses Prinzip der Hirnstimulation ein Patent angemeldet.

Sprache ist oft schwerer zu verstehen, wenn zusätzliche Stimmen als Störgeräusche auftreten – etwa in einem lauten Restaurant. Dies gilt vor allem für ältere Menschen und jene, die Hörgeräte tragen. Selbst moderne Hörhilfen können diesen sogenannten Cocktail-Party-Effekt nicht ausgleichen. Denn die Geräte erhalten keine Information darüber, welchem Sprecher ihr Träger gerade folgen möchte.

„In diesen Situationen könnte die transkranielle elektrische Hirnstimulation Abhilfe schaffen“, sagt Herrmann. Um mit dieser Methode das Sprachverstehen zu verbessern, wertet ein eigens von den Oldenburger Forschern entwickeltes Computerprogramm zunächst ein auf die Ohren treffendes Schallsignal aus und berechnet die sogenannte Hüllkurve. Gemeint ist die grobe Struktur des Schalls, beispielsweise eines gesprochenen Satzes. Dieses Signal wird als schwacher elektrischer Wechselstrom über zwei oder mehr auf der Kopfhaut angebrachte Elektroden durch den Schläfenlappen geleitet – die Region, in der das Gehirn Hörinformationen verarbeitet. Ziel ist, die Wahrnehmung für eine bestimmte Schallquelle zu schärfen, indem die elektrische Hirnaktivität, die beim Hören zu messen ist, mit der äußeren Stromquelle in Gleichtakt gebracht wird. „In der Fachsprache heißt dies Frequenzmitnahme“, erläutert Herrmann.

In der aktuellen Studie erhielten insgesamt 19 junge gesunde Testpersonen eine solche Stimulation, während sie aus fünf Wörtern bestehende Sätze hörten. Dabei überdeckte unterschiedlich starkes Rauschen diese Sätze. Im Anschluss wiederholten die Probanden die Worte – soweit sie diese verstanden hatten. Die Stärke des Stroms, den die Testpersonen während des Experiments über die Elektroden erhielten, war dabei gerade so hoch, dass sie diesen nicht spürten. Die Wissenschaftler führten auch Kontrollmessungen durch, in denen entweder gar kein Strom oder nur ein leichter Gleichstrom durch die Elektroden floss. Die jeweilige experimentelle Situation kannten allerdings weder die Testpersonen noch die Wissenschaftler vor Ende des Experiments, die Studie war also doppelt-blind.

Das Ergebnis: Die Testpersonen verstanden im Vergleich zu den Kontrollmessungen die Sätze trotz Rauschens signifikant besser, wenn sie eine transkranielle Hirnstimulation erhielten. Dabei zeigte sich allerdings, dass sich eine Zeitverzögerung im Bereich von Zehntelsekunden zwischen Einsetzen des Sprachsignals und Einsetzen des stimulierenden Stroms individuell unterschiedlich auf die Testpersonen auswirkte. Die Forscher vermuten, dass der verabreichte Strom die sogenannte Frequenzmitnahme entweder verstärkt oder stört – je nach gewählter Verzögerung.

„Mit unserer Studie haben wir gezeigt, dass die Methode prinzipiell funktioniert“, sagt Herrmann. Doch bevor die Technik alltagstauglich ist, müssen die Forscher noch einige Hürden überwinden. Beispielsweise sei noch nicht klar, wie lange der Effekt durch die Hirnstimulation anhalte. Zudem müssen die Wissenschaftler noch realistischere Gesprächssituationen testen. Und noch ist die Apparatur sperrig. Langfristig sei daher das Ziel, die Elektroden und die datenverarbeitende Technik möglichst klein zu machen und mit vorhandenen Hörhilfen zu kombinieren, sagt Herrmann.

Dieses Ziel verfolgen die Forscher im Rahmen eines Verbundprojekts, das das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) von 2017 bis 2020 mit gut zwei Millionen Euro fördert. Unter der Federführung des Unternehmens Neuroconn in Ilmenau, einem Hersteller von Hirnstimulatoren, kooperiert das Team um Herrmann mit dem Hörzentrum Oldenburg, dem Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie (IDMT, Projektgruppe Hör-, Sprach- und Audiotechnologie), der Universität Siegen und dem Hörgeräte-Unternehmen Advanced Bionics. „Unser Ziel ist, im Laufe des Projekts einen Prototypen zu entwickeln“, sagt Herrmann.

Originalpublikation: Anna Wilsch, Toralf Neuling, Jonas Obleser, Christoph S. Herrmann (2018): Transcranial alternating current stimulation with speech envelopes modulates speech comprehension. Neuroimage 172, 766-774.

Weblinks

Bilder

  

Bevor die Wissenschaftler die Elektroden anbringen, müssen sie den Kopf der Testperson genau vermessen. Foto: Universität Oldenburg

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Prof. Dr. Christoph Herrmann erforscht, wie elektrische Hirnstimulation die Wahrnehmung von Gesprochenem verbessern kann. Foto: Universität Oldenburg

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Kontakt

Prof. Dr. Christoph Herrmann, Tel.: 0441/798-4936, E-Mail:

Presse & Kommunikation (Stand: 01.10.2024)  | 
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