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18. November 2024   182/24    Forschung

Klimawandel setzt Heringslarven unter Stress

Auftreten mehrerer Stressfaktoren hebelt Akklimatisierungsstrategien aus

Oldenburg. Wenn Heringslarven mehreren Stressfaktoren gleichzeitig ausgesetzt sind, vermindert sich ihre Fähigkeit, auf molekularbiologischer Ebene auf diese Veränderungen zu reagieren: Bereits bei einer Kombination aus zwei Faktoren bleibt eine schützende Antwort aus. Das ist das Ergebnis eines Experiments, das ein Team um Dr. Andrea Franke vom Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB) in Kiel durchführte. Die Forschenden setzten Heringslarven aus der Ostsee Stress durch erhöhte Temperaturen, Bakterien und eine Kombination aus beidem aus. Die Ergebnisse veröffentlichten sie in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Science of the Total Environment“. An der Studie waren außerdem Forschende des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der Universität Kiel beteiligt.

Die Forschenden schauten sich in ihrem Experiment drei Arten von Reaktionen an, um herauszufinden, wie die Heringslarven auf verschiedene Kombinationen von Umweltveränderungen reagierten. Zum einen untersuchten sie die Aktivität aller Gene der Larven, die sogenannte Genexpression. Zum zweiten untersuchte das Team sogenannte microRNA. Dabei handelt es sich um kurze Moleküle, die im komplexen Prozess der Herstellung von Proteinen eine hemmende oder unterstützende Wirkung haben können. Über die Genexpression und über die microRNA verfügt ein Organismus über Möglichkeiten, die Bildung von Proteinen zu regulieren und somit auf Umweltveränderungen zu reagieren. Als drittes betrachteten die Forschenden das Mikrobiom der Heringslarven: Sie ermittelten anhand von Genanalysen, welche Mikroben auf und in den Tieren leben.

Bei allen drei Analysen konnten sie Veränderungen feststellen. Besonders eindrücklich zeigte sich eine Reaktion der Larven bei der Genexpression: Waren die Tiere einer Hitzewelle oder Bakterien ausgesetzt, konnten die Forschenden beobachten, dass ein großer Teil der Gene herunterreguliert war. Dies werten die Wissenschaftler*innen als zelluläre Stressantwort, die dem Schutz von Proteinen und der Erbsubstanz DNA dient und dazu beiträgt, irreversible Zellschäden zu vermeiden.

Überraschend war für die Forschenden allerdings, dass diese Stressantwort komplett ausblieb, wenn die Larven einer Hitzewelle und gleichzeitig den Bakterien ausgesetzt waren. „Wir hatten nicht erwartet, dass die Larven keine Reaktion auf der Ebene der Genexpression mehr zeigen, wenn mehreren Stressfaktoren gleichzeitig auftreten. Das kann bei den Larven zum Beispiel zu Proteinschädigungen und Zellschäden führen und ihr Wachstum und Überleben langfristig beeinträchtigen“, so Erstautorin Franke. Für den Heringsbestand der westlichen Ostsee, der bereits stark dezimiert ist und sich auf einem historischen Tief befindet, wären das schlechte Nachrichten.

Bisher wurde in vergleichbaren Experimenten meist nur der Effekt einzelner Stressfaktoren auf Fischlarven untersucht. Das entspreche allerdings nicht unbedingt der Realität, betont Franke: „Der Klimawandel führt oft dazu, dass Meereslebewesen und Ökosysteme mehreren Belastungen gleichzeitig ausgesetzt sind.“ Mögliche Nachfolgestudien unter Klimawandelbedingungen könnten Franke zufolge untersuchen, ob sich die Beobachtungen auch bei längerfristig angelegten Experimenten bestätigen und welche Konsequenzen das für die Überlebensfähigkeit der Fische hat.

Das Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität wurde 2017 als institutionelle Kooperation zwischen der Universität Oldenburg und dem Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) gegründet. Es erforscht die marine Biodiversität und ihre Bedeutung für die Funktion der marinen Ökosysteme. Dabei entwickelt es die wissenschaftlichen Grundlagen für den Meeresnaturschutz und das Ökosystemmanagement.

Originalpublikation: Franke, A., Bayer, T., Clemmesen, C., Wendt, F., Lehmann, A., Roth, O., Schneider, R. F.: „Climate challenges for fish larvae: Interactive multi-stressor effects impair acclimation potential of Atlantic herring larvae”. Science of The Total Environment, 953. doi.org/10.1016/j.scitotenv.2024.175659

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Bilder

  

Aus fünf Millimeter langen Heringslarven werden nach einem Jahr rund zehn Zentimeter lange Jungtiere. Foto: Ture Tempelmann

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Heringe sind bekannt dafür, dass sie riesige Schwärme bilden. In der westlichen Ostsee nehmen die Bestände jedoch stark ab. Foto: Ture Tempelmann

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Kontakt

Dr. Andrea Franke, E-Mail:

Presse & Kommunikation (Stand: 01.10.2024)  | 
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